Neu- und Ausbau des deutschen Schienennetzes
Erstellt am: 24.08.2011 | Stand des Wissens: 24.09.2021
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Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
Seit Beginn des nationalen Eisenbahnverkehrs im Jahre 1835 war das deutsche Schienennetz bis in das 20. Jahrhundert hinein einem kontinuierlichen Erweiterungsprozess unterworfen. Angestoßen durch kriegsverursachte Zerstörungen und anschließend befeuert durch den steigenden Stellenwert individueller Mobilitätsangebote reduzierte sich die Gesamtstreckenlänge ab Mitte des 20. Jahrhunderts erheblich. [Fleg11, S. 11; Allianz pro Schiene e.V.] Seit einigen Jahren verlangsamt sich dieser Prozess. Zwar können selten genutzte Streckenabschnitte beziehungsweise Teilnetze weiterhin von einer Streckenstilllegung betroffen sein. An anderen Stellen wurden stillgelegte Strecken dagegen bereits wieder reaktiviert. Dennoch sind in absehbarem Zeitraum keine umfangreichen Gesamtlängenzuwächse zu erwarten. Aktuelle Zahlen zum deutschen Schienennetz finden sich in den Syntheseberichten "Historische Entstehungsgeschichte des deutschen Schienennetzes" beziehungsweise "Basisdaten der deutschen Schieneninfrastruktur" dieser Wissenslandkarte.
Steigende Anforderungen des Transport- und Verkehrssektors machen die fortschreitende Realisierung von Neu- und Ausbauvorhaben notwendig. So kann beispielsweise dem Wunsch nach kürzeren Reisezeiten oder einer erforderlichen Achslasterhöhungen bei der Frachtbeförderung häufig nur durch infrastrukturelle Eingriffe nachgekommen werden. Dementsprechend werden Investitionen in das Schienennetz auch zukünftig nicht ausschließlich auf bestandserhaltende Maßnahmen und reine Ersatzleistungen beschränkt bleiben. Insbesondere im Hinblick auf prognostizierte Verkehrsleistungssteigerungen erscheint es nahezu unumgänglich, ergänzende Fahrwegkapazitäten zu schaffen.
Aufgrund seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Daseinsvorsorge obliegt dem Bund die Hauptverantwortung für eine adäquate Schienennetzausgestaltung. Als Eigentümer von knapp 80 Prozent der deutschen Eisenbahnstrecken (vgl. hierzu [StaBu18a, S. 4; DBAG17d, S. 127]) hat er gemäß Art. 87e GG zu gewährleisten, "dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz [...] Rechnung getragen wird." Mit Hilfe der Bundesverkehrswegeplanung (BVWP), dem Bundesschienenwegeausbaugesetz (BSWAG) sowie dem Bedarfsplan für die Bundesschienenwege (als Anlage des BSWAG), wird daher sowohl die verkehrspolitische als auch die finanzierungsseitige Grundlagen für mittel- bis langfristig umzusetzende Infrastrukturvorhaben geschaffen [BMVI16d; BSWAG]. Sämtliche Projekte, die dem sogenannten vordringlichen Bedarf zuzuordnen sind, haben vor diesem Hintergrund eine uneingeschränkte Planungsfreigabe erhalten [BMVI16d, Seite 161 ff.]. Für die Projekte des vordringlichen Bedarfs sind im Bundesverkehrswegeplan über 40 Milliarden Euro vorgesehen, wovon über 80 Prozent für Aus- und Neubauprojekte verwendet wird. Detaillierte Informationen hinsichtlich der betreffenden Neu- und Ausbauvorhaben, insbesondere zu deren gegenwärtigem Realisierungsstand finden sich im Verkehrsinvestitionsbericht für das Berichtsjahr 2018 [Bund20], im Bundesverkehrswegeplan 2030 [BMVI16d, Seite 162 ff.] sowie in der Wissenslandkarte "Bundesverkehrswegeplanung" hier im Forschungsinformationssystem.
Mit einem Investitionsvolumen von 254 Millionen Euro zwischen 2015 und 2020 genießen derzeit Infrastrukturvorhaben, die dazu beitragen, schienengebundene Frachttransporte zu und von den deutschen Hochseehäfen flüssiger abwickeln zu können, eine besondere Priorität. [Bund20, S. 19] Engpässe in der Netzkapazität erschweren bereits jetzt den reibungslosen Ablauf dieser Seehafen-Hinterlandverkehre erheblich. Mit zunehmendem Beförderungsaufkommen drohen weitreichende Trassenkonflikte, die zur Folge haben, dass die bestehende Transportnachfrage nicht mehr vollumfänglich bedient werden kann. Neben Neu- und Ausbaumaßnahmen sind Lärmschutz, aber auch die Förderung von Umschlaganlagen des kombinierten Verkehrs bedeutende Schwerpunkte der Finanzierung für ein zukunftsfähiges Schienennetz in Deutschland. [Bund20, Seite 18f.]