Einsatz von Biogas im Schienenverkehr
Erstellt am: 02.03.2011 | Stand des Wissens: 29.02.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Während erdgasbetriebene Schienentriebfahrzeuge vorwiegend in der Bundesrepublik Deutschland, in Frankreich und den USA betrieben werden, findet Biogas im Eisenbahnverkehr als Kraftstoff nur ausgesprochen geringe Verwendung. Seit April 2006 verkehrt zwischen der Ostküste und dem Ort Linköping in Schweden der weltweit erste und einzige Biogas-Zug unter Alltagsbedingungen (Abbildung 1). Zu diesem Zweck wurde ein Dieseltriebzug aus den 1980er Jahren umgerüstet, indem er zwei moderne Gasmotoren von Volvo und anstelle des bisherigen Flüssigkraftstofftanks zwölf Gasbehälter erhielt. 2013 endete der Vertrag mit dem Biogaszugunternehmer Östgöta und der Zug stand lange Zeit still. Möglicherweise wird er von Inland Railroad in Schweden übernommen, um ihnin der Nordregion Jämtland einzusetzen [CANT14] Biotreibstoffe werden in Schweden steuerlich begünstigt und sind damit trotz höherer Produktionskosten preiswerter als Benzin. Grund hierfür ist das Ziel der schwedischen Politik, bis 2020 von Erdöl weitestgehend unabhängig zu sein. [ENER11a] Global gesehen wird ersichtlich, dass weitere politische Richtlinien nötig sein werden, um die Biogasproduktion weiter voranzutreiben. Obwohl Biogas im Transportsektor zunehmend Einsatz findet, könnte die Nachfrage noch stärker. Ohne politische Regulierungen, die die Nutzung von Biogas fördern, wäre es aus Kostengründen wahrscheinlicher, dass vermehr Erdgas statt Biogas genutzt würde. [OLSS15].
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Die Investition in einen Biogas-Zug übersteigt die in eine herkömmliche Dieselvariante um ca. eine halbe Million Euro. Darüber hinaus ist das Triebfahrzeug durch kürzere Wartungsintervalle gekennzeichnet, was im direkten Vergleich zu Dieseltraktionssystemen einen entsprechenden Wartungsmehraufwand hervorruft. Trotz der höheren Investitions- und Wartungskosten sollen in Schweden künftig vermehrt Biogas-Züge verkehren, besonders auf Strecken, deren Elektrifizierung als unwirtschaftlich einzustufen ist. Sie verkörpern in diesen Fällen einen tragfähigen Kompromiss zwischen ökologischer Vorteilhaftigkeit gegenüber Dieselfahrzeugen und betriebswirtschaftlicher Machbarkeit mit Blick auf alternativ zu tätigende Oberleitungsinvestitionen. [IEA06; SPIE06a]
Die Union Internationale des Chemins de fer (UIC, dt. Internationaler Eisenbahnverband) hingegen bewertet die Einsatzfähigkeit von Biogas für Schienenverkehrszwecke durchaus unterschiedlich. Zwar seien die mit den Verbrennungsantrieben verbundenen ökologischen Vorteile durchaus als bedeutsam einzustufen, den nachteiligen Effekten käme jedoch ebenfalls ein großes Gewicht zu. Prinzipiell könnten Biogas-Fahrzeuge in erster Linie einzelne Marktnischen erfolgreich besetzen. Eine hohe Marktdurchdringung mit nennenswerten Einflüssen auf die verkehrsträgerseitige Energiebilanz der Schiene seien dagegen eher unwahrscheinlich. [UIC07c]
Vorteile der Biogasnutzung
- Auf der Habenseite kann Biogas das höchste CO2-Emissionseinsparpotenzial aller verfügbaren Biokraftstoffe zugerechnet werden. Noch wesentlicher ist allerdings, dass sich der Ausstoß giftiger Luftschadstoffe gegenüber konventionellen Dieselfahrzeugen drastisch reduzieren lässt [UIC07c].
- Ferner sind gasbetriebene Lokomotiven und Triebwagen durch eine vergleichsweise geringe Lärmentwicklung gekennzeichnet, sodass sie speziell in städtischen Gebieten Akzeptanzvorteile erzielen [UIC07c].
- Der Einsatz von Biogas für die Energieerzeugung ist auch für stationäre Bahnanlagen denkbar. So könnten zum Beispiel abgelegene Bahnhöfe durch Biogas effizient und autark mit Strom versorgt werden [GoGo12].
Nachteile der Biogasnutzung
- Dementgegen steht etwa die Tatsache von stark schwankender Kraftstoffqualität. Biogas, das gegenwärtig in erster Linie für elektrische Generatoren verwendet wird, besitzt je nach den vorherrschenden Produktionsbedingungen variierende Methan- und Energieanteile, was die Leistungsentwicklung der betreffenden Fahrmotoren in nennenswertem Maße negativ beeinflussen könnte [UIC07c]. Mit steigendem Interesse an der Biogastechnologie, u.a. auch in Deutschland, wird die Entwicklung neuer Technologien forciert. Durch den Einsatz von CO-Vergärungs- und Vorbehandlungsanlagen wird der oft sehr heterogene Gasstrom für Biogasanlagen homogener gemacht [DIV15].
- Ferner setzt eine weiterreichende Verbreitung der Biogas-Traktion nicht nur spezielle Modifikationen an umrüstungsfähigen Dieselfahrzeugen voraus, sondern ist darüber hinaus zwangsweise mit der Neuerrichtung einer geeigneten Tankstelleninfrastruktur verbunden. Notwendige Flüssiggasbehälter nehmen außerdem zusätzlichen Bauraum in Anspruch und erhöhen die Fahrzeugmasse. Dies ist ein Fakt, welcher Eisenbahnverkehrsunternehmen dazu bewegen könnte, die Größe entsprechender Gastanks zulasten der erzielbaren Reichweite herabzusetzen [UIC07c].
- Ergänzend zu den genannten technischen Nachteilen sei auf den eingangs erwähnten finanziellen Mehraufwand verwiesen. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand muss demnach davon ausgegangen werden, dass ein Einsatz von Biogas-Triebfahrzeugen mit höheren Kosten bei Betrieb und Kraftstoff verbunden ist [UIC07c].