Akteure im Bereich von Schienenverkehrsangeboten
Erstellt am: 23.02.2011 | Stand des Wissens: 28.02.2024
Ansprechperson
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Auf gesetzgeberischer Seite erweist sich insbesondere die Europäische Union als bedeutender Treiber ökologischer Zielstellungen im Schienenverkehr. Mit Verabschiedung der Richtlinie 2009/30/EG [UBA04d; UBA07h; EUKOM12c; DuMü13] im Dezember 1997, welche eine "Bekämpfung der Emission von gasförmigen Schadstoffen und Luft verunreinigenden Partikeln aus Verbrennungsmotoren für mobile Maschinen und Geräte" verfolgt, wurden rechtsverbindliche Grundlagen zur Limitierung der durch Dieseltriebfahrzeuge verursachten Abgase beschlossen. Neben einer Beschränkung des Rußpartikelausstoßes legt die genannte Richtlinie EU-weit gültige Grenzwerte für lokal anfallende Stickstoff-, Kohlenstoff- und Kohlenwasserstoffemissionen fest. Hierbei regulieren die EU-Abgasnormen den Ausstoß von Schadstoffen, welche die menschliche Gesundheit negative beeinträchtigen kann wie z.B. Kohlenstoffmonoxid und Stickoxide. Kohlenstoffdioxid-Emissionen hingegen werden von der Europäischen Kommission für Klimapolitik reguliert. Die EU-seitig formulierten Abgasgrenzwerte haben innerhalb des vergangenen Jahrzehnts zu einer deutlichen Reduktion der durch Dieseltriebfahrzeuge induzierten Schadstoffausstöße beigetragen, da eine neu einzuführende Emissionsstufe meist mit einer deutlichen Verschärfung der Grenzwerte gegenüber der vorhergehenden Stufe einherging [UBA04d; UBA07h; EUKOM12c; DuMü13]. Anders als bei der Straßenverkehrsflotte wird beim Schienenverkehr keine Emissionsgrenzwerte festgeschrieben, sondern Emissionsreduzierungsziele. Hierbei fordert Richtlinie 2009/30/EC die Reduzierung aller Treibhausgasemissionen vom Schienenverkehr um sechs Prozent bis zum Jahre 2020 (Vergleichsjahr 2010) für alle Zugmaschinen die mit fossilen Brennstoffen wie z.B. Diesel angetrieben werden [EUPA15]. Im Jahr 2010 wurden in der EU 5.2 MtCO2 durch den Schienenverkehr verursacht. Im Jahr 2021 waren es 3.6 MtCO2. [Stat24a]
Mit Blick auf eine verbesserte Energieeffizienz sowie eine Schadstoffemissionssenkung des Verkehrssektors verfolgt die Bundesregierung im Wesentlichen zwei für Eisenbahnunternehmen relevante Strategien. Zum einen findet die erwähnte EU-Richtlinie 97/68/EG mit der 28. Bundesimmissionsschutzverordnung in der Bundesrepublik Deutschland ihre nationale Umsetzung und bindet somit Industrie-, Infrastruktur- sowie Verkehrsgesellschaften an die darin festgeschriebenen Grenzwerte [28. BImSchV]. Zum anderen soll die Rolle der Schiene im intermodalen Wettbewerb mit den übrigen Verkehrsträgern gestärkt werden, um bestehende Effizienzvorteile der Eisenbahn sowohl im Gütertransport als auch bei der Personenbeförderung umfassender zur Geltung zu bringen [BMVBS10i; DBAG15b]. Im Rahmen einer vor diesem Hintergrund ebenfalls angestrebten Auslastungssteigerung würde die schienenverkehrsseitige Energiebilanz unmittelbar beeinflusst.
Steigende Anforderungen an den Schadstoffausstoß von Dieseltriebfahrzeugen sowie den energetischen Wirkungsgrad des eingesetzten Rollmaterials erzeugen primär auf Herstellerseite (oder in der Fahrzeugindustrie) einen erhöhten Innovations- und Optimierungsbedarf. Um die politisch jeweils vorgegebenen Emissionsstufen einhalten zu können, wurden dementsprechend zahlreiche technische Maßnahmen umgesetzt. Innermotorische Modifikationen, Abgasnachbehandlungssysteme und Leichtbaukonzepte trugen unter anderem dazu bei, in den Jahren 2000 bis 2012 sowohl fahrzeugseitige Kohlenstoffdioxid-Emissionen als auch den spezifischen Energieverbrauch um circa 30 Prozent zu reduzieren, und zwar sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr der Deutschen Bahn (DB) [IFEU13i; IFEU13e; IFEU13k; IFEU13b]. Das Ziel der DB, Kohlenstoffdioxid-Emissionen durch eine Reduktion des Energieverbrauchs bis 2014 um 20 Prozent verglichen mit dem Jahr 2006 zu verringern, wurde bereits vor 2014 erreicht [DBAG15b]. Auch auf Basis von Maßnahmen zur Verlängerung der Lebensdauer der Produktionsmittel sowie der Integration von Recyclingmaterialien werden derzeit Bemühungen realisiert, um die Material- und Ressourceneffizienz zu steigern [Müll09; DBAG15b].Auf europäischer Ebene engagieren sich die Fahrzeughersteller unter anderem im Rahmen ökologieorientierter Forschungsprojekte. Mit "Railenergy" verweist die Union of European Railway Industries (UNIFE) z.B. auf ein multinationales Vorhaben, welches sämtliche Komponenten des Verkehrssystems - vom Fahrzeug über den Betrieb bis hin zur Infrastruktur - auf rentabel umsetzbare Maßnahmen zu einer substanziellen Energieverbrauchssenkung hin untersuchte. Mit dem vom September 2006 bis August 2010 laufendem Projekt wurde ein Konzept erarbeitet, welches sowohl technische als auch organisatorische und Managementaspekte umfasst, sollen allein auf Herstellerseite Einspareffekte in Höhe von sechs Prozent des gegenwärtig im Eisenbahnsektor anfallenden Gesamtenergiebedarfes erzielt werden. Des Weiteren widmete sich die UNIFE als Koordinator des EU-seitig kofinanzierten Projekts "Clean European Rail-Diesel (CleanER-D)" der Entwicklung und Verbesserung von schadstoffemissionsmindernden Techniken für unterschiedliche Dieseltriebfahrzeugklassen. Hierbei war in erster Linie beabsichtigt, Wege aufzuzeigen, die eine Ausstoßsenkung über das mittelfristig vorgesehene gesetzliche Maß hinaus ermöglichen. Explizit schließt dies unter anderem eine detaillierte Evaluierung möglicher Hybridlösungen ein [Neue Quelle [SAND11]; SaPa13]. Seit der United Nations Conference on Climate Change 2015 in Paris versorgt die UNIFE außerdem die in 2014 von der EU verabschiedete Initiative Shift2Rail mit Informationen und anderen Hilfestellungen. Sie beaufsichtigt unter anderem Themen des Energiemanagements und arbeitet mit bei relevanten Forschungsarbeiten der EU-Projekten MERLIN (Sustainable and intelligent Management of Energy for smarter RaiLway systems in Europe: an Integrated optimisation approach) und OSIRIS (Optimal Strategy to Innovate and Reduce energy consumption In urban rail Systems) [UNIFE15].
Abgesehen von den auf Firmenebene bestehenden Aktivitäten zeichnen sich auch die mit einer Interessensvertretung nationaler sowie internationaler Industrie-, Verkehrs- und Infrastrukturunternehmen betrauten Organisationen für ökologische Initiativen verantwortlich. So stellt beispielsweise die Union Internationale des Chemins de fer (UIC, Deutscher Internationaler Eisenbahnverband) eine über das Internet erreichbare Datenbank zur Verfügung, in welcher die auf Energieeffizienz und Schadstoffemissionsreduktion ausgerichteten Fahrzeugtechnologien hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit bewertet werden [CER16a]. Demgegenüber zeigt der Verband der Bahnindustrie in Deutschland e.V. den zukünftigen Forschungsbedarf für Diesel- und Elektro- und Hybridantriebssysteme auf, indem er vielversprechende antriebstechnische Innovationen hinsichtlich ihres Potenzials für eine kurz- bis mittelfristig realisierbare Anwendungsreife im Bahnsektor kommentiert. Die Anstrengungen richten sich auch auf den Export deutscher Bahntechnologien, um so weltweit Umwelt- und Klimaschutz zu leisten [VBD12].Bestrebungen, die stets propagierte ökologische Vorteilhaftigkeit des Systems Bahn auch künftig gewährleisten zu können, werden darüber hinaus anhand der Aktivitäten der Eisenbahnverkehrsunternehmen und Eisenbahninfrastrukturunternehmen deutlich. In den vergangenen Jahrzehnten konnte beispielsweise der Deutsche Bahn AG sowohl den spezifischen Kohlenstoffdioxid-Ausstoß als auch die verkehrsleistungsbezogenen Primärenergieverbräuche seiner Schienentriebfahrzeuge umfassend reduzieren. Die ebenfalls zum DB-Konzern gehörende DB Energie GmbH bemüht sich derweil um eine weitere Erhöhung des Anteils regenerativer Energien am deutschen Bahntraktionsstrommix, welcher 2022 bei 65,2 Prozent lag [DB23c, S. 68; CER16a]. Das Angebot, mit 100% Ökostrom zu fahren, besteht mittlerweile nicht mehr nur für BahnCard-Kunden, sondern auch für reguläre Passagiere [DBNB13; DBAG15b]. Auch ausländische Netzbetreiber streben eine verstärkte Nutzung erneuerbarer Energiequellen an. Beispielhaft sei vor genanntem Hintergrund der belgische Infrastrukturbetreiber Infrabel S.A. erwähnt, welcher seit dem 24.Oktober 2015 zwischen Lüttich und Löwen betriebene Hochgeschwindigkeitsangebote aus streckenseitig installierten Windkraftanlagen speist [INF15]. Durch entsprechende Elektrotraktionsleistungen hervorgerufene Kohlendioxid-Emissionen können auf diese Weise im Endeffekt gänzlich vermieden werden.
Nicht zuletzt können auch öffentliche Aufgabenträger im Schienenpersonennahverkehr Einfluss auf die ökologische Entwicklung im Eisenbahnverkehr ausüben. Die Aufgabenträger, als Besteller und meist auch Finanziers der Verkehre, können in den (europaweiten) Ausschreibungsverfahren sowie den Verkehrsverträgen mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen relativ detaillierte Vorgaben zu Energieeinsparungen und Schadstoffemissionsreduktionen integrieren. Die öffentlichen Aufgabenträger können beispielsweise in den Vergabeprozessen einen maximalen Energieverbrauch zwingend vorschreiben und somit die Eisenbahnverkehrsunternehmen zur Ausnutzung der Einsparpotenziale anregen und somit die Nachfrage nach energieeffizienteren Fahrzeugen steigern. Im Rahmen des EU-Projekts "ECORailS" wurde ein Leitfaden mit empfohlenen Kriterien sowie rechtssicheren Textbausteinen zur Verwendung in Schienenpersonennahverkehr-Ausschreibungen entwickelt und im Entwurf in vier europäischen Regionen getestet [ECOR11].