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Atmosphärische Schadstoffemissionen der Seeschifffahrt

Erstellt am: 29.11.2010 | Stand des Wissens: 28.10.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Emissionen von Luftschadstoffen in der Seeschifffahrt fallen hauptsächlich beim Betrieb von Antriebsanlagen und Hilfsmaschinen an. Daneben emittieren auch Ladung (zum Beispiel Tankladungen) und Kühlmittel verschiedene atmosphärische Stoffe.
Hauptgruppen atmosphärischer Schadstoffemissionen der Seeschifffahrt sind:
Schwefeloxide sind gegenwärtig eine direkte Funktion des Schwefelgehalts des Treibstoffs, da die Abgase nur in Einzelfällen gereinigt werden. Die landseitigen SOx-Emissionen der Industriestaaten konnten in den letzten Jahrzehnten durch die Nutzung schwefelarmer beziehungsweise schwefelfreier Brenn- und Kraftstoffe stark reduziert werden. Im Schiffsbetrieb dagegen gelangen schwefel- und rußhaltige Abgase aus den Motoren ungefiltert in die Luft. Destillate (MDO) enthalten im Mittel 0,3 bis 0,5 Prozent Schwefel, Rückstandsöle (Schweröl, HFO) 2,3 bis 3,0 Prozent bei einem weltweiten Mittelwert von 2,7 Prozent. SOx verbleibt normalerweise 4 bis 7 Tage in der Atmosphäre und kann so über weite Entfernungen transportiert werden und entfernte Gebiete beeinträchtigen.
Ruß und Feinstaub sind unterschiedlich große Partikel, wobei Schwerölmotoren einen geringeren Anteil feiner Partikel emittieren als die im Landverkehr üblichen Dieselmotoren. Primäre Partikel entstehen während des Verbrennungsprozesses im Motor, sekundäre aus chemischen Reaktionen mit den Abgasen und Ammoniak. Im Jahr 2017 wurden weltweit etwa 1,55 Megatonnen Feinstaub emittiert [IMO20a, S.121]. Epidemiologische Studien verbinden Partikelemissionen mit erhöhten Gesundheitsrisiken wie Asthma und Herzinfarkten sowie einer verringerten Lebenserwartung. Laut einer Studie der WHO führten sie 2012 zu mehr als 3 Millionen frühzeitigen Todesfällen aufgrund von Herz-Kreislauf- und Lungenerkrankungen [WHO18]. Über die Aerosolbildung haben die Partikelemissionen eine negative Klimawirkung [DNV16, S.5].
Stickoxide als Mischung von NO, N2O und NO2 entstehen in Verbrennungsmotoren während des Verbrennungs- und Expansionsphase bei Temperaturen ab 1000 Grad Celsius. Die Emissionsrate hängt vom Motorentyp - langsam laufende Motoren erzeugen mehr NOx als Mittelschnellläufer - sowie von Betriebsweise und Wartungszustand des Motors ab. Die Stickoxide verbleiben bis zum Zerfall 1 - 3 Tage in der Atmosphäre. Die weltweiten NOx-Emissionen aus der Schifffahrt werden auf 10 Millionen Tonnen pro Jahr geschätzt. Dies entspricht etwa 15 Prozent der globalen NOx-Emissionen aus fossilen Brennstoffen. NOx-Emissionen tragen zur Eutrophierung von Land- und Küstengewässern, besonders auch der Ostsee, bei und führen zur Entstehung von bodennahem Ozon, das Gesundheitsschäden sowie Vegetationsschäden verursacht. Für die Minderung der NOx-Emissionen kommen Verfahren der Verbrennungsführung und Rauchgasentstickung sowie Fahrzeugkatalysatoren zum Einsatz. 
Bei der Verbrennung von Kohlenstoff in Motoren entstehen Kohlenstoffoxide  zuerst Kohlenmonoxid (CO) und bei einer vollständigen Verbrennung Kohlendioxid (CO2). Die Anreicherung des Treibhausgases CO2 in der Atmosphäre wird aufgrund der negativen Auswirkungen auf das Klima und einer Begünstigung des Klimawandels sehr kritisch bewertet. Maßnahmen zur CO2-Reduzierung sind demnach von hoher Relevanz, wobei zurzeit als Alternative nur die Reduzierung des Energie-/Kraftstoffverbrauchs zur Verfügung steht. CO2-Reduzierungspotential in der Seeschifffahrt liegt u.a. in der verbesserten Schiffswartung, Änderungen bei den Antriebssystemen, verbesserter Routenplanung und Verringerung der Fahrgeschwindigkeit (sogenanntes Slow Steaming).  
Eine vermeintlich vielversprechende Maßnahme gegen die schädlichen Emissionen im Seeverkehr ist, Schiffe von Schweröl auf Flüssiggas, sogenanntes LNG, als Antrieb umzustellen. Bei einer solchen Antriebsart entstehen keinerlei Schwefeloxid-Emissionen, Stickoxid-Emissionen könnten um 90 Prozent, Partikel-Emissionen sogar um 98 Prozent gesenkt werden. Um diesen Umstieg voranzubringen, hat das Bundesamt für Verkehr und digitale Infrastruktur ein Förderprogramm entwickelt [BMVI19b]. Auch während der Liegezeit in den Häfen sollen die Emissionen reduziert werden. So kommen seit 2018 im Hamburger Container-Terminal Burchardkai LNG-PowerPacs zum Einsatz. Diese werden vom Terminal aus an Bord verbracht und versorgen das Schiff während des Hafenaufenthaltes mit Strom, um die Benutzung der Hilfsdieselmotoren zu vermeiden. Mit den vier geplanten PowerPacs könnten pro Jahr bis zu 400 Schiffsanläufe versorgt werden. Ebenso werden nicht nur die lokalen Luftschadstoffe reduziert, sondern auch bis 3.600 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart [BMVI18w]. Die wachsende Bedeutung von LNG-betriebenen Schiffen zieht jedoch aus Zweifel bezüglich ihrer Klimafreundlichkeit mit sich. Eine kürzlich veröffentlichte Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT) belegt, dass sie aufgrund hohen Methanausstoßes kurzfristig sogar einen nachteiligen Effekt auf das globale Klima hat, beispielsweise im Vergleich zum Einsatz von Marinen Destillaten (MDO). [ICCT20]

Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Umwelt- und Klimaschutz im Seeverkehr (Stand des Wissens: 28.10.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?408691
Literatur
[BMVI18w] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Umweltfreundliche Energie für Containerschiffe im Hafen, 2018/08/22
[BMVI19b] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) LNG-Antriebe bei Seeschiffen: PSts Ferlemann übergibt weitere Förderbescheide, 2019/01/31
[DNV16] DNV GL - Maritime (Hrsg.) Particulate Matter and Black Carbon, 2016
[ICCT20] Nikita Pavlenko, , Bryan Comer, , Yuanrong Zhou, , Nigel Clark, , Dan Rutherford The climate implications of using
LNG as a marine fuel, 2020/01
[IMO20a] International Maritime Organization (Hrsg.) Fourth IMO GHG Study, 2020
[WHO18] World Health Organization (WHO) (Hrsg.) Ambient (outdoor) air quality and health, 2018
Glossar
LNG
Liquified natural gas = Flüssigerdgas (CH4) wie es zum Beispiel in Fahrzeugen getankt werden kann. Durch Abkühlen auf -164 Grad Celsius schrumpft das Volumen auf ein sechshundertstel des Normvolumens. Damit erhöht sich der Energiegehalt bezogen auf das Volumen und somit zum Beispiel die Reichweite eines Fahrzeuges bei gleichem Tankvolumen. Für die aufwendige Verflüssigung werden circa 10 bis 25 Prozent der im Erdgas gespeicherten Energie aufgewendet, daher findet man im Straßenverkehr hauptsächlich compressed natural gas = komprimiertes Erdgas (CNG).
CH4
= Methan. Es ist ein farbloses, geruchloses und leicht brennbares Gas, das zu Kohlendioxid und Wasser verbrennt. Methan ist Hauptbestandteil von Erdgas, Biogas, Deponiegas und Klärgas. Als Erdgas dient es hauptsächlich der Beheizung von Wohn- und Gewerberäumen, als industrielle Prozesswärmeenergie, zur elektrischen Stromerzeugung und in kleinem Umfang als Treibstoff für Kraftfahrzeuge.
Methan gehört zu den klimarelevanten Treibhausgasen. Methan entsteht bei allen organischen Gär- und Zersetzungsprozessen, wie z.B. in Sümpfen, Nassreisfeldern und Massenviehhaltung. (Der Verdauungstrakt von Wiederkäuern produziert Methan.)
Nach Kohlendioxid ist Methan mit einem Anteil von knapp 20 Prozent wichtigster Verursacher des Treibhauseffekts, wobei es ein 20- bis 30-mal wirksameres Treibhausgas als CO2 ist. Die weltweiten Methanemissionen werden auf 500 Mio. Tonnen/Jahr geschätzt, davon gehen rund 70 Prozent auf menschliche Aktivitäten zurück.
LPG = Liquified Petroleum Gas. Flüssiggas (Propan, Butan und deren Gemische) ist ein Kohlenwasserstoff, der unter relativ geringem Druck verflüssigt und dann nur etwa 1/260 seines gasförmigen Volumens einnimmt.
Kohlenstoff = Kohlenstoff. Er kommt in der Natur sowohl in reiner Form als auch in großer Vielfalt chemisch gebunden vor. Kohlenstoffverbindungen bilden die molekulare Grundlage allen irdischen Lebens. Elementarer Kohlenstoff ist nichtmetallisch und kommt in mehreren Modifikationen vor, die beiden wichtigsten sind Diamant und Graphit. Bei Zimmertemperatur sind die Kohlenstoffmodifikationen stabil, bei höheren Temperaturen verbrennen sie zu Kohlenstoffdioxid (CO2), bei unvollständiger Verbrennung bildet sich das giftige Kohlenstoffmonooxid (CO).
CO
= Kohlenstoffmonoxid. CO ist eine chemische Verbindung aus Kohlenstoff und Sauerstoff und gehört damit neben Kohlenstoffdioxid zur Gruppe der Kohlenstoffoxide. Es ist ein farb-, geruch- und geschmackloses Gas. Kohlenstoffmonoxid beeinträchtigt die Sauerstoffaufnahme von Menschen und Tieren. Schon kleine Mengen dieses Atemgiftes haben Auswirkungen auf das Zentralnervensystem.
Es entsteht bei der unvollständigen Oxidation von kohlenstoffhaltigen Substanzen. Dies erfolgt zum Beispiel beim Verbrennen dieser Stoffe, wenn nicht genügend Sauerstoff zur Verfügung steht oder die Verbrennung bei hohen Temperaturen stattfindet. Kohlenstoffmonoxid selbst ist brennbar und verbrennt mit Sauerstoff zu Kohlenstoffdioxid. Hauptquelle für die CO-Belastung der Luft ist der Kfz-Verkehr.
NOx
= Stickoxide. Ist die Sammelbezeichnung für die Oxide des Stickstoffs. Die wichtigsten Stickoxide sind Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid. Es sind gasförmige Verbindungen, die sich nur wenig in Wasser lösen.
Die wichtigsten Stickoxid-Quellen sind natürliche Vorgänge, wie zum Beispiel mikrobiologische Umsetzungen im Boden, sowie Verbrennungsvorgänge bei Kraftwerken, Kraftfahrzeugen und industrielle Hochtemperaturprozesse, bei denen aus dem Sauerstoff und Stickstoff der Luft Stickoxide entstehen. Stickstoffdioxid ist ein Reizstoff, der die Schleimhäute von Augen, Nase, Rachen und des Atmungstraktes beeinträchtigt.
SOx
= Schwefeloxide. Ist die Sammelbezeichnung für die Oxide des chemischen Elements Schwefel. Sie entstehen vor allem bei der Verbrennung schwefelhaltiger Brennstoffe oder bei natürlichen Vorgängen wie Vulkanausbrüchen. Die wichtigsten Schwefeloxide sind Schwefeldioxid SO2 und Schwefeltrioxid SO3. In Verbindung mit wässrigen Lösungen bilden beide Oxide Säuren, welche unter anderem für die Versauerung von Seen und das Waldsterben mitverantwortlich sind. Zudem sind die Schwefeloxide auch gasförmig giftig.
N2O = Distickstoffoxid (Lachgas). Ein farb- und geruchloses, leicht süßlich schmeckendes und chemisch reaktionsträges Gas. Lachgas ist ein Treibhausgas, dessen Treibhauswirksamkeit 298-mal so groß ist wie die von CO2. Menschenverursachte Emissionen stammen hauptsächlich aus der Landwirtschaft.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?334560

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 11:44:59