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Kooperation und Beteiligung der Öffentlichkeit

Erstellt am: 04.03.2011 | Stand des Wissens: 13.09.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Nicht zu unterschätzende Komponenten, die bei der Umsetzung von Verkehrsberuhigungsmaßnahmen bedeutende Rollen einnehmen, sind die möglichst offenen und partizipatorisch zu gestaltenden Planungsprozesse sowie die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Bürgerinnen und Bürger sind dabei meist gleichermaßen negativ Betroffene (eingeschränkte Parkmöglichkeiten, Langsamfahrbereiche, Umwege und so weiter) und Nutznießer (höhere Sicherheit für Kinder, weniger Verkehrslärm, größere Freiräume und so weiter). Aber auch die Interessen unter anderem des Einzelhandels (zum Beispiel Parkmöglichkeiten vor den Geschäften), des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) (zum Beispiel Einhaltung des Fahrplans) oder der Kommunalen Betriebe (zum Beispiel Müllentsorgung) sind zu berücksichtigen [Kord05].
Um bei den Betroffenen eine hohe Akzeptanz der Verkehrsberuhigungsmaßnahmen zu erreichen, sollten sie von Beginn an in die Überlegungen und Planungen einbezogen werden. Geduld, die Fähigkeit zuzuhören sowie Kompromissbereitschaft sind bei der Vermittlung unterschiedlicher Interessenlagen oft mehr gefragt als städtebauliches und verkehrsplanerisches Faktenwissen. So kann nachträglicher Unmut über eine vermeintlich fachlich gute Planung, die von den Betroffen aber nicht akzeptiert wird, vermieden werden [Kord05].
Zu den Methoden und Verfahren der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Bereich der Bürgerinformation gehören unter anderem [Kord05]:
  • Zeitungsartikel, -anzeigen, Sonderbeilagen, Wiedergabe von Interviews;
  • Postwurfsendungen, Broschüren, Plakate, (Wohngebiets-) Ausstellungen, Aushänge;
  • Bürgerversammlungen, Informationsgespräche, Fachveranstaltungen;
  • Straßenfeste, Foto- und Malwettbewerbe, Kampagnen;
  • Radio-/Fernsehsendungen, Hörergespräche und Werbespots und
  • gegebenenfalls Ortsbegehungen.
Entsprechend sind neben den bereits genannten Maßnahmen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit auch neuartige und kreative Wege grundsätzlich zu beschreiten und intensiver zu nutzen, um eine aktive Teilnahme aller Betroffenen zu fördern.
Partizipatorische Planungsansätze sind unter anderem:
  • der "Runde Tisch",
  • Projektbegleitende Beiräte,
  • Stadtspaziergang,
  • Arbeitskreise, Workshops,
  • Stadt(teil)konferenz,
  • Bürgerversammlung,
  • Anhörung und
  • Internetforen.
Wichtig ist bei all diesen Maßnahmen die zeitnahe Einbindung der verschiedenen Akteurinnen und Akteure. Leider ist gerade in frühen Stadien dieses Engagement bei den Akteurinnen und Akteurenen von (Verkehrs-)Planungen oft nur mäßig vorhanden - meist aus mangelnder Wahrnehmung des Betroffenheitsgrades. Die Möglichkeit der Einflussnahme wäre insbesondere in diesem frühen Stadium jedoch sehr groß. Mit zunehmendem Planungsfortschritt kann - unter gleichzeitiger Annahme sinkender Möglichkeiten zur Einflussnahme - auch mit einem zunehmenden Engagement seitens der Beteiligten gerechnet werden ("Beteiligungsparadox", siehe Abbildung 1). Zur Umsetzung einer demokratischen Qualität sollte deshalb möglichst frühzeitig eine Einbindung aller Akteurinnen und Akteure angestrebt werden (Partizipation).
Beteiligungsparadox.pngAbb. 1: Beteiligungsparadox [BeHä10a]
Im Allgemeinen bergen Kooperationen mit verschiedenen Akteurinnen und Akteuren implizit Probleme, insbesondere bei den hier gestellten Qualitätsansprüchen an die Berücksichtigung der Belange möglichst aller Akteurinnen und Akteure bei der Planung und Umsetzung. Die Risiken, die es zu vermeiden gilt, können wie folgt zusammengefasst werden [SEL96]:
  • Unübersichtlichkeit: Eine breite Basis an Beteiligten kann schnell zu unübersichtlichen Verhältnissen im Planungsprozess führen.
  • Ausgrenzungsgefahr: Um einen effektiven und effizienten Planungsprozess zu gewährleisten, erfolgt meist eine konstante Arbeit in engen Kreisen (einschließlich vertraulicher und informeller Kommunikation). Folglich besteht die Gefahr mangelnder Kommunikation und Beteiligung nach außen.
  • Gleichberechtigung aller Beteiligten beziehungsweise deren Argumente: Nicht alle Planungs- und Prozessbeteiligten sind gleich einfluss- und kommunikationsstark
Welche Belange der einzelnen Akteurinnen und Akteure zu beachten sind, wird in einschlägigen Regelwerken beziehungsweise Empfehlungen thematisiert. Speziell für Straßenräume mit hohem Aufenthalts- und Querungsbedarf hat die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) ein Hinweisblatt herausgegeben: Hinweise zu Straßenräumen mit besonderem Querungsbedarf - Anwendungsmöglichkeiten des "Shared Space"-Gedankens [FGSV14]. Darüber hinaus sind in den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen [RASt06] die jeweiligen Anforderungen an die Straßenräume und somit die allgemeinen Ansprüche an die Netzplanung aufgeführt. Dabei wird vor allem auf die Dimensionierung des Straßenraums eingegangen. Speziell für die Nutzendenrgruppe der mobilitätseingeschränkten Personen gibt es zusätzlich die "Hinweise für barrierefreie Verkehrsanlagen" [HBVA11].

Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Verkehrsberuhigung im Stadtverkehr (Stand des Wissens: 13.09.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?358449
Literatur
[BeHä10a] Bechtler, Cornelius, Hänel, Anja Erfordert Shared Space einen Paradigmenwechsel in der Planungskultur?, veröffentlicht in Shared Space. Beispiele und Argumente für lebendige öffentliche Räume, Bielefeld, 2010, ISBN/ISSN 978-3-9803641-7-1
[FGSV14] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. , Baier, Reinhold, Eilrich, Wolfgang, Gerlach, Jürgen, et al. Hinweise zu Straßenräumen mit besonderem Querungsbedarf - Anwendungsmöglichkeiten des "Shared Space"-Gedankens, veröffentlicht in Wissensdokumente (W 1), Ausgabe/Auflage FGSV 200/1, FGSV Verlag / Köln, 2014/06, ISBN/ISSN 978-3-86446-081-4
[HBVA11] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. Hinweise für barrierefreie Verkehrsanlagen (H BVA), 2011/06
[Kord05] Korda, Martin Städtebau: Technische Grundlagen, Teubner Verlag / Wiesbaden, 2005/05, ISBN/ISSN 3-519-45001-1
[RASt06] Baier, Reinhold, et al. Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen - RASt 06, Ausgabe/Auflage 2006, Köln, 2007, ISBN/ISSN 978-3-939715-21-4
[SEL96] Selle, K. Planung und Kommunikation - Gestaltung von Planungsprozessen in Quartier, Stadt und Landschaft, Grundlagen, Methoden, Praxiserfahrungen, Wiesbaden, Berlin, 1996
Weiterführende Literatur
[FGSV12a] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. Hinweise zur Beteiligung und Kooperation in der Verkehrsplanung, Ausgabe/Auflage Ausgabe 2012, FGSV Verlag, Köln, 2012, ISBN/ISSN 978-3-86446-018-0
Glossar
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?343739

Gedruckt am Dienstag, 16. April 2024 06:37:41