Rechtliche Rahmenbedingungen für Shared Space
Erstellt am: 16.01.2012 | Stand des Wissens: 28.08.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Der originäre Anspruch des Shared Space-Ansatzes beruht auf der Idee, die Interaktion zwischen den Verkehrsteilnehmenden - insbesondere zwischen dem Kraftfahrzeugverkehr und den nicht-motorisierten Verkehrsteilnehmenden - weitestgehend ohne Verkehrsregelung umzusetzen. Gegenwärtig ist aus straßenverkehrsrechtlicher Sicht eine solche "regelfreie" Umsetzung in der Bundesrepublik Deutschland jedoch nicht möglich [FGSV14].
Zwar ist der Gedanke vom Abbau überregulierter Straßenräume auch in der Straßenverkehrs-Ordnung [StVO] (StVO) verankert, jedoch ist die ausschließliche Regulierung des Verkehrsgeschehens mittels sozialer Normen - ein Verkehrsraum ohne rechtliche Regelung - nicht möglich. Die "Hinweise zu Straßenräumen mit besonderem Überquerungsbedarf Anwendungsmöglichkeiten des "Shared Space"-Gedankens" betonen jedoch, "dass im deutschen Entwurfsregelwerk für Stadtstraßen schon seit den 1980er-Jahren die Notwendigkeit erkannt wurde, in Straßenräumen mit besonderem Überquerungsbedarf für alle Verkehrsteilnehmer individuelle Lösungen zu ermöglichen"[FGSV14, S.6]. Die Richtlinien für derartige Planungen entsprechen nur nicht den originären Ansprüchen des Shared-Space Ansatzes.
Zwar ist der Gedanke vom Abbau überregulierter Straßenräume auch in der Straßenverkehrs-Ordnung [StVO] (StVO) verankert, jedoch ist die ausschließliche Regulierung des Verkehrsgeschehens mittels sozialer Normen - ein Verkehrsraum ohne rechtliche Regelung - nicht möglich. Die "Hinweise zu Straßenräumen mit besonderem Überquerungsbedarf Anwendungsmöglichkeiten des "Shared Space"-Gedankens" betonen jedoch, "dass im deutschen Entwurfsregelwerk für Stadtstraßen schon seit den 1980er-Jahren die Notwendigkeit erkannt wurde, in Straßenräumen mit besonderem Überquerungsbedarf für alle Verkehrsteilnehmer individuelle Lösungen zu ermöglichen"[FGSV14, S.6]. Die Richtlinien für derartige Planungen entsprechen nur nicht den originären Ansprüchen des Shared-Space Ansatzes.
Laut StVO heißt es bezüglich der Anordnung von Verkehrszeichen und -einrichtungen, dass "[...] örtliche Anordnungen durch Verkehrszeichen nur dort getroffen [werden], wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten ist" [StVO §39 Absatz 1, §43 Absatz 1 Satz 2]. Zudem ist "[...] bei der Anordnung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen restriktiv zu verfahren und stets [...] zu prüfen, ob die vorgesehene Regelung [...] zwingend erforderlich ist" [GER10a]. "Verkehrszeichen dürfen [somit] nur dort angebracht werden, wo dies nach den Umständen geboten ist" [VwV-StVO zu den §§39 bis 43 Absatz 1 Satz 3]. Die StVO gilt stets als rechtliche Ordnung zur Regelung und Lenkung des öffentlichen Verkehrs [VwV-StVO zu §1]. Die Verhaltensregeln der StVO haben auch ohne beziehungsweise bei weitgehendem Verzicht auf Verkehrseinrichtungen (zum Beispiel Verkehrszeichen) rechtlich gültigen und bindenden Charakter. Sie gelten folgerichtig auch in Shared Space-Bereichen [BeBü10]. Entsprechend werden durch die Nichtbeschilderung eines öffentlichen Verkehrsraumes die folgenden Grundregeln nicht berührt:
- Gebot der allgemeinen Rücksichtnahme,
- Rechtsfahrgebot,
- Gebot der Rechts-vor-Links-Regelung und
- Gebot der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 Kilometer pro Stunde unter Beachtung einer Anpassung (Herabsenkung) bei entsprechender Notwendigkeit.
Anders als in den Niederlanden oder der Schweiz, in denen straßenverkehrsrechtliche Rahmen für "Shared Space" oder "Begegnungszonen" vorhanden sind, sind in Deutschland der Umsetzung von Shared Space-Bereichen Grenzen gesetzt. Unter den gegenwärtigen straßenverkehrlichen Rechtsgrundlagen können in Straßenräumen mit hohem Aufenthalts- und Querungsbedarf öffentliche Räume entsprechend der Shared Space-Idee realisiert werden indem zonale straßenverkehrsrechtliche Anordnungen geschaffen werden. Bei der straßenverkehrsrechtlichen Ausgestaltung von Bereichen nach dem Shared Space-Prinzip können Varianten des verkehrsberuhigten Geschäftsbereiches (Zeichen 274 der StVO mit Maximalgeschwindigkeit zwischen 10 und 20 Kilometer pro Stunde) sowie des verkehrsberuhigten Bereiches (Zeichen 325 der StVO) in Frage kommen [Or11; ADAC09b].
So eignet sich der verkehrsberuhigte Bereich zur Umsetzung in Straßenräumen, in denen der Fußgängerverkehr eine deutlich dominante Stellung gegenüber dem Kraftfahrzeugverkehr und dem Durchgangsverkehr einnimmt. Die Aufenthaltsfunktion wird zusätzlich durch den rechtlich gesicherten Vorrang der Fußgänger gestärkt [GER10a]. Der gewünschte "Gaststatus" des Kraftfahrzeugverkehrs lässt sich straßenverkehrsrechtlich aktuell nur mit dieser zonalen Gestaltungvariante korrekt realisieren. Eine zusätzliche Beschilderung im Ein- beziehungsweise Ausgangsbereich mittels eines zonalen Parkverbots ist dabei nicht erforderlich.
In Shared Space-Bereichen mit straßenverkehrsrechtlicher Ausweisung als verkehrsberuhigter Geschäftsbereich besitzt der Fußgängerverkehr keinen Vorrang. Folglich eignet sich diese zonale Gestaltungsvariante für Straßenräume, in denen der nicht-motorisierte Verkehr in Relation zum Kraftfahrzeugverkehr und Durchgangsverkehr keine spürbar dominante Stellung einnimmt [GER10a].
Eine Wahl sollte nach den Faktoren:
Eine Wahl sollte nach den Faktoren:
- Kraftfahrzeugbelastung,
- Durchgangsverkehrsaufkommen und
- Fußgängerverkehrsaufkommen
getroffen werden [GER10a]. Weitere straßenverkehrrsechtliche Maßnahmen, die zu einer Verkehrsberuhigung beitragen können sind:
- (Zonen-) Geschwindigkeitsbegrenzungen,
- Vorfahrtsregelungen,
- Zufahrtsbeschränkungen,
- Fußgängerzonen,
- Verkehrsberuhigte (Geschäfts-) Bereiche,
- Radwege, Fahrrad- und Öffentliche Personennahverkehrs (ÖPNV)-Straßen sowie
- Umweltzonen.
Diese Maßnahmen sind im Gegensatz zum Shared Space Ansatz rechtlich in der [StVO] verankert.