Einsatz von Biodiesel im Schienenverkehr
Erstellt am: 02.03.2011 | Stand des Wissens: 29.02.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Wie im Straßenverkehr eröffnet sich durch Verwendung bzw. Beimischung von Biokraftstoffen auch beim Verkehrsträger Schiene die Möglichkeit, den bestehenden Bedarf an fossilen Treibstoffen bereits kurzfristig zu senken und somit dessen CO2-Bilanz zu verbessern. Speziell die als besonders umweltbelastend geltende Dieseltraktion kann durch entsprechende Maßnahmen ökologisch aufgewertet werden. Mit Entwicklungsfortschritten im Bereich der Herstellung von flüssigen Biotreibstoffen der zweiten und mittlerweile dritten Generation konntedie Effizienz bei der Biomassenutzung erhöht werden. Biokraftstoffe der zweiten Generation werden aus Biomasse-Reststoffen sowie Pflanzenbestandteilen wie Blättern, Schalen, Halmen, etc. gewonnen. Biotreibstoffe der dritten Generation hingegen nutzen schnell wachsende, meist einzellige Algen [KIR10]. Zur Umwandlung der Rohstoffe in funktionsfähige Treibstoffe kommen verschiedene Technologien zum Einsatz wie z.B. die Pyrolyse oder die Fischer-Tropsch-Synthese. Mit dem sogenannten Biomass-to-Liquid Verfahren (BtL) können viele der heutzutage genutzten fossilen Flüssigtreibstoffe durch synthetische Biokraftstoffe ersetzt werden. Hierzu forscht u.a. das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) [KIT15b]. Darüber hinaus gibt es den alternativen Dieselkraftstoff HVO (Hydrotreated Vegetable Oil hydriertes Pglanzenöl) welcher neben Pflanzenölen aus Restölen und Restfetten wie gebrauchen Speiseöl z.B. mittels der NEXBTL-Technologie hergestellt wird. [Ne24]
Forschung zur ökologischen Bewertung von Biodiesel
Grundsätzlich zeigt eine in den USA an Schwerlaststraßenfahrzeugen durchgeführte Studie der US Environmental Protection Agency (EPA), dass unter Verwendung von Biodiesel nennenswerte Luftschadstoffemissionsminderungen gegenüber fossilen Kraftstoffen erzielt werden können. Dies gilt jedoch nicht für Stickoxide, deren Ausstoßrate sich bspw. im Gegensatz zur Partikel- und Kohlendioxidbelastung in Abhängigkeit des jeweils beigemischten Fettsäuremethylester-Anteils erhöht (Abbildung 1). [EPA02]
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Auch wenn eine direkte Übertragbarkeit genannter Untersuchungsergebnisse auf Schienenfahrzeuge angesichts abweichender Leistungszyklen nicht zulässig ist, zeigt die EPA-Studie doch eine ökologische Vorteilhaftigkeit vom Einsatz von Biodiesel in großvolumigen Motoren auf. Konkret auf eisenbahntechnische Belange ausgerichtete Tests legen nahe, dass emissionsbezogene Effekte mit der Zusammensetzung des biosynthetischen Kraftstoffes und dem jeweiligen Triebfahrzeug- bzw. Motorentyp stark variieren. Seitens einzelner Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) vorgenommene Praxiserprobungen kommen demzufolge zu uneinheitlichen Erkenntnissen.
Lahane and Subramian führten 2015 eine Vergleichsstudie zu den physikalischen Eigenschaften von B5, B10, B15, B20, B25, B50 und B100 durch. Dabei stellte sich heraus, dass die optimale Mischung einen Anteil von 20 % Biodiesel (für nicht modifizierte Dieselmotoren 15 %) beträgt, bevor unvorteilhafte Effekte wie erhöhte Emissionen und verminderte Leistung zu spüren sind [LAHA15].
Die Société Nationale des Chemins de fer Francais (SNCF) konstatierte nach entsprechenden Tests in Frankreich mit B20-Biodiesel (Mischverhältnis: 20 % Biodiesel und 80 % Mineralöldiesel) z. B. keine nennenswerten Emissionsvorteile, während gleichzeitig Leistungsverluste sowie ein erhöhter Treibstoffverbrauch zu verzeichnen waren. Dem entgegen stehen Untersuchungsergebnisse aus Großbritannien, welche Dieselmischungen mit einem biosynthetischen Anteil zwischen 10 % (B10) und 50% (B50) reduzierte Schadstoffausstoßwerte bescheinigen. [UIC07c, S. 33 f., 36 f.] Ähnliche Tests, durchgeführt von New Mexico Rail Runner (NMRR) in 2009 mit B20 Biodiesel, bestätigen, dass Stickstoffemissionen zwar erhöht werden, alle anderen Emissionen jedoch um 35 % niedriger ausfallen. Auch die Leistungsqualität von Biodiesel bis zu einem Mischungsverhältnis von 20 % zeigte sich wenig abweichend von konventionellem Diesel. Das bestätigen weitere Studien in Brasilien [DIN16]. Abbildung 2 visualisiert die anhand eines Triebwagenmotors generierten Messreihen.
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Ersichtlich wird, dass spätestens ab einem ausgewogenen Mischungsverhältnis von 50 % (B50) lediglich auf Seiten der Stickoxide weitere Emissionssenkungen zu erzielen sind (Diagramm Mitte links), während Partikel- und Kohlenstoffdioxidausstoß rapide ansteigen (Diagramme Mitte rechts, unten links). Darüber hinaus gehen mit zunehmendem Biodieselanteil Kraftstoffverbrauchserhöhungen sowie Traktionsleistungseinbußen einher (Diagramme oben links und rechts). In Zusammenschau mit weiteren Praxiserprobungen anderer EVU lässt sich feststellen, dass Kraftstoffgemische mit bis zu 30-prozentigen Fettsäuremethylester-Anteilen für die Traktion von Schienenfahrzeugen einen vielversprechenden Kompromiss darstellen. Einem begrenzt erhöhten NOx-Ausstoß stehen hier Emissionssenkungen hinsichtlich der übrigen bedeutenden Luftschadstoffe gegenüber, sodass global und lokal wirkende Belastungen in Summe herabgesetzt werden können. [UIC07c, S. 26]
Technische Eignung für Schienentriebfahrzeuge
Neben den in ökologischer Hinsicht erzielbaren Effekten bestimmen auch technische Gesichtspunkte darüber, ob Biodiesel die gegenwärtig in Schienenfahrzeugen mit Verbrennungsmotor überwiegend eingesetzten fossilen Kraftstoffe künftig erfolgreich und weitreichend zu ergänzen bzw. zu subsituieren vermag. Nachteile birgt vor diesem Hintergrund z. B. die geringere Energiedichte, welche es unter Beibehaltung der jeweiligen Fahrzeugreichweite erforderlich macht, ein im Vergleich zu herkömmlichem Diesel um etwa 10 % höheres Kraftstoffvolumen mitzuführen. Darüber hinaus verfügt Fettsäuremethylester über die Eigenschaft, verschiedene Kunststoffe und Gummisorten anzugreifen, wodurch u. U. Motordichtungen und Kraftstoffschläuche beschädigt werden können. [Vant11, S. 19 ff.]
Die praktische Einsetzbarkeit von Biodiesel in Form der B20-Mischung hat der größte US-amerikanische Bahnbetreiber BNSF erprobt. In der Leistung der mit Biodiesel betriebenen Lokomotiven habe es "keinen bemerkbaren Unterschied" gegeben. Probleme wurden konstatiert im Hinblick auf die Verdickung und Flockung des Treibstoffs bei Niedrigtemperaturen sowie die Beschädigung der im Motor befindlichen Filter [FAZA11].
Die Verwendung hoher Biodieselanteile setzt fahrzeugseitige Umrüstungsmaßnahmen voraus. Teilweise noch nicht erfolgte Freigaben seitens der betreffenden Motorenhersteller und insofern fehlende Gewährleistungszusicherungen halten ebenfalls einzelne EVU oftmals davon ab, auf alternative Brennstoffe zu wechseln. Des Weiteren ergibt sich auch zusätzlicher logistischer Klärungsbedarf bezüglich der Umstellung auf Biodiesel, insbesondere im Zusammenhang mit dessen Lagerung. Tankstellenseitig sind Anpassungen bezüglich der Zapfsäulen notwendig, da spezielle Mischzapfsäulen installiert werden müssen. Ferner ergeben sich ökonomische Hemmnisse, da die Produktionskosten von Biodiesel diejenigen fossiler Alternativen z. T. deutlich übersteigen. [Ceci08, S. 7 ff.]
Der Internationale Eisenbahnverband Union Internationale des Chemins de fer (UIC) fasst das Für und Wider eines Biodieseleinsatzes im Schienenverkehr wie folgt in tabellarischer Form zusammen (Tabelle 1):
Tabelle 1: Vor- und Nachteile von Biodiesel (eigene Darstellung nach [ATAB12])
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Fallbeispiele eines Biodieseleinsatzes im Schienenverkehr
Im Sommer 2007 hat das durch die britische Virgin Rail Group Holdings Ltd gemanagte EVU Virgin Trains einen ersten Pilotversuch gestartet, seine kommerziell eingesetzten Züge mit 20 % Biodiesel-Beimischung zu betreiben. Sollte entsprechender Test positiv verlaufen, ist beabsichtigt, die komplette Voyager-Fernverkehrsfahrzeugflotte des Unternehmens auf B20-Kraftstoff umzurüsten. Verbunden hiermit erhebt Virgin Trains allerdings die Forderung nach einer Senkung nationaler Biodieselsteuersätze[ERNS08].
Die Prignitzer Eisenbahn GmbH (ehem. Prignitzer Lokomotiv- und Waggonbau GmbH) betrieb ihre RegioShuttle-Triebwagen in den Jahren 2004-2009 mit Biodiesel, nachdem vorher mit Pflanzenöl experimentiert wurde [BIOB06].
Darüber hinaus werden u. a. folgende Schienenverkehrsangebote mittels biodieselbetriebener Fahrzeuge erbracht:
- SNCF (Frankreich): Einsatz von TER-Regionalexpresszügen unter Verwendung von B30-Kraftstoff [UIC07c]
- Indian Railways (Indien): Betrieb diverser Dieseltriebfahrzeuge mit B05 und B10 [Kath07, S. 27]
- New Mexiko Rail Runner Express (USA): Ausschließliche Verwendung von B20 für sämtliche Lokomotiven des betreffenden Schienenpersonennahverkehrsangebotes seit 2006 [DIN16]Adelaide Metro (Queensland, Australien): B05-Einsatz in allen Fahrzeugen seit März 2005, eine Erhöhung des Fettsäuremethylester-Anteils auf 20 % wird angestrebt [UIC07c, S. 38]
- Amtrak Heartland Flyer (Oklahoma / Texas, USA): Verwendung von tierfettbasiertem B20-Kraftstoff für die zwischen Oklahoma City und Fort Worth verkehrenden Fernverkehrszüge [AMTR10]
- Seit 2014 bis 2015 setzt Indian Railway darauf 5% ihres gesamten Dieselverbrauchs mit Biodiesel zu ersetzen. [ATAB12]
- Die Dortmunder Eisenbahn GmbH hat im August 2022 einen Test begonnen, in dem sie 30.000 Liter Biodiesel tankt. [LoHe22]