Optimierungsansätze zur Qualitätsverbesserung des Schienennetzes
Erstellt am: 24.08.2011 | Stand des Wissens: 19.07.2019
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Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
Aufgrund seiner systemspezifischen Eigenschaften, welche unter anderem die fahrwegseitige Spurführung sowie eine notwendige Außensteuerung beinhalten, werden sowohl Leistungsfähigkeit als auch Angebotsqualität des Schienenverkehrs in besonderem Maße durch die jeweils vorherrschenden infrastrukturellen Voraussetzungen determiniert. Demzufolge bergen nicht nur auf dem Eisenbahnnetz verkehrende Fahrzeuge, sondern speziell auch ortsfeste Systemkomponenten und Anlagen umfangreiche Optimierungspotenziale, deren sachgerechte Realisierung zu einer Attraktivitätssteigerung der Schiene im intermodalen Wettbewerbsumfeld beitragen kann. Speziell drei Aspekte sind vor diesem Hintergrund von besonderer Relevanz: Geschwindigkeitserhöhung, Kapazitätsausweitung und Verfügbarkeitssteigerung.
Geschwindigkeitserhöhung
Das Kriterium der Reisezeit gilt als eine bestimmende Determinante der individuellen Verkehrsmittelwahl. Während sich Angebote des Schienenpersonenverkehrs hinsichtlich weiterer ausschlaggebender Faktoren wie beispielsweise reisebezogenen Kosten als durchaus konkurrenzfähig erweisen, haben sie allerdings vielfach in Bezug auf entsprechende zeitliche Gesichtspunkte gegenüber dem Motorisierten Individualverkehr (MIV) das Nachsehen. Mittels einer Erhöhung streckenseitig zulässiger Geschwindigkeiten lassen sich die Voraussetzungen für kürzere Reisezeiten schaffen und somit aufgrund längerer Zu- sowie Abgangszeiten im Vergleich zum Pkw bestehende Nachteile kompensieren. Insbesondere auf Relationen zwischen bevölkerungsreichen Metropolregionen besteht hierdurch die Möglichkeit, nennenswerte Modal Split-Verschiebungen zugunsten des Schienenverkehrs herbeizuführen. Der Neubau von Hochgeschwindigkeitsstrecken stellt hier einen gängigen Lösungsansatz dar.
Geschwindigkeitserhöhung
Das Kriterium der Reisezeit gilt als eine bestimmende Determinante der individuellen Verkehrsmittelwahl. Während sich Angebote des Schienenpersonenverkehrs hinsichtlich weiterer ausschlaggebender Faktoren wie beispielsweise reisebezogenen Kosten als durchaus konkurrenzfähig erweisen, haben sie allerdings vielfach in Bezug auf entsprechende zeitliche Gesichtspunkte gegenüber dem Motorisierten Individualverkehr (MIV) das Nachsehen. Mittels einer Erhöhung streckenseitig zulässiger Geschwindigkeiten lassen sich die Voraussetzungen für kürzere Reisezeiten schaffen und somit aufgrund längerer Zu- sowie Abgangszeiten im Vergleich zum Pkw bestehende Nachteile kompensieren. Insbesondere auf Relationen zwischen bevölkerungsreichen Metropolregionen besteht hierdurch die Möglichkeit, nennenswerte Modal Split-Verschiebungen zugunsten des Schienenverkehrs herbeizuführen. Der Neubau von Hochgeschwindigkeitsstrecken stellt hier einen gängigen Lösungsansatz dar.
Neben dem Bau von Hochgeschwindigkeitsstrecken können signifikante Geschwindigkeitserhöhungen auch auf Bestandsstrecken erreicht werden. Die Beseitigung stark verzögernder Beschränkungen (zum Beispiel Langsamfahrstellen oder Bahnhofsdurchfahrten) ist dabei ebenso zu nennen wie Maßnahmen zur Linienkorrektur beziehungsweise -verbesserung (zum Beispiel Vergrößerung der Überhöhung oder Bogenradienerweiterungen). Eine auf hinreichende Geschwindigkeitsanhebungen abzielende Streckenertüchtigung setzt jedoch mitunter zahlreiche Einzelmaßnahmen voraus, welche neben der konstruktiven Modifikation des Oberbaus auch Anpassungen an Fahrdrahtanlagen und Sicherungstechnik beinhalten. [Lich10; Weig07; MuFr05]
Kapazitätsausweitung
Neben Anpassungen der Entwurfsgeschwindigkeit lässt sich auch über Kapazitätsausweitung die Qualität des Schienennetzes anpassen. Die deutschen Eisenbahnpersonenverkehrsunternehmen haben in den vergangenen Jahren Aufkommenszuwächse zu verzeichnen, während das Güterverkehrsaufkommen stagniert beziehungsweise leicht rückläufig ist (vergleiche hierzu beispielsweise [Stat18ad S. 4 ff., Stat19m, S. 5]. Für die kommenden Jahre wird aber auch für den Güterverkehr eine Transportbedarfssteigerungen prognostiziert, deren Befriedigung das bestehende Eisenbahnnetz insbesondere auf gegenwärtig bereits stark frequentierten Relationen des Seehafenhinterlandverkehrs an seine Belastungsgrenzen führen wird [INTR20, S. 1].
Um neben Neubauvorhaben auch die Leistungsfähigkeit existierender Infrastruktur auf das jeweils benötigte Maß anheben zu können, stehen sowohl betriebliche als auch bauliche Handlungsoptionen zur Verfügung, deren überschneidungsfreie Definition allerdings nur in bedingtem Umfang möglich ist, da zwischen beiden Ansätzen zahlreiche Interdependenzen bestehen. So lassen sich beispielsweise im Hinblick auf infrastrukturelle Maßnahmen Streckenelektrifizierungen und sicherungstechnische Modernisierungen von Neben- und Regionalnetzen erwähnen. Ebenso ermöglichen zusätzliche Kreuzungs- und Überholgleise, verkürzte Blockabstände sowie die Anlage höhenfreier Ein- und Ausfädelungen mit einem entsprechenden Wegfall von Fahrstraßenausschlüssen verbesserte Leistungsfähigkeit [UBA09; WeMi08].
Eisenbahnbetriebliche Kapazitätssteigerungsansätze, welche lediglich geringen Infrastrukturmodifikationsaufwand bedingen, stellen bspw. auf eine Geschwindigkeitsharmonisierung abzielende Betriebsprogramme für Mischverkehrsstrecken dar [StPa96]. Ein als "Moving Block" umschriebenes Prinzip der Distanzüberwachung ermöglicht ferner Zugfahrten im absoluten sowie relativen Bremswegabstand. Folglich können unter Verzicht auf ortsfeste Signale, durch eine Führerstandssignalisierung in Verbindung mit entsprechend geeigneter Eisenbahnsicherungstechnik, kürzere Zugfolgen und somit höhere Fahrwegkapazitäten erzielt werden [Pach08a, S. 514; Pach08].
Verfügbarkeitssteigerung
Sowohl planmäßig durchgeführte Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten als auch unvorhergesehen auftretende Störungen reduzieren einerseits die zeitweilig verfügbare Streckenkapazität und schlagen sich andererseits negativ auf die kundenseitig wahrgenommene Angebotsqualität nieder, da in diesem Zusammenhang entweder längere Beförderungszeiten in Kauf genommen werden müssen oder einzelne Verbindungen gar vollständig entfallen. Beide genannten Effekte wirken sich unter Umständen nachteilig auf das mögliche Betriebsergebnis betroffener Schienenverkehrsanbieter aus.
Um die mit entsprechenden Ereignissen einhergehenden wirtschaftlichen Verluste und verkehrshemmenden Leistungsfähigkeitseinbrüche minimieren zu können, sollten technische und betriebliche Maßnahmen eine herausragende Priorität genießen, welche dazu beitragen, eine Verfügbarkeitssteigerung (das heißt die dauerhafte Einsatzfähigkeit) der genutzten Fahrweginfrastruktur zu herbeizuführen. Zu nennen sind vor diesem Hintergrund beispielsweise eine geeignete Werkstoffwahl für und konstruktive Gestaltung von Schienen, Schwellen und weiteren Fahrwegoberbauelementen sowie die zeitlich-organisatorische Optimierung erforderlicher Instandhaltungstätigkeiten. [Beck11, S. 23; Lich10, S. 98 f.]
Zusätzlich wird seit Ende der 1980er Jahre mit vielen europäischen Ländern an einem gemeinsamen, länderübergreifenden Zugsicherungssystem gearbeitet. Dieses "European Train Control System" kurz ETCS ermöglicht das sichere Befahren eines Gleisabschnittes mit verschiedenen Leveln. Level 0 bis 3 sind dabei so aufgebaut, dass die jeweils niedrigere Stufe die Rückfallebene der darüberliegenden Ebene darstellt. Level 0 bedeutet, dass ein mit ETCS ausgestattetes Triebfahrzeug auf einer Strecke ohne ETCS-Zugbeeinflussungssystem fährt. Die fahrzeugseitige ETCS-Ausrüstung überwacht dabei lediglich die Höchstgeschwindigkeit des Zuges. Level 1 arbeitet signalgeführt, ist für Geschwindigkeiten bis zu 160 km/h zugelassen und arbeitet ähnlich wie das deutsche PZB. Level 2 kommt bereits ohne physische Signale entlang der Strecke aus. Die Funkverbindung mittels GSM-R zur Leitstelle überträgt alle erforderlichen Informationen zum Zug. Durch sogenannte Eurobalisen im Gleis kann die genaue Zugposition jederzeit bestimmt werden. Mit Level 2 sind Geschwindigkeiten bis zu 300 km/h möglich. Seit Ende 2015 ist die erste Strecke in Deutschland (Erfurt Leipzig) mit ETCS Level 2 in Betrieb und die Deutsche Bahn AG sieht vor, alle Neubaustrecken sowie langfristig auch alle Bestandsstrecken damit auszurüsten. Level 3 funktioniert ähnlich wie Level 2, nur die streckenseitige Gleisfreimeldung entfällt. Stattdessen wird dies über die fahrzeugseitige Prüfung der Zugintegrität gewährleistet. Dies führt dazu, dass räumlich festgelegte Blockabschnitte entfallen können und Züge diese quasi "mit sich führen". In allen Leveln des ETCS bleibt der Lokführer allerdings zur Systemüberwachung und als Lokführer in Störfällen unersetzlich. Von ETCS versprechen sich die Länder eine erweiterte Verfügbarkeit, aber auch eine Kapazitätsausweitung von bis zu 20 Prozent laut Deutsche Bahn AG [Esch10, DBAG18h].
Somit bildet ein wartungs- und in erster Linie störungsarmes Schienennetz die Grundlage für eine verlässliche Zugverkehrsabwicklung und ist somit in der Lage, gegenüber dem stauanfälligen und mit Hinblick auf die Fahrzeit teilweise wenig verlässlichen Motorisierten Individualverkehrs (MIV) beziehungsweise Güterkraftverkehr merkliche Wettbewerbsvorteile zu generieren, welche wiederum entsprechend hohe Verlagerungseffekte zu Gunsten der Eisenbahn herbeiführen können.