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Politische Aktivitäten

Erstellt am: 10.01.2011 | Stand des Wissens: 18.09.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Der Ostseeraum war in der Vergangenheit durch zahlreiche, oft auch kriegerische Auseinandersetzungen, um die Vorherrschaft gekennzeichnet. Zugleich bot die Ostsee aber auch immer einen bequemen Verkehrsweg für den internationalen Austausch und vielfältige internationale Beziehungen. Darauf bauten besonders in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte Formen der regionalen Zusammenarbeit auf. Vorreiter waren dabei die nordischen Länder, die eine intensive Zusammenarbeit auf den verschiedensten Ebenen entwickelten. Umfassende regionale Zusammenarbeit war unter den Bedingungen der Systemkonfrontation nicht möglich, sie beschränkte sich auf Felder, bei denen beide Seiten Handlungsdruck spürten, wie beim maritimen Umweltschutz.
Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der marktwirtschaftlichen Umgestaltung des ehemaligen Ostblocks endete die Systemkonfrontation im Ostseeraum. Mit der Aufnahme Polens und der baltischen Länder in die EU ist von den neun Ostseeanrainerländern nur Russland nicht Mitglied. Somit gewann der Ostseeraum in der EU ein neues Gewicht. Damit ergaben sich günstige Bedingungen für eine intensive regionale Zusammenarbeit und eine aktive Rolle der EU. Als ein Hemmnis für eine solche Entwicklung der Region wurde vielfach das Fehlen einer Ostseeidentität benannt, während eine nordische und eine baltische Identität als gegeben betrachtet werden. Ursachen werden in der stark politisch geprägten Zusammenarbeit im Ostseeraum und dem Mangel an sozialer Kommunikation gesehen [Jan10, S.344, Ros10, S.270].

Der Ostseeraum als europäische Region zeichnet sich einerseits durch eine hohe wirtschaftliche Dynamik aus, andererseits bestehen große Unterschiede in den erreichten Wohlstandsniveaus der Länder fort und haben sich in der Folge der Wirtschaftskrise 2008/09 teilweise noch verschärft. Geeignete Politiken zur Beschleunigung der Konvergenz sind daher ein Schwerpunkt der regionalen Kooperation. Die EU-Kommission hat im Juni 2009 eine auf polnische und schwedische Initiative zurückgehende Mitteilung über eine EU-Ostseestrategie (EU Strategy for the Baltic Sea Region) [EuKom09g] einschließlich eines Aktionsplans vorgelegt, die am 29./30.10.2009 vom Europäischen Rat angenommen wurde. Ziel ist es, die Entwicklung der Region mit einem integrierten Ansatz zu unterstützen, indem die Aktivitäten der Akteure auf den unterschiedlichen Ebenen zusammengeführt, aufeinander abgestimmt und optimiert werden. Damit wird in der EU erstmalig eine solch umfassende Strategie für eine Makroregion entwickelt. Zusätzliche Finanzmittel, neue Rechtsvorschriften oder der Aufbau weiterer Strukturen sind nicht vorgesehen. Vielmehr sollen vorhandene Strukturen, Steuerungsinstrumente und Investitionsmittel effizienter genutzt werden. Dieser Aktionsplan wird auf den jährlichen Strategieforen stetig aktualisiert. Neben Umweltschutz und Förderung der Wirtschaftskraft ist die Anbindung der Region ein Schwerpunkt [EUSBSR19]. 
Angesichts der politischen und wirtschaftlichen Bedeutung gesunder Beziehungen zwischen Russland und der EU für beide Seiten wurde am 24.11.2006 in Helsinki von den Präsidenten Russlands, des Rats und der Kommission der EG und den Ministerpräsidenten Norwegens und Islands die Politische Erklärung und der Politikrahmen zur Nördlichen Dimension (ND) unterzeichnet. Die Nördliche Dimension bildet einerseits ein Forum für die Diskussion zwischen EU-Mitgliedern und Nichtmitgliedern, zum anderen umfasst sie Mechanismen für die konkrete grenzüberschreitende Kooperation. 2008 wurde auf dem Ministertreffen der ND die Einrichtung einer Partnerschaft zu Transport und Logistik (NDPTL) vereinbart, so wie zuvor für Umwelt (NDEP) und Gesundheitswesen (NDPHS) und in der Nachfolge 2009 für Kultur (NDPC). Die Außenminister der teilnehmenden Länder treffen sich im zwei-Jahre-Rhythmus, zuletzt 2019.
Weiterhin schlossen sich alle neun Ostseeanrainer sowie Belarus dem sogenannten VASAB-Projekt (Visions and Strategies around the Baltic Sea) an, der ersten makroregionalen Kollaboration Europas. VASAB konzentriert sich hauptsächlich auf Raumplanung und Infrastruktur des Ostseeraumes und den Dialog der einzelnen Staaten untereinander. Hierbei liegt das Hauptaugenmerk nicht nur auf dem Ausbau der bestehenden Transportnetzwerke, sondern auch das Erschaffen neuer Verbindungen, sowohl im See-, als auch im Fähr- und Hinterlandverkehr, als auch dem Aufbau einer nachhaltigen Versorgungsstruktur und dem Erhalt des Ökosystems Ostsee [VASAB19]. 
Auf Grund der Ukraine-Krise seit Sommer 2014 wurden durch die EU und die USA Sanktionen gegen russische Banken und Unternehmen verhängt. Diese beinhalten Wirtschaftssanktionen, Einreiseverbote sowie Vermögenssperren. Deutsche Exporte nach Russland stabilisierten sich 2016 auf einem Niveau von 21,6 Milliarden Euro, was im Vergleich zum Vorkrisenstand von 37,1 Milliarden Euro ein Minus von fast 42 Prozent ausmacht [Hand17]. 
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Maritimer Ostseeverkehr (Stand des Wissens: 18.09.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?408577
Literatur
[EuKom09g] Europäische Kommission MITTEILUNG DER KOMMISSION zur Strategie der Europäischen Union für den Ostseeraum, 2009/06/10
[EUSBSR19] EUSBSR: EU Strategy for the Baltic Sea Region (Hrsg.) EUSBSR Action Plan, 2019
[Hand17] Handelsblatt (Hrsg.) Russland-Exporte legen zu - trotz Sanktionen, 2017/02/24
[Jan10] Giedrius Janauskas New structures, changing identities: the concepts of the Baltic Sea region, veröffentlicht in Asia Europe Journal, Ausgabe/Auflage (2010) 8, 2010/10/20, ISBN/ISSN ISSN electronic 1612-1031
[Ros10] k.A. EU Strategy for the Baltic Sea Region: A Year After and Beyond, Riga, 2010
[VASAB19] Vision and Strategies around the Baltic Sea (Hrsg.) VASAB Projects, 2019

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?338807

Gedruckt am Donnerstag, 18. April 2024 13:54:06