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Klimawirksame Emissionen des Luftverkehrs

Erstellt am: 25.03.2011 | Stand des Wissens: 14.04.2022
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IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.

Im Vergleich zu den land- und wassergebundenen Verkehrsträgern verbrennt der Flugverkehr einen Großteil des Treibstoffs unter verschiedenen und wechselnden atmosphärischen Bedingungen. Den Verbrennungsprozess beeinflussen Faktoren wie atmosphärischer Druck, Umgebungstemperatur und Luftfeuchte, die aufgrund der Höhe erheblichen Variationen unterliegen. Zu den klimawirksamen Schadstoffemissionen des Luftverkehrs mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt gehören: Schwefeldioxid (SO2), Stickstoffoxide (NOx, d.h. NO und NO2), flüchtige organische Verbindungen ohne Methan (NMVOC), Methan (CH4), Kohlendioxid (CO2) und Lachgas (N2O) [UMTr05]. Grundsätzlich ist der Vergleich von Daten im Luftverkehr nur begrenzt möglich, da unterschiedliche Bilanzgrenzen (national/international) verwendet werden [SRU17a S.72].

Seit der Verabschiedung des Sonderberichts Aviation and the Global Atmosphere des Intergovernmental Panel on Climate Change im April 1999 ist es wissenschaftlich auf höchster Ebene anerkannt, dass neben den durch die Verbrennung des Flugkraftstoffes Kerosin entstehenden CO2-Emissionen auch die Stickoxidemissionen, Kondensstreifen und die sich daraus bildende Zirrusbewölkung zur Klimaerwärmung beitragen [GeWa03; IPCC99a]. Aktuelle wissenschaftliche Kenntnisse weisen darauf hin, dass die anthropogene Zirruswolkenschicht die Wärmestrahlung von der Erde abschirmt und damit zur Erderwärmung beiträgt [DLR19e]. Zudem reagiert die Atmosphäre in der am meisten genutzten Flughöhe (Übergang von der Troposphäre in die Stratosphäre) unter anderem wegen niedriger Temperaturen und langsamerer Mischungsprozesse empfindlicher auf Emissionen als in Bodennähe.
Es wird geschätzt, dass die Klimawirksamkeit des Luftverkehrs das Zwei- bis Vierfache des reinen Kohlendioxideffektes beträgt [IPCC07a]. Eine exakte Quantifizierung ist aufgrund des noch unzureichenden Wissensstandes über die physikalischen Zusammenhänge sowie aufgrund der Abhängigkeit vom Ort der Emission nicht abschließend möglich. Eine dauerhafte Beschränkung auf die CO2-Emissionen wäre daher unzureichend und gegebenenfalls sogar kontraproduktiv, da Maßnahmen zur Verringerung des Treibstoffverbrauchs mit der Verstärkung anderer klimawirksamer Effekte des Luftverkehrs einher gehen können.

Es wurde ein direkter Zusammenhang von Kersoinabsatz und Verkehrsleistung von Flugzeugen vermutet, doch diese Annahme wurde nicht bestätigt. Seit 2009 wird ein deutlicher Rückgang des Kersoinabsatzes verzeichnet, während die Verkehrsleistung zunimmt. Die meisten Starts sind dabei nicht gewerblich und im Jahr 2014 waren nur 7 Prozent der Flüge in nationalen Raum [TREMOD16 S.60].
Der spezifische Energieverbrauch ist zwischen 1990 und 2014 um 40 Prozent bei Kurzstrecken- und um 20 Prozent bei Langstreckenverkehr gesunken [SRU17a S.60]. Doch der absolute Energieverbrauch ist zwischen 1990 und 2014 um 112 Prozent gestiegen. Im Jahr 2010 war der Anteil des Luftverkehrs an der Verkehrsleistung in Deutschland von nur 5,5 Prozent, doch der Anteil am Energieverbrauch lag bei 13,4 Prozent [SRU17a S.72]. Bis zum Jahr 2030 soll der spezifische Kraftstoffverbrauch des Flugverkehrs um 23 Prozent zurückgehen [TREMOD16 S.82].

Zwischen 1990 und 2018 haben die flugbedingten Treibhausgasemissionen in der EU um über 100 Prozent zugenommen (vgl. Abbildung 1). Es ist ein deutlicher Anstieg der Emissionen zu erkennen.
treibhausgasemissionen_luftverkehr_luftverkehr_bis_2014.PNGAbb. 1: Treibhausgasemissionen des Luftverkehrs in der EU bis 2018 [EEA21a]
(Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)

Stickoxide (NOx) entstehen in der Brennkammer der Flugzeugtriebwerke. In großen Höhen tragen NOx zum Ozonabbau bei. In niedrigen Höhen führen sie zur Ozonvermehrung, was einen wärmenden Effekt hat. Dieses Ozon wirkt wie ein Treibhausgas. Generell überwiegt allerdings der ozon- und methanabbauende Effekt. Im Jahr 2014 wurden ca 254.000 Tonnen NOx von Flugzeugen emittiert. Der Anteil der indirekten Emissionen beträgt ca. 10 Prozent [UBA18h S.43].

Feinstaub (PM) aus Flugzeugtriebwerken hat nur einen sehr geringen direkten Effekt auf die Erwärmung der Atmosphäre. Allerdings wird vermutet, dass die Rußteilchen die Anzahl der Kondensationskeime für Wolken beeinflussen. Die zusätzlichen Wolken wirken klimaerwärmend. 2014 wurden in Deutschland insgesamt 2.000 Tonnen Feinstaub durch Luftverkehr emittiert [UBA18h S.43].

Die steigenden Emissionen des Flugverkehrs werden vor allem durch die steigenden Personenkilometer bedingt. Insgesamt wird bis 2030 ein Anstieg von ca. 60 Prozent erwartet [UBA18h S.44]. Unklar ist, ob technologischer Fortschritt und Effizienzsteigerungen beim Kraftstoffverbrauch die steigende Nachfrage kompensieren können.

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Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Emissionshandel im Verkehr (Stand des Wissens: 14.04.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?352548
Literatur
[ACICl05] ACI - Airports Council International Europe Strategy on Climate Change, 2005/01/19
[BMU07a] Der Flugverkehr und das Klima, Berlin, 2007
[DLR19e] Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (Hrsg.) Kli­ma­aus­wir­kun­gen von Wol­ken aus Flug­zeug­kon­dens­strei­fen kön­nen sich bis 2050 ver­drei­fa­chen, 2019
[EEA21a] European Environment Agency (Hrsg.) Transport and environment report 2020 - Train or plane?, 2021
[EnEmV06] Markus Mehlin, Astrid Gühnemann, Andreas Lischke, Matthias Scheffer, Jens Borken Die Energie- und Emissionsbilanz des Verkehrs - Bisherige Entwicklung und künftige technische Reduktionspotenziale, 2006/03
[GeWa03] Treber, M. , Kirchmair, A. , Kier, G. Die Subventionierung des Flugverkehrs, Büro Bonn, Dr.Werner-Schuster-Haus, Kaiserstr. 201, D-53113 Bonn, Telefon 0228/60492-0, Fax -19, 2003/05/07
[IPCC07a] Solomon, S., , D. Qin, M. Manning, , R.B. Alley, , T. Berntsen, , N.L. Bindoff, , Z. Chen, , A. Chidthaisong, , J.M. Gregory, , G.C. Hegerl, , M. Heimann, , B. Hewitson, , B.J. Hoskins, , F. Joos, , J. Jouzel, , V. Kattsov, , U. Lohmann, , T. Matsuno, , M. Molina, , N. Nic Technical Summary. In: Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, 2007
[IPCC99a] Dokken, David J. , McFarland, Mack, Griggs, David, Lister, David H., Dr., Penner, Joyce E., Prof. Dr. Aviation and the Global Atmosphere, Cambridge University Press / Cambridge, UK, 1999, ISBN/ISSN ISBN: 0521663008
[SRU17a] Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) (Hrsg.) Umsteuern erforderlich: Klimaschutz im Verkehrssektor, 2017/11
[TREMOD16] Wolfram Knörr, Christoph Heidt, Sabine Gores (Öko-Institut), Fabian Bergk Aktualisierung "Daten- und Rechenmodell: Energieverbrauch und Schadstoffemissionen des motorisierten Verkehrs in Deutschland 1960-2035" (TREMOD) für die Emissionsberichterstattung 2016 , 2016/01/31
[UBA18h] Umweltbundesamt (Hrsg.) Szenario Luftverkehr Deutschland unter Einbezug von Umweltaspekten, 2018/12
[UMTr05] Michael Strogies, Stephan Schiller, Marion Dreher, u.a. Deutsches Treibhausgasinventar 1990 - 2003, 2005, ISBN/ISSN 0722-186X
Glossar
Personenkilometer
Die Einheit Personenkilometer [Pkm] beschreibt die im Rahmen einer Personenbeförderung erbrachte Verkehrsarbeit. Diese definiert sich als Produkt der Verkehrsmenge (Summe der beförderten Personen) und der von dieser dabei zurückgelegten Wegstrecke in km.
Verkehrsarbeit [Pkm] = Verkehrsmenge [P] * Wegstrecke [km]
CH4 = Methan. Es ist ein farbloses, geruchloses und leicht brennbares Gas, das zu Kohlendioxid und Wasser verbrennt. Methan ist Hauptbestandteil von Erdgas, Biogas, Deponiegas und Klärgas. Als Erdgas dient es hauptsächlich der Beheizung von Wohn- und Gewerberäumen, als industrielle Prozesswärmeenergie, zur elektrischen Stromerzeugung und in kleinem Umfang als Treibstoff für Kraftfahrzeuge. Methan gehört zu den klimarelevanten Treibhausgasen. Methan entsteht bei allen organischen Gär- und Zersetzungsprozessen, wie z.B. in Sümpfen, Nassreisfeldern und Massenviehhaltung. (Der Verdauungstrakt von Wiederkäuern produziert Methan.) Nach Kohlendioxid ist Methan mit einem Anteil von knapp 20 Prozent wichtigster Verursacher des Treibhauseffekts, wobei es ein 20- bis 30-mal wirksameres Treibhausgas als CO2 ist. Die weltweiten Methanemissionen werden auf 500 Mio. Tonnen/Jahr geschätzt, davon gehen rund 70 Prozent auf menschliche Aktivitäten zurück.
IPCC
Rolle und Auftrag
Der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC; auch: Weltklimarat), ist eine Institution der Vereinten Nationen (UN) mit Sitz in Genf. 1988 durch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UN Environmental Programme) und die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) gegründet, ist er zugleich wissenschaftliches Gremium.
Im Auftrag des IPCC tragen Fachleute weltweit regelmäßig den aktuellen Kenntnisstand zum Klimawandel zusammen und bewerten ihn aus wissenschaftlicher Sicht. So sollen Grundlagen für wissenschaftsbasierte politische Entscheidungen geschaffen werden, jedoch ohne konkrete Lösungswege vorzuschlagen oder Handlungsempfehlungen zu geben. Dabei ist der Gewissheitsgrad zum anthropogenen (vom Menschen verursachten) Einfluss auf die beobachtete Erwärmung/die Klimaänderungen im Zeitverlauf der Arbeit des IPCC klar gewachsen (siehe hierzu unten Berichte).
Organisationsstruktur
Das etwa zweimal jährlich tagende Plenum aus Regierungsdelegationen der Mitgliedstaaten, zahlreichen Wissenschaftler:innen und Vertreter:innen von Beobachterorganisationen legt das Arbeitsprogramm und weitere Verfahrensaspekte der Arbeit des IPCC fest. Es wählt für jeden Berichtszyklus einen wissenschaftlichen Vorstand und verabschiedet fertige Berichte.
Als national zuständige IPCC-Kontaktstelle ist in Deutschland das Auswärtige Amt (AA) in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) benannt. Sie wird unterstützt von der Deutschen IPCC-Koordinierungsstelle, die gemeinsam von AA und BMBF getragen wird. Weitere eher administrative Gremien zur Unterstützung der Projekt- und Arbeitsgruppen sind das Sekretariat und die Geschäftsstellen.

Die derzeit drei wissenschaftlichen Arbeitsgruppen (Working Groups - WG) des IPCC erstellen die Sachstandsberichte und Sonderberichte.
- Arbeitsgruppe I (WGI) befasst sich mit den naturwissenschaftlichen Ursachen des Klimawandels.
- Arbeitsgruppe II (WGII) untersucht die Verwundbarkeit von Systemen gegenüber dem Klimawandel und beschreibt Optionen zur Anpassung.
- Arbeitsgruppe III (WGIII) zeigt Optionen zur Minderung des anthropogenen Klimawandels auf.
Zusätzlich setzt der IPCC flexibel Gruppen zu spezifischen Themen, sowie zur Weiterentwicklung der Verfahren ein. (Task Forces - TF; Task Groups - TG).
Berichte
Seit seiner Gründung 1988 hat der IPCC insgesamt 6 umfangreiche Sachstandsberichte (Assessment Reports; 1990, 1995, 2001, 2007, 2013/14, 2021) veröffentlicht; daneben zahlreiche Sonderberichte (Special Reports) und Methodenberichte (Methodology Reports). Bereits 1999 entstand der verkehrsrelevante Sonderbericht Luftfahrt und die globale Atmosphäre (Aviation and the Global Atmosphere). Mit dem 4. Sachstandsbericht 2007 (Fourth Assessment Report - AR 4) fasste des IPCC den Kenntnisstand der Wissenschaft erstmals so zusammen, dass der Einfluss des Menschen auf das Klimasystem als eindeutig gewertet werden konnte.

Verwendete Quellen:
Informationen der Deutschen Koordinierungsstelle des IPCC.
Wissenschaftliche Dienste des Bundestages: Ausarbeitung Anthropogener Treibhauseffekt und Klimaänderungen [WD 8 - 3000 - 028/17 27.09.2017].
NOx
= Stickoxide. Ist die Sammelbezeichnung für die Oxide des Stickstoffs. Die wichtigsten Stickoxide sind Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid. Es sind gasförmige Verbindungen, die sich nur wenig in Wasser lösen.
Die wichtigsten Stickoxid-Quellen sind natürliche Vorgänge, wie zum Beispiel mikrobiologische Umsetzungen im Boden, sowie Verbrennungsvorgänge bei Kraftwerken, Kraftfahrzeugen und industrielle Hochtemperaturprozesse, bei denen aus dem Sauerstoff und Stickstoff der Luft Stickoxide entstehen. Stickstoffdioxid ist ein Reizstoff, der die Schleimhäute von Augen, Nase, Rachen und des Atmungstraktes beeinträchtigt.
N2O = Distickstoffoxid (Lachgas). Ein farb- und geruchloses, leicht süßlich schmeckendes und chemisch reaktionsträges Gas. Lachgas ist ein Treibhausgas, dessen Treibhauswirksamkeit 298-mal so groß ist wie die von CO2. Menschenverursachte Emissionen stammen hauptsächlich aus der Landwirtschaft.
Verkehrsleistung
Die Verkehrsleistung gibt Auskunft über die Inanspruchnahme von Ressourcen. Als Verkehrsleistung wird die auf eine Zeiteinheit t (zum Beispiel ein Jahr) bezogene Verkehrsarbeit definiert und als Quotient dargestellt. Die Verkehrsarbeit wird dabei als Produkt von Verkehrseinheiten (zum Beispiel Güter oder Personen) und der durch diese zurückgelegten Strecke gebildet. In der Verkehrswissenschaft sind die Einheiten Personenkilometer pro Jahr [Pkm/a] oder Tonnenkilometer pro Jahr [tkm/a] gebräuchlich.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?345713

Gedruckt am Samstag, 3. Juni 2023 10:28:12