Fehleinschätzungen in der Bewertung von Megaprojekten
Erstellt am: 26.05.2011 | Stand des Wissens: 08.11.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
M-Five GmbH Mobility, Futures, Innovation, Economics
Erfahrungen im Zusammenhang mit Megaprojekten haben gezeigt, dass häufig Entscheidungen auf Grundlage von Kosten- und Nutzenschätzungen getroffen werden, die sich später als zu niedrig oder überhöht herausstellen. Häufig werden die Investitionskosten und Bauzeiten der Projekte um ein Vielfaches unterschätzt, und/oder die Nachfrage und damit der Nutzen des Vorhabens drastisch überschätzt. Diese Fehlannahmen bezüglich Kosten, Nutzen und Bauzeit sind manchmal projektgefährdend. Meist wird auf die Durchführung eines Megaprojekts aber trotz Abweichung der Kosten- und Nutzenprognose aus politischen Gründen nicht verzichtet [Kirc11]. Trotz häufig negativer Erfahrungen bei der Umsetzung von Megaprojekten steigt die Anzahl und Größe der weltweit geplanten Megaprojekte. Dieses Phänomen wird auch als Megaprojekt-Paradoxon bezeichnet [FlBrRo03, S. 1ff].
Kostenunterschätzungen sind gerade bei Großprojekten im Verkehr keine Besonderheit. So fielen beispielsweise die Investitionskosten für die ICE-Strecke zwischen Köln und Frankfurt mit circa 6 Milliarden Euro bei der Fertigstellung im Jahr 2002 fast doppelt so hoch aus wie ursprünglich mit 2,92 Milliarden Euro im Bedarfsplan der Bundesschienenwege 1993 angesetzt [DeBu07, S. 5]. Oft wird das günstigste Angebot im Rahmen der Ausschreibung ohne eine ausreichende Betrachtung anderer Bewertungsfaktoren zum wirtschaftlichsten erklärt. Spätere Störungen im Zeitablauf, Finanzierungsprobleme oder zusätzlich veranlasste Leistungen des Auftraggebers können die Kosten jedoch in die Höhe treiben und die erfolgreiche Projektrealisierung gefährden [Schm11, S. 191]. Oft sind die ersten Kostenschätzungen der Projektbefürworter auch zu optimistisch angenommen, um das Bauvorhaben in ein gutes Licht zu rücken und eine Projektgenehmigung seitens der Entscheidungsträger zu erreichen (optimism bias).
Auch kommt es bei komplexen Infrastrukturvorhaben häufig zu Nutzenüberschätzungen, weil die erwartete Nachfrage zu optimistisch oder auf Grundlage unvollständiger Daten angenommen wird. Oft besteht gerade für politische Entscheidungsträger ein Anreiz, den Nutzen der Projekte möglichst hoch auszuweisen, um eine bestimmte infrastrukturelle Agenda umzusetzen [PrFlWe08, S. 124f]. Weiterhin können nicht ausreichend betrachtete Abhängigkeitseffekte zu anderen Infrastrukturprojekten zu einer Abweichung von erwarteter und tatsächlicher Nachfrage führen [Flyv05a, S. 28ff].
Darüber hinaus können Bauverzögerungen auftreten, da zum Beispiel die Beschaffung der Finanzmittel nicht rechtzeitig erfolgt oder technische Probleme bei der Projektumsetzung auftreten. Für jedes nicht eingeplante Baujahr erhöhen sich die Kosten dabei um durchschnittlich 4,6 Prozent [FlSk04]. Zusätzlich zu Kostenerhöhungen treten mit Bauverzögerungen Nutzenausfälle auf, da erst später als erwartet Umsätze erwirtschaftet werden können [Flyv05a, S. 6f].