Gesamtwirtschaftliche Bewertung der Einnahmequellen: Transaktionskosten
Erstellt am: 15.03.2011 | Stand des Wissens: 21.08.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Bauhaus-Universität Weimar, Professur Infrastrukturwirtschaft und -management - Prof. Dr. Thorsten Beckers
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
M-Five GmbH Mobility, Futures, Innovation, Economics
Als ein zentrales Kriterium im Rahmen einer allokativen Bewertung verschiedener Einnahmequellen sind die direkt mit der Erhebung der jeweiligen Mittel in Verbindung stehenden Transaktionskosten zu berücksichtigen. Die Transaktionskosten beinhalten die Erhebungskosten der öffentlichen Hand und die Befolgungskosten des privaten Sektors:
- Erhebungskosten: Zum einen verursacht die Erhebung von Einnahmen aufgrund des Verwaltungsaufwandes Kosten bei der öffentlichen Hand, die sogenannten Erhebungskosten. Hierzu gehören beispielsweise Kosten für die Finanzverwaltung (Steuern) oder die Kosten für die Installation des Mautsystems und Erhebung der Maut.
- Befolgungskosten: Zum anderen fallen durch die Erhebung von Einnahmen auch im privaten Sektor Befolgungskosten an, die in direktem Zusammenhang mit der Entrichtung stehen, wie zum Beispiel Zeitkosten für die Erstellung der Steuererklärung oder die Kosten für den Einbau der Onboard-Unit für die Bezahlung der Lkw-Maut.
Wie bei den Verdrängungswirkungen hängen auch die Transaktionskosten bei Verkehrssteuern wesentlich von der jeweils betrachteten Steuerart, der (landes-)spezifischen Ausgestaltung sowie weiteren Faktoren ab. In der Regel lassen die verfügbaren Daten, unter anderem aufgrund des Aggregationsniveaus oder aufgrund von Zuordnungsproblemen, keine Rückschlüsse auf die Transaktionskosten einzelner Steuerarten zu. Dennoch wurde durch das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) 2003 ein Versuch unternommen, die Transaktionskosten der Steuererhebung in Deutschland zu quantifizieren [SRU94a]. Danach beliefen sich im Jahr 1997 die Erhebungskosten insgesamt auf etwa 1,7 Prozent des Steueraufkommens, wobei ein internationaler Vergleich ergibt, dass Deutschland diesbezüglich eher am oberen Rand lag. Die Befolgungskosten wurden ausschließlich anhand der Umsatz-, Einkommens-, Körperschafts-, Gewerbe- sowie Kfz-Steuer abgeschätzt. Hier ergab sich ein durchschnittlicher Wert von 3,1 Prozent in Relation zum Aufkommen dieser Steuerarten, was nahezu doppelt so viel wie die durchschnittlichen Erhebungskosten bei diesen Steuerarten in Höhe von 1,6 Prozent ist. Insgesamt ergaben sich demnach Transaktionskosten von 4,7 Prozent in Relation zum entsprechenden Steueraufkommen.
- Speziell bei der Kfz-Steuer betrugen die Transaktionskosten gemäß RWI (2003) 4,3 Prozent und lagen damit unter den durchschnittlichen Transaktionskosten der Steuererhebung. Die Befolgungskosten von lediglich 1,4 Prozent sind dabei als sehr niedrig einzustufen. Die mit 2,9 Prozent relativ hohen Erhebungskosten waren vermutlich auf hohe Inkassokosten zurückzuführen, gegen die zwischenzeitlich Maßnahmen ergriffen worden sind. Die Kosten für die Verwaltung beziehungsweise Erhebung der Kraftfahrzeugsteuer wurden für das Jahr 2018 - nicht zuletzt aufgrund des hohen Automatisierungsgrades - auf rund 1,3 Prozent geschätzt [WD19, S.5]. Insofern kann das Niveau der Transaktionskosten bei der Kfz-Steuer grundsätzlich als gering eingeordnet werden.
- Während bei der Kfz-Steuer Zoll- und Finanzämter teilweise noch mit Prüfungs- und Genehmigungsaufgaben betraut sind, ist die Erhebung der Energiesteuer weitgehend digitalisiert. Entsprechend dürften die Transaktionskosten bei der Erhebung der Energiesteuer gering sein, während das Einnahmepotenzial vergleichsweise hoch ist [Kula01; GoWa03]. Aufgrund der geringen Transaktionskosten wurden Energiesteuern in der Vergangenheit gerne zur Deckung eines erhöhten Finanzbedarfs genutzt. So lag die Mineralöl- beziehungsweise Energiesteuer auf Benzin und Dieselkraftstoff im Jahr 1990 umgerechnet bei 30,38/22,93 und 2023 bei 65,45/47,04 Euro-Cent pro Liter (ohne CO2-Steuer). Die Erhöhungen der Energiesteuer und die Einführung der CO2-Steuer haben die Erhebungskosten dabei nicht relevant erhöht.
Dagegen sind die Transaktionskosten von Gebührenlösungen (Road-Pricing) erheblich. In Bezug auf Road Pricing hängen die Transaktionskosten von diversen Faktoren ab, unter anderem von der Road-Pricing-Form, dem gewählten Mauterhebungssystem sowie der Tarifhöhe und -struktur. Zu Beginn fallen Investitionskosten für den Aufbau eines Mautsystems an. Anschließend folgen jährliche Erhebungs- und Befolgungskosten. Während Vignettensysteme vergleichsweise günstig sind, können fahrleistungsbezogene Mautsysteme mit hohen Kosten verbunden sein. Die Effizienz eines Mautsystems wird letztlich durch die Höhe der Tarife, die bemautete Fahrleistung und die daraus resultierenden Einnahmen bestimmt, wobei die Transaktionskosten in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Einnahmen stehen sollten.
- Die zeitbezogene Vignette (zum Beispiel die Pkw-Maut in Österreich) stellt die technisch einfachste Möglichkeit dar, die Erhebung einer Straßenbenutzungsgebühr zu realisieren. Die Nutzenden von gebührenpflichtigen Straßenabschnitten müssen vor Fahrtantritt eine Vignette erwerben, die im Fall einer klassischen Papiervignette von innen an der Windschutzscheibe angebracht oder mit den Fahrzeugpapieren mitgeführt wird. Bei einer virtuellen Vignette wird das Kfz-Kennzeichen beim Vignettenkauf elektronisch in einer Datenbank erfasst. Dabei wird die Höhe der relativen Erhebungskosten einer Vignette wesentlich von ihrer Geltungsdauer abhängen und bei Tages- oder Wochenvignetten wesentlich höher als bei einer jahresbezogenen Vignette sein. Ein wesentlicher Bestandteil der Erhebungskosten einer Vignettenlösung wird ferner für die Vollstreckung (Enforcement) anfallen, welches die Entrichtung der Road-Pricing-Gebühr bei zahlungsunwilligen Nutzenden gewährleisten soll. Die Höhe der Kosten für das Enforcement hängen unter anderem von den Kosten für mobile Kontrollen sowie der angestrebten Kontrolldichte ab. Ferner kann die Höhe etwaiger Strafzahlungen die notwendigen Kosten für das Enforcement beeinflussen, da die Verkehrsteilnehmenden neben der Entdeckungswahrscheinlichkeit auch die Höhe einer möglichen Strafe bei der Entscheidung über den Kauf einer Vignette berücksichtigen werden. Zwar fallen die Transaktionskosten bei Vignetten-Lösungen gering aus als bei anderen Erhebungsmethoden, allerdings sollen entsprechende Finanzierungssysteme wegen ihrer geringen Lenkungswirkung und des fehlenden Verursachungsbezugs zu den Kosten laut EU-Richtlinie [(EU) 2022/362] durch fahrleistungsabhängige Gebührensysteme ersetzt werden.
- Die Erhebungskosten der fahrleistungsabhängigen Lkw-Maut setzen sich zusammen aus den Kosten des BMDV und nachgeordneter Behörden, sowie den Vergütungen für das Betreiberkonsortium. Für das Jahr 2023 ergab sich eine Größenordnung von 1,3 Milliarden Euro [BRH23], wobei die Systemkosten (Zahlungen an das Betreiberkonsortium) bei 621 Millionen Euro lagen [BMDV21t]. Die restlichen Erhebungskosten fielen für die Verwaltung (zum Beispiel das Bundesamt für Logistik und Mobilität) und Entlastungen des Gewerbes (zum Beispiel De-minimis-Beihilfen für die Beschaffung umweltfreundlicherer Fahrzeuge) an. Die Systemkosten liegen bei 8,4 Prozent der Einnahmen und sind im internationalen Vergleich relativ hoch, sodass das System Toll Collect bislang nur in Deutschland angewendet wird.
Neben den kilometerbezogenen Mautgebühren fallen bei den Fuhrunternehmen Befolgungskosten für die Installation der Onboard-Unit (etwa 250 Euro) und die Folgekosten (An- und Abfahrt, Standzeit) für den Lkw an. Durch die Installation einer Onboard-Unit können Fahrzeuge an den Mautkontrollbrücken automatisch identifiziert und die Mautgebühren automatisch an Toll Collect entrichtet werden, was insbesondere bei Vielfahrenden eine deutliche Entlastung bewirkt. Am höchsten sind die Anforderungen an die Erfassung von zeit-, raum- und verkehrszustandsbezogenen Differenzierungen bei Grenzkosten-Anlastungen. Obwohl das deutsche Toll-Collect-System solche Differenzierungen derzeit ausschließt, verbleibt ein hoher Aufwand für die Fahrleistungserfassung und -abrechnung für die verschiedenen Lkw-Kategorien und die umfangreiche Differenzierung nach Infrastruktur-, Umwelt- und Klimakosten.