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Verwendung von Flüssiggasen als Flugtreibstoff

Erstellt am: 30.06.2011 | Stand des Wissens: 28.02.2024
Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.

Die Erkundung und Implementierung alternativer Flugkraftstoffe gewinnen in der Luftfahrtindustrie zunehmend an Bedeutung. In diesem Kontext ist die Verwendung von Flüssiggasen als Flugtreibstoff zu betrachten, wobei Erdgas-basierte Lösungen wie flüssiges Erdgas (auf Englisch: Liquid Natural Gas, LNG) und synthetische Kraftstoffe auf Erdgas-Basis (auf Englisch: Gas-to-Liquid, GTL) im Rahmen dieses Syntheseberichtes beschrieben werden.
Der entscheidende Vorteil bei der Verwendung von Flüssiggasen ist die bestehende Infrastruktur für die Herstellung, Speicherung und den Transport, welche umfangreich und gut etabliert ist. Der Übergang zu neuen, nachhaltigeren Treibstoffen erfordert erhebliche Investitionen in Infrastrukturänderungen, was zu einer gewissen Trägheit führen kann.
Fossiles Erdgas oder Naturgas besteht hauptsächlich aus Methan. Weitere Bestandteile sind Äthan, Propan, Buthan und Penthan, wobei die Mischungsverhältnisse etwas variieren können.

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Abb. 1: Typische Zusammensetzung von Erdgas [AFT]


Verflüssigte Petroleumgase wie Propan oder Butan (auf Englisch: Liquid Petroleum Gas, LPG) sind zwar keine Kyrogene (wie Wasserstoff oder Methan), dennoch gibt es bei ihrer Herstellung und Lagerung ähnliche weitreichende Probleme, die für den Großeinsatz nur mit einem erheblichen Aufwand zu lösen wären. So müssten erhebliche Anpassungen an der bestehenden Infrastruktur vorgenommen werden. Dies umfasst die Entwicklung von spezialisierten Tankstellen, Anpassungen an Flugzeugtriebwerke und eine umfassende Sicherheitsbewertung.
LNG
Ähnliche Anforderungen an das Flugzeugdesign wie beim Wasserstoff stellt der Einsatz von LNG. So muss auch  dieser Treibstoff gekühlt werden, um flüssig zu bleiben.
LNG besitzt einerseits, bezogen auf das Gewicht, nicht einmal den halben Energiegehalt von Wasserstoff. Andererseits ist der Energiegehalt aber höher als der von herkömmlichem Kerosin. Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) kam dennoch zu dem Ergebnis, dass Methan (LNG oder Biogas) insgesamt gesehen energetisch schlechter abschneidet als Kerosin.
Aufgrund dessen hat der vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) gegründete zwischenstaatliche Ausschuss diese Option verworfen. [LH2007] Darüber hinaus bietet die Herstellung von Propan oder Butan keine nennenswerten Vorteile bezüglich Verfügbarkeit, Kosten und Umweltverträglichkeit gegenüber herkömmlichen Flugbenzinen.
Flüssiggase wie LNG können grundsätzlich auch durch Biogas-to-Liquid (BtL) oder Power-to-Gas (PtG) Technologien erneuerbar hergestellt werden. Biogas birgt jedoch begrenzte Potenziale abhängig, von der verfügbaren Biomasse und PtG wird es bisher nur in Forschungs- und Pilotprojekten realisiert. [DVGW19] In diesem Zusammenhang ist es zudem wichtig, zu beachten, dass die Nachhaltigkeit von LNG nicht nur von der Herkunft des Erdgases abhängt, sondern auch von anderen Faktoren wie den Umweltauswirkungen der Produktion, des Transports und der Verflüssigung. Außerdem kommt es bei den Umwandlungsschritten stets zu (nicht unwesentlichen) Energieverlusten.
GTL
Eine weitere Möglichkeit ist die Verwendung von GTL (Gas to Liquid). Es handelt sich dabei um synthetische Kraftstoffe auf Erdgas-Basis. Sie werden auf die gleiche Weise synthetisiert wie Biotreibstoffe (BtL). Sie entstehen daher, im Gegensatz zu LNG, in einen chemischen Prozess. Mineralölkonzernen und Ländern mit hohen Gasvorkommen könnte diese Technologie eine Lösung für das Transportproblem beim Erdgas in die Hand. GTL ist eine Alternative zur Erdgas-Verflüssigung durch Abkühlung (LNG).

In den USA produzieren Demonstrationsanlagen entsprechenden Flugturbinenkraftstoff, und Shell betreibt seit dem Jahr 1993 die erste kommerzielle Niedrig-Temperatur-GTL-Anlage in Malaysia. Zurzeit ist das GTL-Verfahren aber noch sehr energieaufwendig. Es bleibt zu betonen, dass GTL im Vergleich zu BTL extra Kohlenstoffdioxid- (CO2) Emissionen verursacht, da es sich um einen fossilen Energieträger (Erdgas) und nicht um einen nachwachsenden Rohstoff handelt. [LH2007] Außerdem konnte anhand von Studien nachgewiesen werden, dass auch andere Emissionen wie Stickoxide (NOx) durch GTL nicht gesenkt werden [BaNu14]. Dementsprechend handelt es sich nicht um einen nachhaltigen Treibstoff.
Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Literatur
[AFT] Lee, S., Speight, J. G. , Loyalka, S. K. Handbook of Alternative Fuel Technologies, 2007/03, ISBN/ISSN ISBN-10: 0824740696
[BaNu14] M. Badami,, P. Nuccio,, D. Pastrone,, A. Signoretto Performance of a small-scale turbojet engine fed with traditional and alternative fuels, veröffentlicht in Energy Conversion and Management, Ausgabe/Auflage 82, 2014/03/31, Online-Referenz doi:10.1016/j.enconman.2014.03.026
[DVGW19] Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. (DVGW) (Hrsg.) LNG kann Grün!, 2019/05
[LH2007] o.A. Balance, veröffentlicht in Das wichtigste zum Thema Nachhaltigkeit bei Lufthansa, 60546 Frankfurt am Main, 2007
Glossar
Biomasse Biomasse umfasst:
  • Reststoffe wie z.B. Restholz, organische Abfälle (Biomüll, Gülle etc.), Stroh sowie
  • Energiepflanzen wie z.B. Raps, schnell wachsende Baumarten, Energiegetreide, Miscanthus.
LNG
Liquified natural gas = Flüssigerdgas (CH4) wie es zum Beispiel in Fahrzeugen getankt werden kann. Durch Abkühlen auf -164 Grad Celsius schrumpft das Volumen auf ein sechshundertstel des Normvolumens. Damit erhöht sich der Energiegehalt bezogen auf das Volumen und somit zum Beispiel die Reichweite eines Fahrzeuges bei gleichem Tankvolumen. Für die aufwendige Verflüssigung werden circa 10 bis 25 Prozent der im Erdgas gespeicherten Energie aufgewendet, daher findet man im Straßenverkehr hauptsächlich compressed natural gas = komprimiertes Erdgas (CNG).
CH4
= Methan. Es ist ein farbloses, geruchloses und leicht brennbares Gas, das zu Kohlendioxid und Wasser verbrennt. Methan ist Hauptbestandteil von Erdgas, Biogas, Deponiegas und Klärgas. Als Erdgas dient es hauptsächlich der Beheizung von Wohn- und Gewerberäumen, als industrielle Prozesswärmeenergie, zur elektrischen Stromerzeugung und in kleinem Umfang als Treibstoff für Kraftfahrzeuge.
Methan gehört zu den klimarelevanten Treibhausgasen. Methan entsteht bei allen organischen Gär- und Zersetzungsprozessen, wie z.B. in Sümpfen, Nassreisfeldern und Massenviehhaltung. (Der Verdauungstrakt von Wiederkäuern produziert Methan.)
Nach Kohlendioxid ist Methan mit einem Anteil von knapp 20 Prozent wichtigster Verursacher des Treibhauseffekts, wobei es ein 20- bis 30-mal wirksameres Treibhausgas als CO2 ist. Die weltweiten Methanemissionen werden auf 500 Mio. Tonnen/Jahr geschätzt, davon gehen rund 70 Prozent auf menschliche Aktivitäten zurück.
LPG = Liquified Petroleum Gas. Flüssiggas (Propan, Butan und deren Gemische) ist ein Kohlenwasserstoff, der unter relativ geringem Druck verflüssigt und dann nur etwa 1/260 seines gasförmigen Volumens einnimmt.
IPCC
Rolle und Auftrag
Der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC; auch: Weltklimarat), ist eine Institution der Vereinten Nationen (UN) mit Sitz in Genf. 1988 durch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UN Environmental Programme) und die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) gegründet, ist er zugleich wissenschaftliches Gremium.
Im Auftrag des IPCC tragen Fachleute weltweit regelmäßig den aktuellen Kenntnisstand zum Klimawandel zusammen und bewerten ihn aus wissenschaftlicher Sicht. So sollen Grundlagen für wissenschaftsbasierte politische Entscheidungen geschaffen werden, jedoch ohne konkrete Lösungswege vorzuschlagen oder Handlungsempfehlungen zu geben. Dabei ist der Gewissheitsgrad zum anthropogenen (vom Menschen verursachten) Einfluss auf die beobachtete Erwärmung/die Klimaänderungen im Zeitverlauf der Arbeit des IPCC klar gewachsen (siehe hierzu unten Berichte).
Organisationsstruktur
Das etwa zweimal jährlich tagende Plenum aus Regierungsdelegationen der Mitgliedstaaten, zahlreichen Wissenschaftler:innen und Vertreter:innen von Beobachterorganisationen legt das Arbeitsprogramm und weitere Verfahrensaspekte der Arbeit des IPCC fest. Es wählt für jeden Berichtszyklus einen wissenschaftlichen Vorstand und verabschiedet fertige Berichte.
Als national zuständige IPCC-Kontaktstelle ist in Deutschland das Auswärtige Amt (AA) in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) benannt. Sie wird unterstützt von der Deutschen IPCC-Koordinierungsstelle, die gemeinsam von AA und BMBF getragen wird. Weitere eher administrative Gremien zur Unterstützung der Projekt- und Arbeitsgruppen sind das Sekretariat und die Geschäftsstellen.

Die derzeit drei wissenschaftlichen Arbeitsgruppen (Working Groups - WG) des IPCC erstellen die Sachstandsberichte und Sonderberichte.
- Arbeitsgruppe I (WGI) befasst sich mit den naturwissenschaftlichen Ursachen des Klimawandels.
- Arbeitsgruppe II (WGII) untersucht die Verwundbarkeit von Systemen gegenüber dem Klimawandel und beschreibt Optionen zur Anpassung.
- Arbeitsgruppe III (WGIII) zeigt Optionen zur Minderung des anthropogenen Klimawandels auf.
Zusätzlich setzt der IPCC flexibel Gruppen zu spezifischen Themen, sowie zur Weiterentwicklung der Verfahren ein. (Task Forces - TF; Task Groups - TG).
Berichte
Seit seiner Gründung 1988 hat der IPCC insgesamt 6 umfangreiche Sachstandsberichte (Assessment Reports; 1990, 1995, 2001, 2007, 2013/14, 2021) veröffentlicht; daneben zahlreiche Sonderberichte (Special Reports) und Methodenberichte (Methodology Reports). Bereits 1999 entstand der verkehrsrelevante Sonderbericht Luftfahrt und die globale Atmosphäre (Aviation and the Global Atmosphere). Mit dem 4. Sachstandsbericht 2007 (Fourth Assessment Report - AR 4) fasste des IPCC den Kenntnisstand der Wissenschaft erstmals so zusammen, dass der Einfluss des Menschen auf das Klimasystem als eindeutig gewertet werden konnte.

Verwendete Quellen:
Informationen der Deutschen Koordinierungsstelle des IPCC.
Wissenschaftliche Dienste des Bundestages: Ausarbeitung Anthropogener Treibhauseffekt und Klimaänderungen [WD 8 - 3000 - 028/17 27.09.2017].
NOx
= Stickoxide. Ist die Sammelbezeichnung für die Oxide des Stickstoffs. Die wichtigsten Stickoxide sind Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid. Es sind gasförmige Verbindungen, die sich nur wenig in Wasser lösen.
Die wichtigsten Stickoxid-Quellen sind natürliche Vorgänge, wie zum Beispiel mikrobiologische Umsetzungen im Boden, sowie Verbrennungsvorgänge bei Kraftwerken, Kraftfahrzeugen und industrielle Hochtemperaturprozesse, bei denen aus dem Sauerstoff und Stickstoff der Luft Stickoxide entstehen. Stickstoffdioxid ist ein Reizstoff, der die Schleimhäute von Augen, Nase, Rachen und des Atmungstraktes beeinträchtigt.
H2 Wasserstoff ("H2" = grch.-lat. für hydrogenium "Wassererzeuger") ist das chemische Element mit der Ordnungszahl 1. Wasserstoff stellt sowohl bezogen auf die Masse (75%) als auch bezogen auf die Zahl der Teilchen (91%) das häufigste aller im All vorkommenden Elemente dar. Wasserstoff ist ein farb- und geruchloses Gas welches in der Natur aufgrund der hohen Reaktivität nicht in seiner elementaren Form vorkommt. Wasserstoff liegt gebunden in Form von Erdöl und Erdgas, in Mineralien, in Biomasse, aber vorwiegend in Form von Wasser vor. Wasserstoff ist somit ein Sekundärenergieträger (Energiespeicher)und muss erst aus den oben genannten fossilen oder nicht fossilen Primärenergieträgern unter Einsatz von zusätzlicher Energie hergestellt werden.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?355967

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 11:46:24