Herausforderungen bei Straßenräumen mit hohem Aufenthalts- und Querungsbedarf
Erstellt am: 27.06.2011 | Stand des Wissens: 28.08.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
In städtischen Gebieten mit hoher Nutzungsdichte - auch nicht-motorisierter Verkehrsteilnehmender - sind bei der Planung und Gestaltung von Straßenverkehrsanlagen neben der Verbindungsfunktion auch die Erschließungs- und Aufenthaltsfunktion in hohem Maße zu berücksichtigen. Insbesondere trifft das zu auf:
- Geschäftsviertel,
- Wohnviertel und
- zentrale sowie attraktive Bereiche
Neben den verkehrlichen Ansprüchen müssen Straßenräume auch den städtebaulichen Anforderungen sowie den Bedürfnissen der Bewohnenden und Nutzenden Rechnung tragen. Dabei kann es zu räumlichen Überlagerungen der verschiedenen Funktionsansprüche kommen und somit auch zu Konflikten, die es im Vorfeld zu vermeiden gilt [Vall21]. Entsprechend sorgfältig sind daher die unterschiedlichen Anforderungen der Akteurinnen und Akteure zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen sowie durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit zu begleiten. Die Erschließungsfunktion einer Straßenverkehrsanlage leitet sich aus der baulichen und sonstigen Nutzung der an die öffentlichen Verkehrsflächen angrenzenden Umfeldflächen ab (öffentliche und private Folge- und Versorgungseinrichtungen). In Stadtquartieren mit hoher baulicher Dichte und einem Mangel an Freiflächen (zum Beispiel Stadt- und Stadtteilzentren, Wohngebiete) übernehmen die Straßenräume zusätzlich eine Aufenthaltsfunktion. Sie bieten damit Flächen für Geschäfte, zur Kommunikation und Begegnung, aber auch zum Kinderspiel [FGSV08d; Vall21]. Zusätzliche Aufenthaltsflächen sind aus Sicht der Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen (EFA) in folgenden Straßen erforderlich [FGSV02c]:
- Straßen jeden Typs mit (dichter) Wohnbebauung und Geschäfts- beziehungsweise Kleingewerbebesatz sowie
- Straßen mit hoher Geschäftsdichte.
Weiterhin kann durch die Funktionsüberlagerung in diesen Straßenräumen von einem besonderen Querungsbedarf ausgegangen werden. Dabei stellt die Querung von Fahrbahnbereichen in der Regel eines der größten Probleme von Fußgängerinnen und Fußgängern bei der Umsetzung der täglichen Mobilitätsbedürfnisse dar (Unfallrisiko, Trennwirkung, Zeitverluste) [FGSV02c]. Umso wichtiger ist deshalb in Straßenräumen mit hohem Aufenthalts- und Querungsbedarf (unabhängig von den individuellen Fähigkeiten der Nutzenden) eine möglichst sichere und hindernisfreie Gestaltung. Indikatoren für Straßenräume mit hohem Aufenthalts- und Querungsbedarf sind [FGSV02c]:
- beidseitig geschlossene Wohnbebauung,
- Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe,
- punktuell besondere Quellen und Ziele im Fußgängerverkehr, zum Beispiel wichtige infrastrukturelle Einrichtungen,
- Haltestellen beziehungsweise Verknüpfungspunkte des öffentlichen Personennahverkehrs sowie
- wichtige Gehwegeverbindungen quer zur kreuzenden Straße.
Im Sinne des "Designs für Alle" soll die barrierefreie Teilhabe am Verkehrsgeschehen ermöglicht werden. Dabei steht bei der Gestaltung von Straßenräumen mit hohem Aufenthalts- und Querungsbedarf nicht nur die sichere Führung der Zufußgehenden bei der Querung der Fahrbahnbereiche im Vordergrund, sondern auch die Gewährleistung eines angenehmen Aufenthalts in den angrenzenden Seitenbereichen [FGSV14]. Aktuelle Ansätze, wie "Shared Space" oder "Begegnungszonen" , verfolgen die Zielstellung zum einen mehr Rücksicht im Verkehrsverhalten zu bewirken und zum anderen die Aufenthaltsfunktion mit den anderen Funktionsansprüchen an städtische Straßenräume (räumliche und verkehrliche) in ein Gleichgewicht zu bringen [FGSV14]. In der Vergangenheit wurden bereits zahlreiche Konzepte und Maßnahmen ergriffen, um die Sicherheit und Aufenthaltsqualität für den nicht-motorisierten Verkehr in diesen Bereichen zu verbessern. Diese sogenannten Verkehrsberuhigungsmaßnahmen sind - im Gegensatz zum Shared Space-Gedanken - in ihrer Wirkungsweise allgemein anerkannt und deren Einsatzbereiche und -grenzen bekannt. Entsprechend kommen straßenverkehrsrechtliche und bauliche Maßnahmen der Verkehrsberuhigung nicht nur in Wohnquartieren zum Einsatz, sondern auch in städtischen Straßenraumbereichen, welche ein besonderes Aufenthalts- beziehungsweise Querungsbedürfnis aufweisen. Ziele der Verkehrsberuhigungsmaßnahmen sind:
- die Verringerung des Geschwindigkeitsniveaus,
- die Verringerung des Durchgangsverkehrsaufkommen,
- die Verbesserung der Umfeld- und Lebensqualität sowie
- die Verringerung der Lärm- und Schadstoffemissionen.