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Reverse Logistics

Erstellt am: 05.04.2011 | Stand des Wissens: 03.01.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten

Konventionelle Logistik ist dadurch gekennzeichnet, dass Material- und Informationsflüsse hin zum Endabnehmer ausgerichtet sind. Im Gegensatz hierzu bezeichnet Reverse Logistics (rückführende Logistik) solche Aktivitäten, die Materialen beziehungsweise fertige Erzeugnisse und ihnen zugeordnete Informationen, mindestens einen Schritt in der Supply Chain zurückführen. Ziel ist es, aus den vom Verbraucher zurückgenommenen Produkten durch geeignete Maßnahmen zur Wiederaufbereitung zusätzlichen Wert zu schöpfen oder deren ordnungsgemäße Entsorgung durchzuführen. Im weiteren Sinne befasst sich die Reverse Logistics mit sämtlichen rückwärts gerichteten Material- und Informationsflüssen, die vom Kunden zum Lieferanten verlaufen [WeWe17, S. 271].

Mit Reverse Logistics verbundene Prozesse sollten nicht isoliert als Kostentreiber betrachtet werden. Durch die Bereitstellung eines hohen Servicegrades im Bereich der Produktrücknahme ist es Herstellern und Händlern möglich, den Anforderungen eines erweiterten Marktsegmentes zu entsprechen und folglich Umsatzsteigerungen zu erzielen. Häufig sind beispielsweise Anlagen in der industriellen Fertigung vorzufinden, die direkt vom Hersteller oder über einen Mittler (Dienstleister) betrieben werden. Die durch ein solches Geschäftsmodell entfallenden beziehungsweise stark reduzierten Fixkosten - auch bezüglich der Demontage - sind zu einem wichtigen Argument bei der Auftragsvergabe geworden. Die Praxis hat gezeigt, wie wichtig eine funktionsübergreifende Integration der Aktivitäten im Bereich der Reverse Logistics in die Geschäftsstrategie ist. Abhängig von dem zu vermarktenden Produkt kann es ertragreich sein, den Dienstleistungscharakter des Angebots zu erhöhen. Entsprechend kommt der Abstimmung zwischen Marketing und Reverse Logistics große Bedeutung zu, was die strategische Positionierung im Wettbewerbsumfeld angeht [MoRu07, S. 585-588].
Reverse LogisticsAbbildung 1: Kombination von Forward und Reverse Logistics zu einer Closed-Loop Supply Chain [in Anlehnung an HaKa08, S. 368] (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
Fleischmann teilt Netzwerke mit Rückwärtsgerichteten Produktionsflüssen in seinem Buch [Fleisch03, S. 117-148] in 5 Kategorien ein:
  • Netzwerke mit (gesetzlich) vorgegebener Produkt-Rücknahme
  • Netzwerke mit OEM, die ihre Produkte zurücknehmen und wertschöpfend wiederaufbereiten
  • Netzwerke mit Produkt-Rücknahme und Refabrikation durch Dritte
  • Netzwerke mit Recycling für die Materialwiederverwendung
  • Netzwerke für wieder-befüllbare Behältnisse
Ein hohes Serviceniveau dieser Netzwerke ist im Allgemeinen dann erreicht, wenn das Zeitfenster zwischen Verwendungs-/Betriebsort des Produktes und seiner späteren Wiederverwendung möglichst klein ist. Aufgrund innovativer Geschäftsmodelle, gestiegener Serviceansprüche und gesetzlicher Vorschriften steigen die Anforderungen an die Planung, Steuerung und Kontrolle von Reverse-Logistics-Prozessen. Ihre Auslagerung kann eine mögliche Konsequenz sein: Der Anstieg des von Logistikdienstleistern durch Rückführung von Handelsware erwirtschafteten Umsatzes deutet auf einen entsprechenden Trend hin [Harr06; Malo05].

Mit den Kosten der Rücksendung beschäftigten sich Forscher an der Uni Bamberg. Dabei zeigte sich, dass im Jahr 2018 von den 280 Millionen Paketen mit rund 487 Millionen Artikeln, circa jedes sechste Paket in Deutschland retourniert wurde. Zudem wurde durchschnittliche Kosten von 11 Euro pro zurückgesendetem Artikel ermittelt [Acht19]. Des Weiteren zeigte sich in einer Studie, die von zwei Professoren der Universität in Nevada durchgeführt wurde, in der mehr als hundert Unternehmen bezüglich des Reverse-Logistics-Programm befragt wurden, wurde deutlich, dass fast 40 Prozent das Rückkehr-Management für weniger wichtig empfinden, als andere Aspekte. 34,4 Prozent der befragten Supply-Chain-Führungskräfte gaben an, derzeit nicht das richtige System zu haben, um eine Umsetzung durchzuführen [Robi14].

Bislang ist ebenfalls bekannt, dass viele Einzelhändler große Investitionen in die Technologie zur Verbesserung ihrer Reverse Logistics Systeme gemacht haben, wodurch die Hersteller hinter den Einzelhändeln zurückliegen. Denn fast doppelt so viele Einzelhändler beteiligen sich an der Forschung, um integrierte und automatisierte Material-Handlingausrüstungen zu erhalten. Sie benutzen Barcodes, computergesteuerte Rückverfolgungssysteme und den elektronischen Datenaustausch (EDI) sowie Radiofrequenz (RF) Technologien. Dieser Unterschied zwischen Einzelhändlern und Herstellern in der Technologiekategorie hat enorme Folgen für die Rückführung von Waren [Harr06]. Ein aktueller Ansatz zur Reduzierung zur Entstehung von Retouren wird mit der Anwendung von künstlicher Intelligenz gesehen. Sie könnte beispielsweise beim Finden der richtigen Kleidungsgröße helfen, sodass im Bekleidungsonlinehandel weniger unpassende Artikel von Kunden retourniert werden müssen [Lehm20].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Ökologische Nachhaltigkeit in Güterverkehr und Logistik (Stand des Wissens: 09.11.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?351313
Literatur
[Acht19] Achter, Patricia Deutsche schicken jedes sechste Paket zurück, 2019/05/06
[Fleisch03] Fleischmann, Moritz Reverse logistics network structures and design, 2001, Online-Referenz https://ssrn.com/abstract=370907
[HaKa08] J. Hanafi, , S. Kara, , H. Kaebernick Reverse logistics strategies for end-of-life products, veröffentlicht in The International Journal of Logistics Management, Ausgabe/Auflage 19, 2008
[Harr06] R. Harrington Reverse Logistics: Customer Satisfaction, Environment Key to Success in the 21st Century, veröffentlicht in Reverse Logistics Magazine, 2006
[Lehm20] Lehmann, Sandra Retourenlogistik: Maßnahmen gegen Rücksendungen, 2020/02/18
[Malo05] R. Malone Reverse Side Of Logistics: The Business Of Returns, 2005
[MoRu07] D. Mollenkopf, , I. Russo, , R. Frankel The returns management process in supply chain strategy, veröffentlicht in International Journal of Physical Distribution & Logistics Management, Ausgabe/Auflage 37, 2007
[Robi14] Adam Robinson What is Reverse Logistics and How Is It Different than Traditional Logistics?, 2014/02/19
[WeWe17] Wegner, Ulrich, Wegner, Kirsten Einführung in das Logistik Management, Springer Gabler, Wiesbaden, 2017, ISBN/ISSN 978-3-658-13674-1
Weiterführende Literatur
[Hawk06] Karen Hawks What is Reverse Logistics?, 2006/01/01
Glossar
Original-Equipment-Manufacturer Unter einem Erstausrüster bzw. Original-Equipment-Manufacturer (abgekürzt OEM, englisch für Originalausrüstungshersteller) versteht man einen Hersteller fertiger Komponenten oder Produkte, der diese in seinen eigenen Fabriken produziert, sie aber nicht selbst in den Handel bringt. In etlichen Branchen hat sich jedoch eine breitere Bedeutung des Begriffs Erstausrüster etabliert. So versteht man zum Beispiel in der Maschinenbau-, Automobil- oder Golfsportartikelindustrie unter einem OEM ein Unternehmen, das Produkte unter eigenem Namen in den Handel bringt.
Electronic Data Interchange Electronic Data Interchange oder einfach EDI ist der Austausch von strukturierten Geschäftsinformationen zwischen Geschäftspartnern auf eine organisierte, standardisierte Art unter Verwendung von modernen Kommunikationsmethoden.
Supply Chain Als Supply Chain (Liefer- oder Wertschöpfungskette) bezeichnet man ein organisationsübergreifendes Netzwerk, welches als Gesamtsystem Güter für einen bestimmten Markt hervorbringt. Die heutigen Supply Chains sind aufgrund der Vielzahl von beteiligten Zulieferern, Dienstleistern und Kunden - die wiederum an anderen Supply Chains beteiligt sein können - sehr komplexe, interdependente Gebilde. Treffender müsste daher eine Supply Chain, aufgrund der häufig vorkommenden netzwerkartigen Struktur der zusammenarbeitenden Unternehmen, als "Supply Network" bezeichnet werden.
Geschäftsmodell
Ein Geschäftsmodell besteht allgemein aus den drei Hauptkomponenten Nutzenversprechen (value proposition), Architektur der Wertschöpfung und Ertragsmodell.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?346998

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 09:42:09