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Technische und betriebliche Innovationen zu einer Reduktion des Energieverbrauchs im Schienenverkehr

Erstellt am: 03.03.2011 | Stand des Wissens: 02.12.2019
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Vor dem Hintergrund steigender Energiepreise steigt die Notwendigkeit für die Eisenbahnverkehrsunternehmen, ihren spezifischen Energiebedarf zu senken. Insbesondere reisezeitverkürzende Hochgeschwindigkeitsverkehre operieren sehr energieintensiv. So verkürzt beispielsweise eine Temposteigerung von 225 auf 350 km/h die Reisezeit zwischen London und Edinburgh zwar um 45 Minuten, gleichzeitig bringt dies für betreffende Zugfahrten jedoch auch nahezu eine Verdoppelung des Energieverbrauchs mit sich [EEA08].
Als weitere Innovation in der Automobilindustrie wurde die Technologie der Abwärmenutzung in die Verkehrsmittel integriert. Bei der elektrischen Traktion kann während des Bremsvorgangs Energierückgewinnung (Rekuperation) betrieben werden. Diese Technik kommt schon umfassend zum Einsatz, sodass die Deutsche Bahn im Jahre 2013 bereits 14 Prozent des Stromverbrauchs im Nahverkehr und 11 Prozent im Fernverkehr rückspeisen konnte [DBNB13].
Weitere Energiesparpotenziale bieten sich in der Fahrzeugkonstruktion (Reduktion des Fahrwiderstands und Dimensionierung) an [Grün06]. Zwischen den Jahren 2002 und 2005 in Schweden durchgeführte Untersuchungen haben gezeigt, dass moderne Triebzugangebote trotz höherer Geschwindigkeiten Energieeinsparungen von 25 bis 30 Prozent pro Sitzplatz- oder Passagierkilometer im Vergleich zu lokbespannten Zügen des Jahres 1994 erzielten. Das Gleiche gilt für die Fahrzeugkonstruktion im Güterverkehr. In dieser Kategorie spielen vor allem die Platzierung der Ladung sowie die Abstände zwischen den Waggons eine Rolle [LAI08].
Zu der höheren Energieeffizienz tragen folgende Faktoren bei ([AnLu06; LAI08]):

Verringerung des Fahrwiderstandes
Implementierung von Systemen zur Energierückgewinnung während eines Bremsvorgangs
Verringerung der Zugmassen pro Sitzplatz
Verbesserte Stromversorgungseffizienz
Ladungsplatzierungs- und Wagonabstandsoptimierung.

Diese Ergebnisse erweisen sich als annähernd deckungsgleich mit herstellerseitigen Erfahrungen (vergleiche hierzu [Sief10]).
2016 wurde die 2020 EU Strategie festgelegt, die darauf abzielt unter anderem umwelttechnische Leistungen im Transportsektor zu verbessern. Durch Forschungsförderung, vor allem im Bereich Digitalisierung, sollen die Ziele für die Reduktion der THG Emissionen, den Ausbau erneuerbarer Energien und der Steigerung der Energieeffizienz erreicht werden. Innerhalb des klima- und energiepolitischen Rahmens der EU soll nach dem Jahr 2020 die Energieeffizienz im Transportsektor um weitere 27 Prozent verbessert werden [MRC16].
Durch die Aufschlüsselung des Energieflusses können besonders energieintensive Systeme ermittelt werden und durch zielgerichtete Maßnahmen effizienter gestaltet werden. Durch die Kombination von vielen Energieeffizienzsteigerungen erhält man eine generell verbesserte Energieeffizienz des Gesamtsystems. Das Diagramm stellt hierbei die Kombinationsmöglichkeiten von Energiesystemen und deren Möglichkeiten zur Energieeffizienzsteigerung dar [DOUG15].
energy saving potential.jpgAbb. 1: Energieeffizienzmöglichkeiten [DOUG15]. (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
Auch durch betriebliche Innovationen kann eine weitere Reduktion des Energieverbrauchs erreicht werden. Intelligente Systeme können helfen, energiesparende Fahrweisen zu unterstützen. Über die letzten Jahre wurden zunehmend Photovoltaikanlagen auf Flächen der Deutschen Bahn installiert. Im Jahre 2013 wurde die bislang leistungsstärkste Anlage in Güsten in Sachsenanhalt in Betrieb genommen [DBNB13]. Auch der Primärenergieverbrauch der Personenbahnhöfe wurde bis 2015 im Vergleich zu 2010 um 17 Prozent gesenkt. Diese Verbesserung wurde vor allem durch die Umrüstung auf LED-Beleuchtung und die Verbesserung der Anlagenfahrweise von Raumluft-, Kälte- und Heizkesselanlagen erreicht [DBAG15b].
Laut der Bombardier Transportation sind für einen verminderten beziehungsweise steigenden Energieverbrauch neue Fahrzeugkonzepte wie Zugbreite, verbesserte Aerodynamik, Energierückgewinnung und verbesserte Energieeffizienz verantwortlich. Generell erhöht sich der Energieverbrauch mit steigender Geschwindigkeit durch den erhöhten Fahrzeugwiderstand [ROCH00]. Die General Electric Company als bedeutender Schienenfahrzeughersteller auf dem von dieselbetriebenen Güterverkehren dominierten US-Markt zeigt für die Zukunft folgende Einsparpotenziale auf:

Energieeinsparungspotenzial im System Bahn und damit verbundene KostenAbb. 2: Energieeinsparungspotenzial im System Bahn und damit verbundene Kosten [DOUG15] (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Effizienzpotenziale im Schienenverkehr (Stand des Wissens: 28.02.2017)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?487371
Literatur
[AnLu06] Evert Andersson, Piotr Lukaszewicz, Energy consumption and related air pollution for Scandinavian electric passenger trains, 2006, ISBN/ISSN 1650-7660
[DBAG15b] o.A. Deutsche Bahn Integrierter Bericht, Berlin, 2015
[DBNB13] o.A. Kennzahlen und Fakten zur Nachhaltigkeit 2013, 2013
[DOUG15] Douglas, Heather, Roberts, Clive, Hillmansen, Stuart, Schmid, Felix An assessment of available measures to reduce traction energy use in
railway networks, veröffentlicht in Energy and Conversion Management, Ausgabe/Auflage 106, 2015
[EEA08] o.A. Climate for a transport change - TERM 2007: indicators tracking transport and environment in the European Union, Kopenhagen, 2008/01, ISBN/ISSN 9789291671175
[Grün06] Grünwald, Reinhard Perspektiven eines CO2- und emissionsarmen Verkehrs - Kraftstoffe und Antriebe im Überblick, 2006/07
[LAI08] Lai, Y.C., Ouyang, Y., Barkan, C.P. A rolling horizon model to optimize aerodynamic efficiency of intermodal freight trains with uncertainty, veröffentlicht in Transportation Science, Ausgabe/Auflage 42/4, 2008, Online-Referenz doi:10.1287/trsc.1080.024
[MRC16] Mekong River Commission (Hrsg.) Strategic Plan 2016-2020, 2016, Online-Referenz doi:10.1017/CBO9781107415324.004
[ROCH00] Rochard, B.P., Schmid, F. A review of methods to measure and calculate train resistances, veröffentlicht in Journal of Rail and Rapid Transit, Ausgabe/Auflage 214/4, 2000, Online-Referenz doi:10.1243/0954409001531306
[Sief10] Siefkes, Tjark Nachhaltigkeit ganzheitlich betrachtet - Modulares Lösungsportfolio für innovative Mobilität auf der Schiene, veröffentlicht in Internationales Verkehrswesen, Ausgabe/Auflage 04/10, DVV Media Group GmbH / Hamburg, 2010/04, ISBN/ISSN 0020-9511
Glossar
Traktion Unter Traktion versteht man im Schienenverkehrsbereich die kraftgetriebene Fortbewegung von Triebfahrzeugen. Bei der Art des Antriebssystems unterscheidet man heutzutage i. d. R. Triebfahrzeuge mit dieselelektrischen oder -hydraulischen bzw. rein elektrischen Aggregaten zur Kraftübertragung (auch: Diesel- bzw. Elektrotraktion).  Die Traktionsart Dampf wird hierzulande nur noch im Bereich von Museumsbahnen eingesetzt. Mehrere gekoppelte Triebfahrzeuge bilden eine sog. Mehrfachtraktion. Üblicherweise werden diese nach der Anzahl der eingesetzten Triebfahrzeuge benannt (z. B. Doppel- oder Dreifachtraktion).
Hochgeschwindigkeitsverkehr Als Hochgeschwindigkeitsverkehr (HGV) werden Zugfahrten von Trieb[wagen]zügen (sog. Hochgeschwindigkeitszüge) bzw. dafür geeigneten lokbespannten Zügen mit mehr als 200 km/h Spitzengeschwindigkeit auf extra dafür [um]gebauten HGV-Strecken bezeichnet.
Eisenbahnverkehrsunternehmen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) sind öffentliche Einrichtungen oder privatrechtlich organisierte Unternehmen, die Eisenbahnverkehrsleistungen erbringen. "Eisenbahnverkehrsunternehmen" stellt einen europarechtlichen Begriff dar, welcher durch nationales Recht in Form von § 2 (1) des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) konkretisiert wird.
Rekuperation
Rekuperation bezeichnet die Rückführung eines Anteils der von einem elektrisch angebtriebenen Fahrzeug entnommenen Traktionsenergie in die Fahrzeugbatterie oder das Bahnstromnetz. Diese Energie wird beim Bremsvorgang durch den Betrieb des Elektromotors im Generatorbetrieb bzw. durch die elektrodynamische Nutzbremse generiert.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?343667

Gedruckt am Samstag, 2. Dezember 2023 23:09:45