Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung bei Megaprojekten
Erstellt am: 24.05.2011 | Stand des Wissens: 08.11.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
M-Five GmbH Mobility, Futures, Innovation, Economics
Die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung bei der Realisierung von Megaprojekten sind vielfältig und umfassen anderem Informations- und Erörterungsveranstaltungen, rechtliche Klagen gegen ein Planfeststellungsverfahren, Mediationen, Schlichtungen und Volksentscheide. Die im Rahmen von Planungsverfahren in Deutschland praktizierten Beteiligungsformen basieren vor allem auf gesetzlich vorgeschriebenen Informations- und Einwendungsmöglichkeiten. Aktive Mitgestaltungsmöglichkeiten der Bürger im Ideen- und Ausgestaltungsprozess sind gesetzlich nicht vorgesehen. Dies ist als Bürger oder Verband besonders dann erschwert, wenn es sich um Straßen und Schienenprojekten handelt, da sich der Projektträger für den Bundesverkehrswegeplan bereits auf eine Projektvariante festgelegt hat. Aber auch bei Verkehrsprojekten, für deren Realisierung der Bundesverkehrswegeplan nicht relevant ist, (zum Beispiel Flughafenlandebahnen) ist der Erfolg einer Mediation stark eingeschränkt, wenn sie erst zum Zeitpunkt des Planfeststellungsverfahrens erfolgt, weil unterschiedliche Alternativen nicht mehr berücksichtigt werden.
Gesetzlich vorgeschriebene Bürgerbeteiligungen sind wie folgt in das Planungsverfahren integriert:
Bauleitplanung
1. Vorgezogene Bürgerbeteiligung:
Allgemeine Ziele, der Gegenstand und Alternativlösungen eines Vorhabens werden frühzeitig auf öffentlichen Veranstaltungen präsentiert. Bürger und der Vorhabenträger können Einwendungen erörtern.
2. Förmliches Auslegeverfahren:
Alle Bürger können sich die fertigen, aber noch nicht beschlossenen Planungsunterlagen in den Gemeinden anschauen und schriftliche Einwendungen erheben [FüSc08, S. 166f.].
Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren
1. Mit integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung:
Gesetzlich vorgeschriebene Bürgerbeteiligungen sind wie folgt in das Planungsverfahren integriert:
Bauleitplanung
1. Vorgezogene Bürgerbeteiligung:
Allgemeine Ziele, der Gegenstand und Alternativlösungen eines Vorhabens werden frühzeitig auf öffentlichen Veranstaltungen präsentiert. Bürger und der Vorhabenträger können Einwendungen erörtern.
2. Förmliches Auslegeverfahren:
Alle Bürger können sich die fertigen, aber noch nicht beschlossenen Planungsunterlagen in den Gemeinden anschauen und schriftliche Einwendungen erheben [FüSc08, S. 166f.].
Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren
1. Mit integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung:
- Eine Beteiligung der Öffentlichkeit ist nach §9 UVPG gesetzlich vorgeschrieben.
- Jeder hat die Möglichkeit, einen Monat lang die Planungsunterlagen bei den Gemeinden einzusehen und schriftlich Stellung zu nehmen.
- Während des Erörterungstermins werden nur zuvor schriftlich eingereichte Einwände berücksichtigt [VwVfG, §73 (2)-(6)].
2. Ohne integrierte Umweltverträglichkeitsprüfung:
- Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Raumordnungsverfahren ist optional und liegt im Ermessen der Planungsbehörde [ROG, §15 (3)].
- Im Planfeststellungsverfahren haben nur betroffene Bürger die Möglichkeit, schriftliche Einwendungen zu erheben und an dem Erörterungstermin teilzunehmen [VwVfG, §73 (4), (6)].
3. Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben:
- Zur Verfahrensbeschleunigung kann bei einem Planfeststellungsverfahren zum Beispiel bei Bundesfernstraßen oder Schieneninfrastruktur auf den Erörterungstermin verzichtet werden [InfraStrPlanVBeschlG §1-7].
- Seit dem Inkrafttreten des InfraStrPlanVBeschlG im Jahr 2006 wurde auf 305 von insgesamt 1.138 (26%) Erörterungstermine der Planfeststellungen von Bundesfern- und Wasserstraßen sowie Schieneninfrastruktur verzichtet (Stand Oktober 2010, Bun10, S. 2).
Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss
Mit einer Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht in erster und letzter Instanz kann die Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses bewirkt werden [VwGO60 §42(1), § 50 (1) Nr. 6]. Die Klage muss innerhalb eines Monats nach Veröffentlichungsfrist (2 Wochen) des Planfeststellungsbeschlusses eingereicht werden [VwGO60 §70, (1)]. Klageberechtigt ist nur jemand, dessen Rechte verletzt wurden [VwGO60 §42 (2)] und der schriftliche Einwendungen im Planfeststellungsverfahren eingereicht hat [VwVfG §73 (4)]. Die Klage gegen ein Planfeststellungsverfahren kann nicht als Bürgerbeteiligung im engeren Sinne gesehen werden. Vielmehr kann eine Klage gegen ein Planfeststellungsbeschluss als Zeichen für eine unzureichende Bürgerbeteiligung im gesamten Planungsverfahren interpretiert werden.