Der Einsatz von Brennstoffzellen im Schienenverkehr
Erstellt am: 22.02.2011 | Stand des Wissens: 29.02.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Nachdem die Brennstoffzelle nicht nur in den Anwendungsgebieten Raumfahrt und Militär sondern auch im Straßenverkehr Einsatz gefunden hat, wird zunehmend auch über die Nutzung im Schienenverkehr diskutiert. Insbesondere Japan, aber auch Dänemark, Deutschland und die USA widmen sich intensiv dem Forschungsthema Wasserstoffzug (vergleiche hierzu beispielsweise [YaFu10]).
Das größte Problem bei der konventionellen Herstellung von Wasserstoff ist bisher die vergleichsweise schlechte Umweltbilanz der Wasserstoffproduktion. Für jede Tonne Wasserstoff werden in fossilen Verbrennungsvorgängen zur Energieerzeugung zwischen 2,5 und 5 t Kohlenstoffdioxid freigesetzt. Alternative Herstellungsarten, die erneuerbare Energiequellen nutzen, weisen dagegen in der Vergangenheit eine schlechtere Energiebilanz auf. Folglich war Wasserstoff keine echte Alternative. In der Zwischenzeit wurden hier jedoch Fortschritte bei der Entwicklung erzielt. Die Biomassegasifizierung ist ein Verfahren, mit dem vergleichsweise günstig Wasserstoff aus erneuerbaren Energien gewonnen werden kann. Vor allem die superkritische Wassergasifizierung (supercritical water gasification = SCWG) ist energieeffiziente Alternative zu konventionellen Verfahren. Dabei wird Wasserstoff unter sehr hohem Druck aus Biomasse produziert. Und anders als bei herkömmlichen Gasifizierungsprozessen muss keine Energie für die Trocknung des Biomaterials eingesetzt werden. Bis zu 51 Prozent Feuchtigkeit ist in diesem Prozess akzeptabel. Auch die Menge an Teer und Ascheproduktion erweist sich als sehr niedrig [HOSS16].
Das Problem der zu geringen Lebensdauer im Vergleich zu bestehenden Antriebslösungen, ein wesentlicher Nachteil der bisher produzierten Brennstoffzellen, wurde mittlerweile überwunden: Eine in Großbritannien entwickelte Brennstoffzelle erreichte in Tests eine Betriebszeit von 5.000 Stunden für transportabler und 40.000 Stunden für stationäre [DOE17]. Der Einsatz von Wasserstoff im Schienenverkehr wird vor allem aus folgenden Gründen verfolgt:
- Zur Erreichung der Klimaschutzziele ist die Nutzung erneuerbarer Energieträger unerlässlich. Durch den Einsatz regenerativer Kraftstoffe wie Wasserstoff aus erneuerbaren Energien können konventionelle Kraftstoffe ersetzt werden. Damit wird es möglich auch Anwendungen im Verkehr- und Wärmesektor sowie in der Industrie zu dekarbonisieren, für die eine direkte Nutzung von Strom nicht möglich ist, und ein gasförmiger oder flüssiger Energieträger benötigt wird [UWBA16].
- Bei hohen Anteilen regenerativer Stromerzeugung ist es möglich, dass sich der Einsatz von Langfristspeichern rentiert, mit denen Energie über mehrere Wochen gespeichert und bei Bedarf rückverstromt werden kann. "Die Implementierung großer Wasserstoffgeneratoren als steuerbare Verbraucher und die Rückwandlung über Brennstoffzellen ist dabei eine sehr effiziente und vor allem saubere Form regenerativer Energienutzung" [ScKl05, S. 566].
- Andererseits ergibt sich eine Marktlücke auf bestimmten Einsatzfeldern. So lohnt sich die Elektrifizierung von langen Streckenästen mit geringem Verkehrsaufkommen nicht. Diese werden bislang mittels Dieseltraktion bedient. In sensiblen Gebieten könnte die Brennstoffzelle als lokal emissionsfreies Antriebssystem eine sinnvolle Alternative darstellen. Zudem könnte sie die Oberleitung dort überflüssig machen, wo sie als besonders störend empfunden wird. Denkbar wäre dabei auch ein Einsatz als Baustein einer Hybridlösung
Viele große europäische Eisenbahnverkehrsunternehmen (z.B. SNCF, SJ) verfolgten die Forschung zur Brennstoffzellennutzung im Schienenverkehr schon Anfang dieses Jahrhunderts [NBN15].
In China wurde 2013 im Rahmen eines Innovationsprojekts nach sechsjähriger Entwicklungszeit die erste Brennstoffzellenlokomotive Chinas öffentlich vorgestellt. Die Rangierlokomotive soll eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h erreichen können und über eine Traktionsleistung von 2 x 120 kW verfügen. Die Leistungsparameter des Antriebs liegen zwar unterhalb des Standards der Aggregate heutiger Rangierlokomotiven, dennoch punktet das entwickelte Triebfahrzeug als "zero carbon vehicle" mit erheblichen ökologischen Vorteilen [Chen13; Chen13a].
Auch in Deutschland wurden Forschungs- und Demonstrationsprojekte umgesetzt. Der mit Wasserstoff betriebene Pasagierzug CORADIA iLint von dem französischen Hersteller Alstrom wird seit Dezember 2017 zwischen Buxtehude und Cuxhaven eingesetzt. Auf einer Strecke von circa 60 km kann der Zug auf bis zu 140 km/h beschleunigen [OSUL16].
Abb. 2: Aufbau eines Alstom Coradia iLint Wasserstoffzuges [ALST16] (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
Im Jahre 2015 wurden weitere zwei Wasserstoffschienenprojekte fertiggestellt unter anderem eine wasserstoffbetriebene Straßenbahn auf dem niederländischen Karibik-Inselstaat Aruba und ein 380-Personenzug in Quingdao, China. Außerdem arbeitet Dubai an einem Projekt für eine Wasserstoff betriebene Straßenbahn, welche zwischen Burj Khalifa und Dubai Mall fahren soll [WAHN15; FAN15].Mittlerweile werden in einigen Projekten Wasserstoffantriebe gefördert.