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Rechtliche Rahmenbedingungen für IVS

Erstellt am: 16.01.2011 | Stand des Wissens: 18.09.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Bauhaus-Universität Weimar, Professur Verkehrssystemplanung, Prof. Dr.-Ing. Plank-Wiedenbeck

Die Nutzung von intelligenten Verkehrssystemen (IVS, englisch: ITS) geht mit der Anwendung von hochentwickelten Informations- und Kommunikationstechnologien einher, die in rechtlichen Regelwerken festgeschrieben sind.

Auf europäischer Ebene ist dabei die Richtline 2010/40/EU zum Rahmen für die Einführung intelligenter Verkehrssysteme im Straßenverkehr und für deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern [EU 2010/40] zu nennen, mittels derer die Europäische Union die europaweite Einführung von IVS koordiniert [MLV19]. Sie versucht, gegebenenfalls durch die Erlassung technischer Spezifikationen, dem Ziel der Kompatibilität und Interoperabilität von IVS näher zu kommen [MLV19]
Die Delegierte Verordnung (EU) 886/2013 [EU 886/2013] als Ergänzung zur genannten Richtlinie konkretisiert technische und inhaltliche Anforderungen für sicherheitsrelevante Informationen im Straßenverkehr [MLV19].
Die Delegierte Verordnung (EU) 2015/962 [EU 2015/962] definiert als Erweiterung der europäischen Richtlinie Details bezüglich der Zugänglichkeit, des Austauschs, der Weiterverwendung und der Aktualisierung von Verkehrsdaten für einen europäischen Echtzeit-Verkehrsinformationsdienst [MLV19]. Diese Delegation verpflichtet zudem alle europäischen Mitgliedsstaaten zur Einrichtung einer digitalen Schnittstelle als Zugangspunkt für verschiedene verkehrsrelevanten Daten [MLV19].
Die Delegierte Verordnung (EU) 2017/1926 [EU 2017/1926] beschreibt die Spezifikationen, die für die Gewährleistung einer mitgliedsstaatenübergreifenden Verfügbarkeit von EU-weiten multimodalen Reiseinformationsdiensten für IVS-Nutzer*innen [MLV19, S. 11] notwendig sind [MLV19].

Außerdem verfasste die Europäische Kommission den Aktionsplan zur Einführung intelligenter Verkehrssysteme in Europa [KOM(2008)886], der auf eine schnelle und übergreifende Einführung von IVS im Straßenverkehr abzielt [MLV19]. Eine detailliertere Ausführung des Aktionsplans findet sich im dazugehörigen Synthesebericht.
Zusätzlich verfasste die EU im Jahr 2016 die Strategie für Kooperative Intelligente Verkehrssysteme [EuKo16d], ein Dokument, das die Grundlagen für eine kooperative, vernetzte und automatisierte Mobilität äußert [MLV19].

Auf Bundesebene stellt der im Jahr 2012 veröffentlichte IVS-Aktionsplan Straße [Bmvb12a] ein Grundlagenpapier dar, das unter anderem Maßnahmen zur Weiterentwicklung und Einführung intelligenter Verkehrssysteme definiert. Diese umfassten den Zeitraum bis 2020, sodass sich der Aktionsplan aktuell in einer Überarbeitungsphase befindet [MLV19].
Das Gesetz über Intelligente Verkehrssysteme im Straßenverkehr und deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern (IVSG) [IVSG13] setzt dabei die bereits zu Beginn erwähnte Richtline 2010/40/EU in nationales Recht um, die ebenfalls als Grundlage für den IVS-Aktionsplan Straße zählt.

Des Weiteren sind bei der Umsetzung von Regelungen bezüglich der IVS weitere rechtliche Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, die vor allem Kompetenzen, den Datenschutz und das Dateneigentum regeln. Im Telemediengesetz [TMG] sind allgemeine gesetzliche Vorschriften für Multimedia-Dienste beinhaltet. Diese gehen weit über den Verkehrsbereich hinaus. Der Datenschutz im Telematikeinsatz gilt entsprechend der allgemeinen Bestimmungen im Bundesdatenschutzgesetz [BDSG] sowie in Teil 7 des Telekommunikationsgesetzes des Bundes [TKG].
Speziell Datenerhebungsmethoden für die Gewinnung von Verkehrsinformationen sind hinsichtlich der individuellen Persönlichkeitsrechte kritisch zu beachten. Trotzdem ist die erfolgreiche Umsetzung und Vernetzung von IVS ohne die Verarbeitung von personenbezogenen Daten nicht realistisch. Bereits 2006 wurde im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums der Leitfaden Verkehrstelematik erstellt, der Planungsträgern in Kommunen und Kreisen Informationen zur Verfügung stellen soll, aufgrund derer Entscheidungen über einen zweckmäßigeren Einsatz von IVS getroffen werden können [BMVBS06h].
Obwohl sich größtenteils geeignet wurde, dass IVS die allgemeine Verkehrssicherheit erhöhen, können die durch IVS neu entstehenden Mensch-Maschine-Schnittstellen sicherheitstechnische Herausforderung darstellen [PLSy19, S. 27]. Denn diese Schnittstellen (zum Beispiel Assistenzsysteme im Fahrzeug) können einerseits die Aufmerksamkeit der Bedienenden für das Umfeld senken als auch grundsätzlich ablenken. [PLSy19]

Für kollektive Telematik-Systeme stellen unter anderem das Straßenverkehrsgesetz (Kostentragung für Beschaffung, Installation, Unterhaltung und Betrieb amtlicher Verkehrszeichen und Einrichtungen) [StVG], die Straßenverkehrsordnung (behördliche Maßnahmen zur Lenkung und Steuerung des Verkehrs) [StVO] und die Rahmenrichtlinie für den Verkehrswarndienst einen weiteren rechtlichen Rahmen dar. [Rieg11 , S. 4]
Zudem sind in Bezug auf Informations- und Kommunikations (IuK)-basierte Informationsdienstleistungen im öffentlichen Verkehr sind die Eigentums-, Nutzungs- und Urheberrechte an Verkehrsdaten von Interesse. Für den Austausch von Daten zwischen den verschiedenen Akteuren am Verkehrsmarkt sind in Bezug auf die Frage, wem die Daten gehören, wann und in welchem Umfang Werk- und /oder Herstellerschutz entsteht der § 2 Absatz 1 Nummer 1, § 4 Absatz 2 und § 87a ff des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte [UrhG] von hoher Relevanz. [BMVBS10mb, S. 46]
Ansprechpartner
Bauhaus-Universität Weimar, Professur Verkehrssystemplanung, Prof. Dr.-Ing. Plank-Wiedenbeck
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Einsatz von Iuk-Systemen zur Sicherstellung der individuellen Mobilität (Stand des Wissens: 17.10.2019)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?388426
Verkehrstelematik (Stand des Wissens: 21.08.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?340318
Literatur
[BMVBS06h] Wolfermann,Axel, Dipl.-Ing. , Schäfer, Petra K., Dr.-Ing., Boltze, Manfred, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Leitfaden Verkehrstelematik - Hinweise zur Planung und Nutzung in Kommunen und Kreisen, 2006/10
[BMVBS10mb] Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Gennaro, Marco Felice (Projektleiter) Eigentums- und Nutzungsrechte im öffentlichen Verkehr - Abschlussbericht, 2010/11/26
[EuKo16d] Europäische Kommission, Europäische Kommission (Hrsg.) Europäische Strategie für Kooperative Intelligente Verkehrssysteme, 2016/11/30
[KOM(2008)886] Europäische Kommission, Europäische Kommission (Hrsg.) Aktionsplan zur Einführung intelligenter Verkehrssysteme in Europa, 2008/12/16
[MLV19] Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt (Hrsg.) IVS-Rahmenplan Sachsen-Anhalt (Neuauflage), 2019/05/02
[PLSy19] Plattform Lernende Systeme (Hrsg.) Auf dem Weg zu einem intelligenten Mobilitätsraum - Handlungsfelder, Chancen und Herausforderungen, 2019/06
[Rieg11 ] Hessisches Landesamt für Strassen- und Verkehrswesen, Gerd Riegelhuth Organisatorischer und rechtlicher Rahmen zum Betrieb von Telematik, 2011/12/01
Rechtsvorschriften
[BDSG] Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)
[EU 2010/40] EU-Richtlinie 2010/40/EU zum Rahmen für die Einführung intelligenter Verkehrssysteme im Straßenverkehr und für deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern
[EU 2015/962] Delegierte Verordnung (EU) 2015/962
[EU 2017/1926] Delegierte Verordnung (EU) 2017/1926
[EU 886/2013] Delegierte Verordnung (EU) 886/2013
[StVG] Straßenverkehrsgesetz (StVG)
[StVO] Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)
[TMG] Telemediengesetz
[UrhG] Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte
Glossar
Telematik Der Begriff Telematik ist aus den Worten Telekommunikation und Informatik zusammengesetzt und bezeichnet Technologien, die Datenverarbeitung und Nachrichtentechnik miteinander verknüpfen.
ITS Intelligent Transportation Systems (ITS) ist der Oberbegriff für Transportsysteme, die Informations- und Kommunikationstechnologie zur Unterstützung des Betriebes einsetzen. ITS-Funktionen unterstützen den Fahrer eines Transportmittels, sie sind damit deutlich von automatischen Transportsystemen zu differenzieren, die auf einen fahrerlosen Betrieb abstellen. Die wichtigsten neuen und zum Teil noch in Entwicklung befindlichen Anwendungsfelder zielen auf (1) Verkehrs- und Transportmanagement (Verkehrsinformationen, Verkehrslenkung, Verkehrs- und Parkleitsysteme, automatische Unfallmeldungen, Meldesysteme zum Gefahrgutmonitoring); (2) Elektronische Systeme zur Gebührenerhebung; (3) Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (dynamische Fahrgastinformationen, Reservierung, spezifische Informationssysteme für Fahrradfahrer und Fußgänger, Steuerung individueller öffentlicher Verkehrsmittel); (4) Systeme zur Unterstützung der Fahrzeugsicherheit (Kollisionsdetektoren, Sektorisierung von Verkehrswegen).

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?339552

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 08:06:54