Marktbasierte Instrumente zur Minderung der Emissionen der Seeschifffahrt
Erstellt am: 29.11.2010 | Stand des Wissens: 29.05.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Verstöße gegen geltende Sicherheits- und Umweltschutzvorschriften resultieren in aller Regel aus den sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Vorteilen [OECD96]. Strafen sollen diese Vorteile zunichtemachen und abschreckend wirken, was eine ausreichende Kontrolldichte mit entsprechend hohem Entdeckungsrisiko erfordert. Als umgekehrter Ansatz wird versucht, positive Anreize zu setzen, indem Akteure, die ökologisch vorteilhaft handeln, auch wirtschaftliche Vorteile erzielen, sodass die selbstregulierenden Kräfte des Marktes wirksam werden.
Der Einsatz von Marktinstrumenten zur Reduzierung von Emissionen begann in den USA mit dem 1990 Clean Air Act im Rahmen des Acid Rain Program zur Reduzierung der Schwefeldioxid-Emissionen (SO2) von Großfeuerungsanlagen. Bekannt sind verschiedene Varianten des Emissionshandels. Ziel ist die Etablierung eines wirksamen Systems mit möglichst geringen volkswirtschaftlichen Kosten. Die Europäische Union führte 2005 das European Union Emission Trading System (EU ETS) als marktwirtschaftliches Instrument der EU-Klimapolitik ein.
Zur Reduzierung der SO2- und Stickstoffoxid-Emissionen (NOx) der Seeschifffahrt in europäischen Gewässern mittels marktlicher Instrumente entwickelte NERA Economic Consulting 2005 im Auftrag der EU-Generaldirektion Umwelt vier Varianten:
Der Einsatz von Marktinstrumenten zur Reduzierung von Emissionen begann in den USA mit dem 1990 Clean Air Act im Rahmen des Acid Rain Program zur Reduzierung der Schwefeldioxid-Emissionen (SO2) von Großfeuerungsanlagen. Bekannt sind verschiedene Varianten des Emissionshandels. Ziel ist die Etablierung eines wirksamen Systems mit möglichst geringen volkswirtschaftlichen Kosten. Die Europäische Union führte 2005 das European Union Emission Trading System (EU ETS) als marktwirtschaftliches Instrument der EU-Klimapolitik ein.
Zur Reduzierung der SO2- und Stickstoffoxid-Emissionen (NOx) der Seeschifffahrt in europäischen Gewässern mittels marktlicher Instrumente entwickelte NERA Economic Consulting 2005 im Auftrag der EU-Generaldirektion Umwelt vier Varianten:
- Gutschriftkonzept (Credit-Based Trading, cap-and-trade): Bei Emissionen unter einem Basisniveau werden handelbare Emissionsboni generiert, die auch mit landgestützten Teilnehmern gehandelt werden könnten. Grundlage ist eine Formel zur Ermittlung der Normalbetriebs-Emissionsniveaus und die regelmäßige Kontrolle der tatsächlichen Emissionen.
- Konsortialbenchmarking: Schiffe werden Mitglied eines Handelskonsortiums, das sich freiwillig zur Einhaltung einer Emissions-Benchmark verpflichtet. Die Konsortiumsmitglieder handeln untereinander.
- Gebührenstaffelung: In Häfen werden Gebühren nach ökologischen Gesichtspunkten auf freiwilliger Basis gestaffelt.
- Staatliche Zuschüsse: Vergünstigungen für die Einführung und Nutzung emissionsarmer Technologien bei Neubauten und Nachrüstungen werden eingeführt.
Das Gutschriftkonzept wurde als am effektivsten für die NOx-Reduzierung eingeschätzt, für SO2 würde es allerdings nur ungenügende Anreize generieren. Das grundlegende Problem für diesen Ansatz ist die Definition des Basisniveaus an Emissionen. Für die Reduzierung von SO2-Emissionen wurde deshalb Konsortialbenchmarking als wirksamer und günstiger als direkte Regulierung erachtet. Für die anderen Varianten wurde die Wahrscheinlichkeit, eine deutliche Emissionsminderung zu bewirken, als gering eingestuft [NERA05].
Erfahrungen mit differenzierten Hafen- beziehungsweise Fahrwassergebühren bestehen in Schweden, wo 1996 ein entsprechendes System in Abstimmung mit dem Hafenverband und dem Reederverband eingeführt wurde und auch, zumindest bis zum Anstieg der Treibstoffpreise, einige Wirkung zeigte. Ein entsprechendes Pilotprojekt in Hamburg wurde nach Erschöpfung der geplanten Mittel vorzeitig abgebrochen [Kra06, S.140f.]. In Norwegen ist die Tonnagesteuer als Form der Ertragssteuer emissionsabhängig differenziert, aber wenig wirksam. Die Qualship 21 Initiative der US Coast Guard reduziert für zertifizierte Schiffe die Häufigkeit der Hafenstaat-Kontrollen [KaBH09, S.46f.].
Die World Ports Climate Initiative der International Association of Ports and Harbors (IAPH) stellte erstmals 2008 einen Index zur relativ einfachen Bewertung der Umweltfreundlichkeit von Seeschiffen vor, der es Häfen ermöglichen soll, differenzierte Hafengebühren zu erheben. Bisher bieten sechs europäische Häfen Gebührenermäßigungen an (Rotterdam, Antwerpen, Hamburg, Bremen, Le Havre und Amsterdam).
Der Environmental Ship Index (ESI) gibt Auskunft darüber, in welchem Verhältnis die Emissionen eines Schiffs zu den vorgegebenen Emissionsgrenzwerten stehen. Er setzt sich aus gewichteten Teilindizes für NOx und SO2 zusammen, weitere 10 Punkte werden angerechnet für CO2-Reduzierung durch einen entsprechenden Energieeffizienz-Management-Plan (EEOI-Reporting, SEEMP). Die Teilindizes setzen jeweils die Emissionen des Schiffs ins Verhältnis zu Erfordernissen nach IMO MARPOL Annex VI. Die NOx-Emissionen werden aus den nach MARPOL Annex VI für alle ab 2000 gebauten Schiffe zu führenden Engine International Air Pollution Prevention (EIAPP) Zertifikaten entnommen. Für die SO2-Emissionen werden die nach den Bunkertagebüchern des letzten Halbjahres effektiv emittierten Schwefelmengen ins Verhältnis gesetzt zu den zulässigen Obergrenzen [ESI10, vgl. Bahl07].
Der Environmental Ship Index (ESI) gibt Auskunft darüber, in welchem Verhältnis die Emissionen eines Schiffs zu den vorgegebenen Emissionsgrenzwerten stehen. Er setzt sich aus gewichteten Teilindizes für NOx und SO2 zusammen, weitere 10 Punkte werden angerechnet für CO2-Reduzierung durch einen entsprechenden Energieeffizienz-Management-Plan (EEOI-Reporting, SEEMP). Die Teilindizes setzen jeweils die Emissionen des Schiffs ins Verhältnis zu Erfordernissen nach IMO MARPOL Annex VI. Die NOx-Emissionen werden aus den nach MARPOL Annex VI für alle ab 2000 gebauten Schiffe zu führenden Engine International Air Pollution Prevention (EIAPP) Zertifikaten entnommen. Für die SO2-Emissionen werden die nach den Bunkertagebüchern des letzten Halbjahres effektiv emittierten Schwefelmengen ins Verhältnis gesetzt zu den zulässigen Obergrenzen [ESI10, vgl. Bahl07].
Im Komitee für Maritimen Umweltschutz (MEPC) der International Maritime Organization IMO wurden Vorschläge zu marktbasierten Instrumenten (Market-Based Instruments MBI) zur Minderung der CO2-Emissionen der Seeschifffahrt eingebracht, die sich im Wesentlichen drei unterschiedlichen Ansätzen zuordnen lassen: dem Mengen-, Preis- und Effizienzansatz.
- Mengenansatz: Emissionshandel (Maritime Emissions Trading Scheme METS; vorgeschlagen von Deutschland, Norwegen und Großbritannien):
Es wird ein weltweiter Handel mit Emissionsrechten auf Mengenbasis an CO2 (wie im EU-System) eingeführt, in den alle Handelsschiffe ab einer bestimmten Größe einbezogen werden. Ausgehend von historischen Emissionen und einem angestrebten Reduktionsziel wird durch eine geeignete internationale Organisation eine Grenze (cap) gesetzt [BMU10a, S. 13]. Die Zuteilung der Emissionsrechte kann auf verschiedenen Wegen frei oder über Verkauf erfolgen. Das System soll offen sein für den Austausch von Emissionsrechten mit anderen Bereichen beziehungsweise für marktliche Instrumente zur Emissionsminderung [Kage08]. Erlöse aus einem möglichen Verkauf können in Klimaanpassung in Entwicklungsländern oder Forschung und Entwicklung in der Schifffahrt fließen. Die Einbeziehung des Seeverkehrs in ein internationales Emissionshandelssystem gilt als vielversprechender Ansatz zur Internalisierung der externen Klimakosten des Seeverkehrs [BMVBS08j, S. 38]. - Preisansatz: Internationaler Klimaschutzfonds (International Compensation Fund ICF; vorgeschlagen von Dänemark und Japan):
Alle Schiffe im internationalen Seeverkehr werden mit einer Steuer auf Bunker-Kraftstoffe belegt. Diese kann entweder direkt per Schiff oder über Bunkerlieferanten beziehungsweise Raffinerien entrichtet werden. Die Steuer fließt in einen International Maritime Greenhouse Gas Emission Fund, welcher dazu dienen könnte, Emissionsrechte aus anderen Wirtschaftsbereichen zu kaufen, für die Finanzierung von nicht schiffsbezogenen Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen zu sorgen, Forschung und Entwicklung in der Schifffahrt zu fördern und ein IMO-Programm zur technischen Zusammenarbeit in der Schifffahrt zu ermöglichen. Eine zentrale Organisation würde alle Bunkerkäufe jedes Schiffs registrieren [IMO09, S.70f., CEDe09, S.130f., AKN09, S.63f.]. - Effizienzansatz: Effizienz-basiertes Handelssystem (auf Basis des Energy Efficiency Design Index for Ships EEDI; vorgeschlagen von den USA):
Schiffe, die gleiche oder bessere Leistungen als der Referenzwert erbringen, können außerhalb des Emissionshandels bleiben. Bei schlechteren Leistungen müssen automatisch Emissionsrechte von Schiffen mit über dem Referenzwert liegender Energieeffizienz erworben werden. Die Rechte können zwischen Perioden übertragen werden. Der Unterschied zum Emissionshandel besteht vor allem darin, dass das effizienz-basierte Handelssystem sich dem Wachstum der Aktivität anpasst und vorab keine absolute Grenze gesetzt wird [CEDe09, S.220f.].
Das Komitee für Maritimen Umweltschutz (MEPC) ließ die Vorschläge zu marktbasierten Instrumenten durch eine Expertengruppe bewerten. Es ergab sich ein Konsens darüber, dass alle Vorschläge geeignet sind, die CO2-Emissionen zu mindern, die Maßnahmen unterschiedlich detailliert sind und verschiedene Schwerpunkte setzen. Insgesamt wurde keine Empfehlung für oder gegen einen Vorschlag abgegeben [vgl. UNCTAD10, S.120f.].
Für alle Vorschläge gilt ein vereinbarter Katalog von Prüfkriterien, die ein zu installierendes System erfüllen muss, darunter finden sich:
- Klimawirksamkeit und Kosteneffizienz,
- allgemeine Verbindlichkeit und Anwendbarkeit für alle Staaten (nicht allgemein akzeptiert),
- Wettbewerbsneutralität,
- Förderung von Innovationen und Forschung in der Schifffahrt,
- schnelle Implementierbarkeit.
Die Wirksamkeit von marktbasierten Instrumenten wird als hoch bewertet, da sie auf Schiffe aller Typen und Größen anwendbar sind und über die Schifffahrt hinausreichen. Die Wirksamkeit des Emissionshandels hängt von der Höhe des Grenzwertes ab, denn seine Höhe entscheidet über den Anreiz, Emissionen einzusparen. Die Kosteneffizienz wird als ebenfalls hoch eingeschätzt, da zum einen alle möglichen Maßnahmen zur Emissionsreduzierung angewandt werden können und zum anderen jeder Akteur die unter seinen Bedingungen günstigsten Maßnahmen wählen wird. Bei der Überwachung der Einhaltung entsprechender Regeln in allen diskutierten Systemen wird eine Hafenstaat-Kontrolle die entscheidende Rolle spielen.
Als weitere Maßnahmen, welche nicht zwingend Marktmechanismen nutzen, aber am wirtschaftlichen Anreiz ansetzen, werden vorgeschlagen:
Als weitere Maßnahmen, welche nicht zwingend Marktmechanismen nutzen, aber am wirtschaftlichen Anreiz ansetzen, werden vorgeschlagen:
- eine Emissionssteuer auf Basis des Treibstoffverbrauchs, die zur Realisierung von Projekten zur Emissionsreduzierung dienen könnte [CEDe09, S.170f.],
- Hafengebühren, die sich am CO2-Ausstoß der Schiffe orientieren [MeRy10],
- und eine Reduktion der Einkommensteuer entsprechend der Energieeffizienz beziehungsweise den Umweltstandards eines Schiffes [AKN09, S.59].
Im September 2020 stimmte das Europäische Parlament für die Aufnahme von Maritimen Emissionen in das EU ETS. Sich daraus ergebenden Erlöse sollen in einen Ocean Fund fließen und somit die Umrüstung auf umweltfreundlichere Technologien sowie die Wahrung von maritimen Ökosystemen fördern [EU20]. Diese Maßnahme stößt international jedoch auch auf Kritik, so befürchtet der Generalsekretär des Baltic and International Maritime Council (BIMCO), dass regionaler Emissionshandel die Schaffung eines globalen Systems behindern könnte [BIMCO20].