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Entwicklung der Fahrradverleihsysteme

Erstellt am: 15.12.2010 | Stand des Wissens: 16.06.2017
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Erste Ansätze für Fahrradverleihsysteme entstanden etwa mit Beginn der 1970er Jahre. Die technologische wie auch kommunikative Konzeptentwicklung der öffentlichen Fahrräder bis hin zu den heutigen Systemen wird von De Maio [unter anderem Dema09] drei Generationsstufen zugeordnet.
Öffentliche Fahrradverleihsysteme der 1. Generation waren noch stationsungebunden. Die Angebote der Folgejahre entwickelten einen immer stärkeren Stationsbezug (2. Generation). Der Durchbruch zur Einführung von öffentlichen Fahrrädern im großen Stil gelang mit der 3. Generation der Fahrradverleihsysteme, die auf fortgeschrittene und zuverlässige Technik zur automatischen Durchführung und Überwachung des Ausleihvorgangs sowie in der Betriebslogistik zurückgreifen konnte (siehe Abbildung 1) [Hand09, Dema09].

Systemvariationen.pngAbbildung 1: Systemvariationen bei Fahrradverleihsystemen [Hand09]
Hinzu kam, dass Werbefirmen, die zum Beispiel Bau und Unterhaltung von Haltestellen des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) über Werbung finanzieren, den öffentlichen Fahrradverleih als ein neues Geschäftsfeld entdeckten. In Lyon und Paris wurde der Weltmarktführer der Stadtwerbung, JCDecaux, beispielgebend tätig. In der Folge wurden auch andernorts technisch und ästhetisch anspruchsvolle Fahrradverleihsysteme im großen Maßstab realisiert [Monh09].
Besonders die rasante Entwicklung im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie der mobilen Anwendungen (zum Beispiel über Smartphones) vereinfachen den Zugang zu öffentlichen Fahrradverleihsystemen und bieten neue Einsatzgebiete für multifunktionale Angebote. Fahrradverleihsysteme der 4. Generation werden zunehmend in den ÖPNV integriert. Beispielsweise betreibt seit dem Jahr 2010 eine Bank (Santander) in Kooperation mit dem örtlichen ÖPNV-Anbieter (Transports for London) eines der größten Fahrradverleihsysteme Europas.
Mit den neuen technischen Möglichkeiten und dem großmaßstäbigen Einsatz konnten die anfänglichen Probleme der öffentlichen Fahrräder, insbesondere geringe Nutzerakzeptanz und Vandalismus, ausgeräumt werden. Dennoch existieren neben den großen Fahrradverleihsystemen weiterhin lokal begrenzte Verleihsysteme.
Das "Chemnitzer Stadtfahrrad" trägt zum Beispiel zur Imageverbesserung des Fahrradverkehrs bei und bietet darüber hinaus arbeitslosen Jugendlichen die Möglichkeit einer Ausbildung zur Fachkraft im Fahrradgewerbe [DIFU10]. Fahrradreparatur und -verleih werden beispielsweise als geeignete Arbeitsfelder für soziale Projekte zur Resozialisierung von Jugendlichen angesehen, um zum Beispiel herrenlose Fahrräder für bestimmte, finanziell schwache Personenkreise herzurichten, die sonst kein Fahrrad hätten.

Die Abbildung 2 gibt eine Übersicht über die Merkmale, Systembeispiele und Bewertungen der Generationen von Fahrradverleihsystemen.
Generationen Fahrradverleihstationen.pngAbbildung 2: Übersicht und Bewertung der Generationen von Fahrradverleihsystemen[nach Interde10, Hand09, Monh09 und Difu12]
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Öffentliche Fahrradverleihsysteme (Stand des Wissens: 02.09.2020)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?336909
Literatur
[Dema09] DeMaio, Paul Bike-sharing: Its History, Models of Provision, and Future, veröffentlicht in VeloCity 2009 Conference, Brussels, 2009
[DIFU10] Deutsches Institut für Urbanistik Fahrradverleihsysteme in Europa, 2010
[Difu12] Tilmann Bracher Innovative Öffentliche Fahrradverleihsysteme in Deutschland - Schlussfolgerungen und Zwischenbericht, 2012/11/08
[Hand09] Jens Handrick Öffentliche Fahrradverleihsysteme und ÖPNV, 2009
[Interde10] TU Dresden, Lehrstuhl Verkehrs- und Infrastrukturplanung, Prof. Dr.-Ing. G.-A. Ahrens, Ahrens, Gerd-Axel, Aurich, Tanja, Böhmer, Thomas, Klotzsch, Jeannette, Pitrone, Anne Interdependenzen zwischen Fahrrad- und ÖPNV-Nutzung. Analysen, Strategien und Maßnahmen einer integrierten Förderung in Städten, 2010
[Monh09] Heiner Monheim, Christian Muschwitz, Wigand von Sassen, Markus Streng Intelligent mobil - aktuelle Trends bei Fahrradverleihsystemen, veröffentlicht in Verkehrszeichen, Ausgabe/Auflage Nr.2, 2009
Glossar
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?336853

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 23:02:46