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Netzinfrastrukturaspekte des "Masterplan Schiene Seehafenhinterlandverkehr I+II"

Erstellt am: 29.04.2011 | Stand des Wissens: 02.02.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky

Bereits im Jahr 2005 beschlossen die Regierungsparteien der Bundesrepublik laut ihres Koalitionsvertrages, einen sogenannten "Masterplan Güterverkehr und Logistik" zu erarbeiten. Als gesamtverkehrliches Maßnahmenprogram soll er es ermöglichen, das sich national weiterhin abzeichnende stetige Frachttransportwachstum auch zukünftig adäquat bewältigen zu können. Die Umsetzung dieses verkehrsträgerübergreifenden Konzeptes soll die Wettbewerbsfähigkeit des Industrie- und Logistikstandorts Deutschland nachhaltig sichern helfen. Einen zentralen Handlungsschwerpunkt bilden Analysen über in Zukunft erforderliche Infrastrukturdimensionierungen. So ergeben sich mit Blick auf absehbare Transportaufkommenserhöhungen insbesondere im Bereich des Seehafenhinterlandverkehrs bedeutende Kapazitätsrestriktionen für die Schiene. Die Deutsche Bahn AG hat deshalb in Zusammenarbeit mit Reedern, Umschlagbetrieben, Transporteuren und Hafenbetreibern einen "Masterplan Seehafenhinterlandanbindung" entwickelt und diesen mit Abschluss am 18.07.2008 als eisenbahnbezogenes Maßnahmenpaket in den "Masterplan Güterverkehr und Logistik" des Bundesministerium für Verkehr und Stadtentwicklung (BMVBS), heute Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), eingebracht [BeFr08].

Im Rahmen des von 2008 bis 2013 laufenden "Masterplan Schiene Seehafenhinterlandverkehr" wurden mehrere Maßnahmen finanziert, beispielsweise die Neubaustrecken (NBS) - Rhein-Main - Rhein-Neckar, die NBS Hamburg / Bremen - Hannover (sogenannte "Y-Trasse") oder die Ausbaustrecke (ABS) Emmerich Oberhausen. [DBAG07n, S. 11]

In der Erkenntnis, dass künftige Mengenzuwächse im Seehafenhinterlandverkehr die Trassennachfrage insbesondere auf bereits hoch belasteten Korridoren weiter steigern würden, erfolgte letztendlich eine Einordnung in drei Projektkategorien:
  • Sofortmaßnahmen: Punktuelle, auf Basis bestehender Infrastruktur vorzunehmende bauliche Modifikationen, welche aufgrund eines vergleichsweise geringen Investitionsbedarfes und begrenzten Planungs- sowie Genehmigungsaufwandes kurzfristig umsetzbar sind. Gleichzeitig erweisen sich die durch entsprechende Projekte erzielbaren Entlastungseffekte mit Blick auf zeitnahe Frachtaufkommenszuwächse als dringend erforderlich.
  • Alternativroutenprojekte: Umleitung von Langstreckenverkehren auf weniger ausgelastete, parallel zu Hauptkorridoren verlaufende Strecken. In diesem Zusammenhang stehen zwar betriebliche Aspekte der Zugführung im Vordergrund, doch sind auch hier teilweise infrastrukturelle Anpassungen erforderlich, um prinzipiell in Frage kommende Alternativrouten für entsprechende Verkehrsbelastungen zu ertüchtigen.
  • Aus- und Neubaumaßnahmen: Sowohl in zeitlicher als auch in finanzieller Hinsicht in den notwendigen Aufwendungen intensive Infrastrukturprojekte, welche beispielsweise die vollständige Umgestaltung hoch ausgelasteter Eisenbahnknoten sowie den Bau neuer Strecken beinhalten [DBAG07n, S. 10 f.].
Laut Bundesverkehrswegeplan 2030 werden die Hafenumschläge an deutschen Seehäfen bis 2030 im Vergleich zu 2010 um 74 Prozent auf 468 Millionen Tonnen zunehmen. Besonders die deutschen Nordseehäfen verzeichnen ein überdurchschnittliches Wachstum [BMVI16d, Seite 56 f.]. Für den Seehafenhinterlandverkehr spielen aber neben den deutschen Häfen auch europäische Nordseehäfen wie Rotterdam und Antwerpen eine entscheidende Rolle.
Am 17.07.2015 wurde mit der Unterzeichnung der Finanzierungsvereinbarung zur 1. Tranche Seehafenhinterlandverkehr II die Fortführung des Programms beschlossen. Mit einer Laufzeit von 2015 bis 2020 sollen in einer ersten Tranche etwa 130 Millionen Euro in Sofortmaßnahmen, Alternativroutenprojekte sowie Aus- und Neubauprojekte subventioniert werden. In einer zweiten Tranche, die weitere 17 Projekte umfassen soll, werden noch einmal 124 Millionen Euro in Schienenprojekte investiert.

Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Entwicklungsstrategien und Investitionsprogramme für Neu- und Ausbauprojekte im deutschen Schienennetz (Stand des Wissens: 08.11.2019)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?359052
Literatur
[BeFr08] Belter, Bringfried, Dipl.-Ing., Fricke, Eckart, Dipl.-Ing. Nutzen für Häfen und Bahnen: Das Projekt Masterplan Seehafenhinterlandanbindung, veröffentlicht in Eisenbahntechnische Rundschau, Ausgabe/Auflage 04/2008, DVV Media Group GmbH / Hamburg , 2008/04, ISBN/ISSN 0013-2845
[BMVI16d] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (Hrsg.) Bundesverkehrswegeplan 2030, Ausgabe/Auflage März 2016, Berlin, 2016/03
[DBAG07n] o.A. Masterplan Schiene, Seehafen-Hinterlandverkehr, Berlin, 2007/08/27
Weiterführende Literatur
[Warn08] Warninghoff, Carsten-Rainer, Dipl.-Ing. Ausbau der Infrastruktur der Eisenbahnknoten Hamburg und Bremen für den wachsenden Verkehr, veröffentlicht in Eisenbahntechnische Rundschau, Ausgabe/Auflage 04/2008, DVV Media Group GmbH / Hamburg , 2008/04, ISBN/ISSN 0013-2845
[BeBo08] Belter, Bringfried, Dipl.-Ing., Bohrer, Wolfgang, Dipl. Kfm. MBA, Kunefkre, Frank Masterpläne für Schieneninfrastruktur der fünf größten deutschen Häfen, veröffentlicht in Eisenbahntechnische Rundschau, Ausgabe/Auflage 04/2008, DVV Media Group GmbH / Hamburg , 2008/04, ISBN/ISSN 0013-2845
[Pohl08] Pohl, Michael, Dipl.-Ing. Seehafenhinterlandverkehr: Neue Anforderungen an Strecken und Knoten der DB Netz AG, veröffentlicht in Eisenbahntechnische Rundschau, Ausgabe/Auflage 04/2008, DVV Media Group GmbH / Hamburg , 2008/04, ISBN/ISSN 0013-2845
Glossar
Ausbaustrecke Als Ausbaustrecken (ABS) werden im Bereich des spurgebundenen Verkehrs bestehende Netzabschnitte bezeichnet, die mittels umfangreicher Baumaßnahmen für höhere Kapazitäten und / oder Geschwindigkeiten ertüchtigt wurden. Häufig findet der Begriff im Zusammenhang mit für den Einsatz von Neigetechnikfahrzeugen angepassten Strecken Verwendung. Durch eine geeignete bauliche Auslegung des Fahrweges ermöglicht dieses System entsprechend ausgestatteten Triebwagen schnellere Gleisbogendurchfahrten, m. a. W. höhere Kurvengeschwindigkeiten.
Neubaustrecke Als Neubaustrecken bezeichnet man gänzlich neu errichtete Verkehrswege, die einem bestehenden Netz hinzugefügt werden. Im Eisenbahnwesen findet der Begriff zumeist auf für den Hochgeschwindigkeitsverkehr gebaute Strecken Anwendung, wobei diese entweder exklusiv durch Personenbeförderungsangebote oder gemeinsam mit dem Güterverkehr genutzt werden. Das konstruktive Anforderungsniveau von Neubaustrecken reicht dabei gemeinhin über die für Ausbaustrecken (ABS) geltende Anforderungen hinaus.
Bundesverkehrswegeplan
Als Instrument einer mittel- bis langfristigen Investitionsrahmenplanung für den Erhalt und Ersatz bundeseigener Verkehrsinfrastruktur erfasst der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) das zwecks zielgerichteter Ausgestaltung sowie Erweiterung von Bundesfernstraßen, Bundeswasserstraßen und Schienenwegen des Bundes erforderliche Finanzierungsvolumen. Auf Basis verkehrsträgerübergreifender Prognosen findet in diesem Zusammenhang eine Priorisierung vorgesehener Neu- und Ausbauprojekte gemäß ihrer gesamtwirtschaftlichen Bewertung sowie ökologischer und raumordnerischer Einschätzungen statt. Grundsätzlich wird infolgedessen zwischen "vordinglichem Bedarf" (VB) und "weiterem Bedarf" (WB) unterschieden.

Der BVWP tritt auf Beschluss des Bundeskabinetts in Kraft und umfasst jeweils einen Zeithorizont von circa zehn bis 15 Jahren. Seit 1973 sind bereits sechs konsekutive Verkehrswegepläne verabschiedet worden. Der letzten, dem Jahr 2016 entstammenden Fortschreibung liegt ein Planungszeitraum bis 2030 und ein Investitionsvolumen in Höhe von 269,6 Milliarden Euro zugrunde, siehe auch gesonderte Wissenslandkarte "Bundesverkehrswegeplanung" hier im Forschungsinformationssystem.
BMDV
Bundesministerium für Digitales und Verkehr (bis 10/2005 BMVBW, bis 12/2013 BMVBS und bis 11/2021 BMVI)
Seehafenhinterlandverkehr Als Seehafenhinterlandverkehr werden im Allgemeinen der Zu- und Ablaufverkehr der Seehäfen mit den Verkehrsträgern Straße, Schiene und Binnen- bzw. Küstenschiff zu den Wirtschaftszentren im Binnenland bezeichnet.
Transporteur Transporteure (auch Frachtführer genannt) führen den physischen Transport aus.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?349548

Gedruckt am Dienstag, 30. Mai 2023 03:41:58