Fahrradverleihsystem in Paris
Erstellt am: 15.12.2010 | Stand des Wissens: 11.11.2020
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
In Paris leben knapp 2,15 Millionen Menschen (Stand 01/20). Im Jahr 2010 betrug der Modal Split für den Fahrradverkehr drei Prozent. Paris strebt bis zum Jahr 2020 einen Modal Split Anteil von 15 Prozent an. Durch Investitionen, ein größeres Radverkehrsnetz und Fahrradparkplätze soll der Anteil steigen [Road14].
Im Jahr 2007 wurde von der Stadt Paris das Fahrradverleihsystem Vélib' eingeführt. Das System wurde von 2007 bis 2017 von der Firma JCDecaux (Cyclocity) betrieben. Seit 1. Januar 2018 übernimmt das Unternehmenskonsortium Smovengo Vélib' [FRRU18].
Es gibt Fahrräder in grüner Farbe (Antrieb nur durch Muskelkraft) und Elektrofahrräder (30 Prozent der Flotte) in blauer Farbe [Wisn19]. Die Ausleihe und die Entleihe erfolgen über die Navigo-Karte, Vélib'-Metropole-Karte oder über einen Code. Der Buchungsprozess findet über eine Systembox im Lenker des Fahrrads stat [Vel20]. Eine Bankkarte muss sowohl für eine Registrierung als auch für eine Kaution (300 Euro) hinterlegt werden. Diese Anzahlung wird vom Konto erst abgebucht, wenn das Fahrrad inkorrekt zurückgebracht wird [Vel20a]. Ein entliehenes Vélib kann an jeder beliebigen Station wieder zurückgegeben werden.
Es stehen fünf verschiedene Verleihmethoden zur Verfügung. Paris hat damit eines der vielfältigsten Bike-Sharings-Tarifsysteme (siehe Tabelle 1). Seit dem Jahr 2018 besteht die Möglichkeit ein Fahrrad zu entleihen, ohne ein Abonnement abzuschließen. Das Mindestalter beträgt 14 Jahre [Velib08]. Tagestickets (V-Découverte) sind für fünf Euro und Wochentickets (V-Séjour) für 15 Euro zu erwerben. Für eine regelmäßige Nutzung muss ein Jahres-Abonnement abgeschlossen werden (siehe Tabelle 1). Zusätzlich zum jeweiligen Abonnement ist für die effektive Nutzung ein zeitbasierter Betrag zu zahlen [Vel20b].
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Tabelle 1: Tarifübersicht für Fahrradnutzung [Vel20b]
Das System besteht aus 1.384 Stationen und 19.100 Fahrrädern [Vel20c]. Das System ist das ganze Jahr rund um die Uhr nutzbar, wobei die maximale Ausleihzeit auf 24 Stunden beschränkt ist. Die Ausleihzeit liegt beispielsweise bei Kunden mit einem Abonnement V-Plus bei unter 30 Minuten. Mit einem Kurzzeitabonnement dauert die Fahrt bei 63 Prozent der Kunden weniger als 30 Minuten; 17 Prozent leihen sich das Rad für mehr als eine Stunde aus [Mdp18, S. 16]. In den ersten drei Quartalen des Jahren 2017 wurden mit Vélib' 28.078.115 Fahrten und im Jahr 2018 nur 7.119.849 Fahrten, davon 1.402.093 Fahrten mit dem E-Bike, durchgeführt. Der Rückgang lässt sich auf Schwierigkeiten mit dem neu eröffneten Vélib'2-Stationen bis zum August 2018 zurückführen [Mdp17, S. 16, Mdp18, S. 5]. Im Jahr 2018 wurden mit Vélib'2 26 Prozent (40 Prozent im Jahr 2017) aller Fahrradfahrten in Paris realisiert [Mdp18, S. 14].
Ende Dezember 2018 nutzten 144.840 Dauerkunden das Langzeitabonnement und 141.925 Kunden das Kurzzeitabonnement (kumuliert über das Jahr) [Mdp18, S. 16]. 63 Prozent der Nutzer sind männlich. Die Altersgruppen der 25 bis 34-Jährigen (37 Prozent) und die der 35 bis 44-Jährigen (18 Prozent) leihen sich am häufigsten ein Vélib' aus [Mdp18, S.16].
Aufgrund der vielfachen Autonutzung und den daraus resultierenden Emissionen soll Vélib die Luftqualität in der Stadt steigern. Laut dem Plan vélo aus dem Jahr 2015 soll sich die Umweltverschmutzung verringern, indem die Autoanzahl verringert, die Anzahl der Radfahrten verdreifacht sowie alle Straßen bis zum Jahr 2024 fahrradfreundlich gemacht werden [Wisn19, Hida20] .Da das Bikesharing vorrangig von Nutzern öffentlicher Verkehrsmittel benutzt wird (und nur im geringen Maße (fünf Prozent der Nutzer) von umgestiegenen Autofahrern), können die gesteckten Umweltziele allein über ein Bikesharing-System nicht erreicht werden. Die Auswirkungen von Bike-Sharing sollten nicht nur in Paris, sondern auch in anderen Städten eher als Intervention betrachtet werden, die Dynamik der Mobilität in den Städten verändern sowie das Radfahren zugänglicher und sicherer machen [Wisn19]. Weitere flankierende Maßnahmen zur Deattraktivierung des Autoverkehrs (zum Beispiel eine Straßenmaut, die Wegnahme von Fahrstreifen, weniger Parkplätze oder eine Erhöhung der Parkgebühren) werden helfen, die städtischen Umweltziele zu verwirklichen.
Um das Unsicherheitsgefühl der Radfahrenden auf Straßen und das Diebstahlrisiko in Paris zu verringern, werden Maßnahmen ergriffen, die die Fahrradkultur fördern und weiterentwickeln. Laut dem neuen Verkehrsplan sollen beispielsweise Videoaufnahmen zum Schutz der Fahrradabstellanlagen erweitert werden, Brücken mit sicheren Radwegen ausgestattet und pro Verwaltungsbereich soll mindestens ein Vélorue, eine Straße mit Fußgänger- und Radfahrervorrang vor Kraftfahrzeugen, geschaffen werden [Hida20].