Verkehrsberuhigte Bereiche
Erstellt am: 17.02.2011 | Stand des Wissens: 06.12.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Verkehrsberuhigte Bereiche, umgangssprachlich auch Spielstraßen genannt, stellen eine Sonderform von Fußgängerverkehrsanlagen dar. Sie werden bevorzugt in Innenstadtnähe angeordnet und sind speziell auf die Bedürfnisse von Fußgängern ausgelegt. Seit dem Jahr 1977 wurden erste Modellprojekte realisiert, 1980 erfolgte die offizielle Einführung in die StVO.
Mit der Anlage von verkehrsberuhigten Bereichen werden folgende Ziele verfolgt [Höfl04; FGSV02c; FUSS08a, FUSS17;]:
Mit der Anlage von verkehrsberuhigten Bereichen werden folgende Ziele verfolgt [Höfl04; FGSV02c; FUSS08a, FUSS17;]:
- Verbesserung der Aufenthaltsqualität,
- Verkehrsberuhigung (Geschwindigkeitsdämpfung, Verminderung von Durchgangsverkehren),
- Erhöhung der Verkehrssicherheit (aufgrund geringer Geschwindigkeiten, geringer Verkehrsstärken und einer erhöhten Aufmerksamkeit aller Verkehrsteilnehmer) und
- Reduktion von Emissionen des motorisierten Verkehrs (Abgase, Lärm).
Die Einrichtung eines Verkehrsberuhigten Bereiches als punktuelle Querungshilfe, beispielsweise an einer Kreuzung, kommt nicht infrage [FGSV02c]. Die Anlage von verkehrsberuhigten Bereichen ist unabhängig von der Umfeldnutzung. Sowohl Wohngebiete, als auch Geschäftsbereiche oder historisch und touristisch wertvolle Stadtteile bieten sich dafür an [Höfl04; VwV-StVO].
In verkehrsberuhigten Bereichen werden Fußgängern besondere Rechte eingeräumt, andere Verkehrsarten sind grundsätzlich zugelassen. Fahrzeuge, die diese Bereiche durchfahren, müssen Schrittgeschwindigkeit (vier bis sieben Kilometer pro Stunde) fahren und das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme im besonderen Maße beachten.
Generell sind Straßen, Straßenabschnitte und Gebiete geeignet, in denen die Aufenthaltsfunktion im Vordergrund steht und der Fahrzeugverkehr eine untergeordnete Rolle einnimmt. Es ist möglich, einen solchen Bereich in eine Tempo 30-Zone zu integrieren. [FGSV02c; StVO]; VwV-StVO]
Der Beginn eines Verkehrsberuhigten Bereiches wird mit dem Zeichen Z 325.1 (linkes Bild von Abbildung 1) gekennzeichnet. Der betreffende Bereich sollte jedoch nicht nur durch Beschilderung ausgewiesen sein, sondern auch durch seine Gestaltung den Eindruck erwecken, dass es sich vornehmlich um eine Aufenthaltszone mit geringen Fahrzeugverkehrsaufkommen handelt (geschwindigkeitsdämpfende Maßnahmen, Möblierung, Bepflanzung). Es sollte somit eine Einheit von Bau und Betrieb erkennbar sein, was vor allem durch einen niveaugleichen Ausbau (keine oder niedrige Borde) des gesamten Straßenkörpers erreicht wird. Mit Zeichen Z 325.2 endet der verkehrsberuhigte Bereich (siehe rechtes Bild von Abbildung 2) [VwV-StVO].
Praxisbeispiele für verkehrsberuhigte Bereiche, die auf Straßen mit höherer Verkehrsbedeutung angeordnet wurden, sind der Domplatz in Speyer, der Opernplatz in Duisburg, sowie der Roermonder Platz in Kevelaer. In begleitenden Analysen der genannten Beispiele zeigte sich, dass die Einrichtung verkehrsberuhigter Bereiche auch in zentralen Quartieren mit teilweise erhöhtem Fahrzeugaufkommen ein Mittel sein kann, den Stadtraum aufzuwerten und linienhafte Querungsmöglichkeiten für den Fußverkehr zu schaffen. Bei der Einrichtung derartiger verkehrsberuhigter Bereiche sollten einige wichtige Randbedingungen erfüllt sein. Dazu gehören:
- eine gewisse Zentralität des Bereiches im Fußwegenetz,
- gute Sichtbeziehungen,
- klare und verständliche Verkehrsregelungen für die Autofahrer, Berücksichtigung der Belange verschiedener Personengruppen (beispielsweise Barrierefreiheit) und
- Unterstützung der Umgestaltung durch Öffentlichkeitsarbeit [FUSS12a].
Neben der ursprünglichen Ausführungsform, die sich am Prinzip der Mischflächen orientierte, hat sich in der Praxis eine optische Flächenzuweisung, beispielsweise durch unterschiedliche Oberflächenbeläge bewährt. Besonders eignet sich die "weiche Trennung", wenn keine flächenhafte sondern eine lineare Charakteristik der Straßenräume erwünscht oder historisch zu erhalten ist, wie in Gründerzeitvierteln oder in barocken Stadtbereichen (Abbildung 2) [Höfl04]. Das Trennungsprinzip wird mit nur drei Zentimetern hohen Borden abgeschwächt, visuell aber beibehalten.
Verwandte Konzepte von Verkehrsberuhigten Bereichen sind Wohnstraßen (Österreich), Begegnungszonen (Schweiz), Wonerf (Niederlande) sowie der Shared Space. Mit den städtischen Herausforderungen hinsichtlich Luftreinhaltung, Lärmreduzierung und Stauvermeidung sowie dem Anspruch der Förderung umweltfreundlicher Verkehrsarten, rücken diese Konzepte wieder verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit [FUSS08a, FUSS17]. Verkehrsberuhigte Bereiche spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle.