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Kostenunterschätzungen bei Megaprojekten

Erstellt am: 27.05.2011 | Stand des Wissens: 13.11.2024

Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
M-Five GmbH Mobility, Futures, Innovation, Economics

Eine Untersuchung von 258 Kostenprognosen im Verkehrsbereich hat ergeben, dass neun von zehn Verkehrsprojekten Kostenunterschätzungen aufwiesen. Dabei wurden die Kosten bei Bahnprojekten häufiger unterschätzt als bei Straßenprojekten (vgl. Abb. 1) [FlBrRo03, S. 15f].
kosteneskalation.pngAbb. 1: Prozentuale Abweichung der tatsächlichen von den prognostizierten Baukosten [FlBrRo03, S. 17]
Insgesamt überschritten die tatsächlichen Kosten bei Bahnprojekten die geschätzten um durchschnittlich 45 Prozent, bei Straßenprojekten um 20 Prozent. Die Kosten von Brücken und Tunneln wurden um durchschnittlich 34 Prozent zu niedrig angesetzt. Innerhalb der letzten 70 Jahre konnte keine Verbesserung in den Kostenprognosen verzeichnet werden [FlBrRo03, S. 15f].
Zur Erklärung der Kostenunterschätzung bei Großprojekten werden technische, psychologische und politisch-ökonomische Gründe genannt.

Technische Erklärung
Prognoseabweichungen werden seitens der Projektverantwortlichen am häufigsten mit technischen Problemen wie unvorhersehbaren Entwicklungen oder einer schlechten Datensituation erklärt. Trifft diese Erklärung zu, hätte ein Lernprozess infolge von finanziellen Förderungen der Datengrundlage und Methodenforschung in den letzten Jahren eintreten müssen. Eine solche Verbesserung konnte jedoch nicht festgestellt werden (vgl. Abb. 2) [FlSkBu03].
entwicklung_kostenueberschtreitungen.pngAbb. 2: Zeitliche Entwicklung von Kostenabweichungen bei Megaprojekten [FlSkBu03, S. 18]
Psychologische Erklärung
Der psychologische Erklärungsansatz geht von einem unbewussten überzogenen Optimismus der Politiker, Ingenieure oder Architekten aus, die mit dem Projekt große Hoffnungen verbinden. Dadurch werden die Kosten zu optimistisch dargestellt und folglich unterschätzt [CaFl10, S. 12]. Dieser Erklärungsansatz kann jedoch nicht der Grund für anhaltende Kostenunterschätzungen sein, da die Projektträger mit der Zeit und den Erfahrungen aus den Fehlern der Kostenunterschätzung gelernt und damit den unbewussten Optimismus ablegt haben müssten [FlSkBu03, S. 27f].

Politisch-ökonomische Erklärung
Der Hauptgrund von Kostenunterschätzungen liegt in einer strategischen Unterschätzung der Kosten aus politischen oder ökonomischen Gründen. Es besteht häufig kein Anreiz für Projektträger, die Projektkosten im eigenen Angebot korrekt zu prognostizieren, da schließlich im Wettbewerb um die begrenzten öffentlichen finanziellen Mittel das günstigste Angebot gewinnt [CaFl10, S. 11f.]. Deshalb werden Kostenrisiken aus Baupreissteigerungen, Verzögerungen oder Planungsänderungen in der Wirtschaftlichkeitsrechnung nicht berücksichtigt. Dieses Phänomen wird von der Weltbank als das EGAP-Prinzip (Everything Goes According to Plan) bezeichnet. Strategische Fehldarstellungen einer Wirtschaftlichkeitsrechnung können auch von Politikern initiiert werden, um die Akzeptanz für Bauprojekte zu erhöhen und dadurch ihre Popularität zu steigern sowie Wählerstimmen zu gewinnen [CaFl10, S. 12].
Ansprechperson
M-Five GmbH Mobility, Futures, Innovation, Economics
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Planung und Bewertung von Megaprojekten im Verkehrsbereich (Stand des Wissens: 08.11.2024)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?352432
Literatur
[CaFl10] Cantarelli, Chantal C., Flyvbjerg, Bent, Molin, Eric J.E., van Wee, Bert Cost-Overruns in Large-scale Transportation Infrastructure Projects: Explanations and their theoretical Embeddedness, veröffentlicht in EJTIR, Ausgabe/Auflage Vol 10(1), 2010
[FlBrRo03] Flyvbjerg, B.;, Bruzelius, N.;, Rothengatter, W. Megaprojects and Risk, Cambridge University Press/ Cambridge, 2003
[FlSkBu03] Bent Flyvbjerg, Mette Skamris Holm, Soeren Buhl Kostenunterschätzungen bei öffentlichen Bauprojekten: Fehler oder Lüge?, veröffentlicht in Planungsrundschau, 2003/11

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?352292

Gedruckt am Sonntag, 23. Februar 2025 09:24:27