Forschungsinformationssystem des BMVI

zurück Zur Startseite FIS

Verlagerungspotenziale zum Umweltverbund

Erstellt am: 21.06.2011 | Stand des Wissens: 01.12.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Die Quantifizierung der Potenziale setzt detaillierte Kenntnisse der Motive und Ursachen der Verkehrsmittelwahl voraus. Eine solche Analyse erlaubt ebenfalls die Identifikation von Zielgruppen der Maßnahmen.
Im Rahmen des Forschungsprojektes "Potenziale des Radverkehrs für den Klimaschutz" hat die Technische Universität Dresden im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) ein Modell zur Quantifizierung der Verlagerungspotenziale des Radverkehrs entwickelt [UBA13].
Im Folgenden sind zwei weitere Ansätze der Quantifizierung von Verlagerungspotenzialen skizziert:
Wegelängenabhängige Potenziale: Wege bis zu einer Länge von fünf Kilometer bieten Verlagerungspotenziale für den Radverkehr, denn Innerhalb dieser Entfernung sind in Städten kaum Zeitvorteile durch eine Pkw-Nutzung zu erzielen [Witt10, S. 10]. Die genaue Bestimmung der Verlagerungspotenziale vom motorisierten Individualverkehr (MIV) ist zunächst die exakte Quantifizierung der nicht verlagerbaren Fahrten erforderlich. Eine Untersuchung in Dresden hat gezeigt, dass nur für 44 Prozent aller Pkw-Fahrten Sachzwänge vorliegen [Interde10, S. 37]. Eine Betrachtung in Leipzig hat ergeben, dass bei Substitution von 50 Prozent der Kfz-Wege kleiner als fünf Kilometer durch Wege des Umweltverbunds der Modal Split des MIV von 39 Prozent auf 29 Prozent zurückgehen würde [LeitfInterde10].
Mobilitätsstilbasierte Potenziale: Grundsätzlich ist zwischen Captives, die aus Mangel an Alternativen auf ein bestimmtes Verkehrsmittel angewiesen sind, und solchen, die das genutzte Verkehrsmittel frei wählen, zu unterscheiden. Die Nutzung der Verlagerungspotenziale der monomodalen, autoorientierten Verkehrsteilnehmer wird als schwierig eingeschätzt und ist höchstens in Verbindung mit dem Übergang von Lebensphasen denkbar. Besser zugängliche Potenziale gibt es in der Gruppe der wahlfreien MIV-Monomodalen, die auf existierender Datengrundlage nicht exakt quantifiziert werden kann [Interde10, S. 39].
Eine wichtige Determinante für eine überwiegend unreflektierte habitualisierte Autonutzung stellen Pkw-Besitz und Verfügbarkeit dar. Mit der Abschaffung des Autos sind demnach Potenziale der reflektierten, situationsabhängigen Wahl des Verkehrsmittels verbunden.
[Flie02] zeigt, dass rund 22 Prozent der motorisierten Verkehrsteilnehmer dem Auto kritisch gegenüber stehen. Hier könnten beispielsweise durch eine Verbesserung der Bedingungen für den Umweltverbund MIV-Wege zugunsten des Umweltverbundes verlagert werden.
Mit zunehmenden Kosten des Autobesitzes und dem fortschreitenden Wertewandel bei jüngeren Menschen ist davon auszugehen, dass das Potenzial für Multimodalität zunehmend steigen wird [Ahrens10, S. 6].
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Förderung des multi- und intermodalen Personenverkehrs (Stand des Wissens: 01.12.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?354205
Literatur
[Ahrens10] Ahrens, G.-A., Ließke, F., Wittwer, R. Chancen des Umweltverbundes in nachfrageschwachen städtischen Räumen, veröffentlicht in Informationen zur Raumentwicklung, Ausgabe/Auflage Heft 7, 2010
[Flie02] Fliegner, Steffen Car Sharing als Alternative? - Mobilitätsstilbasierte Potenziale zur Autoabschaffung, veröffentlicht in Studien zur Mobilitäts- und Verkehrsforschung, MetaGIS Infosysteme, Mannheim, 2002, ISBN/ISSN 3-936438-02-1
[Interde10] TU Dresden, Lehrstuhl Verkehrs- und Infrastrukturplanung, Prof. Dr.-Ing. G.-A. Ahrens, Ahrens, Gerd-Axel, Aurich, Tanja, Böhmer, Thomas, Klotzsch, Jeannette, Pitrone, Anne Interdependenzen zwischen Fahrrad- und ÖPNV-Nutzung. Analysen, Strategien und Maßnahmen einer integrierten Förderung in Städten, 2010
[LeitfInterde10] TU Dresden, Lehrstuhl Verkehrs- und Infrastrukturplanung, Prof. Dr.-Ing. G.-A. Ahrens, Ahrens, G.-A., Aurich, T., Böhmer, T., Klotzsch, J. Leitfaden Interdependenzen zwischen Fahrrad- und ÖPNV-Nutzung , 2010/01
[UBA13] TU Dresden, Lehrstuhl Verkehrs- und Infrastrukturplanung, Prof. Dr.-Ing. G.-A. Ahrens, Ahrens, Gerd-Axel, Becker, Udo, Böhmer, Thomas, Richter, Falk, Wittwer, Rico Potenziale des Radverkehrs für den Klimaschutz, veröffentlicht in TEXTE, Ausgabe/Auflage 19/2013, Dessau-Roßlau, 2013/03, ISBN/ISSN 1862-4804
[Witt10] Wittwer, Rico Potenziale des Radverkehrs für den Klimaschutz - Zwischenergebnisse eines FuE-Projektes im Auftrag des UBA, Berlin, 2010/09/20
Weiterführende Literatur
[UBA20n] Umweltbundesamt (Hrsg.) Grundlagen für ein umweltorientiertes Recht der Personenbeförderung, 2020/11, ISBN/ISSN 1862-4804
Glossar
Umweltverbund
Unter dem Begriff Umweltverbund wird die Kooperation der umweltfreundlichen Verkehrsmittel verstanden. Hierzu zählen die öffentlichen Verkehrsmittel (Bahn, Bus und Taxis), nicht motorisierte Verkehrsträger (Fußgänger und private oder öffentliche Fahrräder), sowie Carsharing und Mitfahrzentralen. Ziel ist es, Verkehrsteilnehmern zu ermöglichen, ihre Wege innerhalb des Umweltverbunds, anstatt mit dem eigenen Pkw, zurückzulegen. Zunehmend wird der Begriff Mobilitätsverbund genutzt.
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
Modal Split
Modal Split wird in der Verkehrsstatistik die prozentuale Verteilung des Personen- und Güterverkehrs auf verschiedene Verkehrsmittel (Modi) genannt. Der Modal Split ist Folge des Mobilitätsverhaltens der Menschen und der wirtschaftlichen, insbesondere der verkehrlichen Entscheidungen von Unternehmen.
UBA Umweltbundesamt

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?354184

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 08:18:37