Atmosphärische Schadstoffemissionen der Seeschifffahrt
Erstellt am: 29.11.2010 | Stand des Wissens: 29.05.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Emissionen von Luftschadstoffen in der Seeschifffahrt fallen hauptsächlich beim Betrieb von Antriebsanlagen und Hilfsmaschinen an. Daneben emittieren auch Ladung (zum Beispiel Tankladungen) und Kühlmittel verschiedene atmosphärische Stoffe.
Hauptgruppen atmosphärischer Schadstoffemissionen der Seeschifffahrt sind:
- Schwefeloxide (SOx)
- Ruß, Feinstaub (PM)
- Stickoxide (NOx)
- Kohlenstoffoxide (COx)
- Methan (CH4)
Schwefeloxide sind gegenwärtig eine direkte Funktion des Schwefelgehalts des Treibstoffs, da die Abgase nur in Einzelfällen gereinigt werden. Die landseitigen SOx-Emissionen der Industriestaaten konnten in den letzten Jahrzehnten durch die Nutzung schwefelarmer beziehungsweise schwefelfreier Brenn- und Kraftstoffe stark reduziert werden. Im Schiffsbetrieb dagegen gelangen schwefel- und rußhaltige Abgase aus den Motoren ungefiltert in die Luft. Destillate (MDO) enthalten im Mittel 0,3 bis 0,5 Prozent Schwefel, Rückstandsöle (Schweröl, HFO) 2,3 bis 3,0 Prozent bei einem weltweiten Mittelwert von 2,7 Prozent. SOx verbleibt normalerweise 4 bis 7 Tage in der Atmosphäre und kann so über weite Entfernungen transportiert werden und entfernte Gebiete beeinträchtigen.
Ruß und Feinstaub sind unterschiedlich große Partikel, wobei Schwerölmotoren einen geringeren Anteil feiner Partikel emittieren als die im Landverkehr üblichen Dieselmotoren. Primäre Partikel entstehen während des Verbrennungsprozesses im Motor, sekundäre aus chemischen Reaktionen mit den Abgasen und Ammoniak. Im Jahr 2017 wurden weltweit etwa 1,55 Megatonnen Feinstaub emittiert [IMO20a, S.121]. Epidemiologische Studien verbinden Partikelemissionen mit erhöhten Gesundheitsrisiken wie Asthma und Herzinfarkten sowie einer verringerten Lebenserwartung. Laut einer Studie der WHO führten sie 2012 zu mehr als 3 Millionen frühzeitigen Todesfällen aufgrund von Herz-Kreislauf- und Lungenerkrankungen [WHO18]. Über die Aerosolbildung haben die Partikelemissionen eine negative Klimawirkung [DNV16, S.5].
Stickoxide als Mischung von NO, N2O und NO2 entstehen in Verbrennungsmotoren während des Verbrennungs- und Expansionsphase bei Temperaturen ab 1000 Grad Celsius. Die Emissionsrate hängt vom Motorentyp - langsam laufende Motoren erzeugen mehr NOx als Mittelschnellläufer - sowie von Betriebsweise und Wartungszustand des Motors ab. Die Stickoxide verbleiben bis zum Zerfall 1 - 3 Tage in der Atmosphäre. Die weltweiten NOx-Emissionen aus der Schifffahrt werden auf 10 Millionen Tonnen pro Jahr geschätzt. Dies entspricht etwa 15 Prozent der globalen NOx-Emissionen aus fossilen Brennstoffen. NOx-Emissionen tragen zur Eutrophierung von Land- und Küstengewässern, besonders auch der Ostsee, bei und führen zur Entstehung von bodennahem Ozon, das Gesundheitsschäden sowie Vegetationsschäden verursacht. Für die Minderung der NOx-Emissionen kommen Verfahren der Verbrennungsführung und Rauchgasentstickung sowie Fahrzeugkatalysatoren zum Einsatz.
Bei der Verbrennung von Kohlenstoff in Motoren entsteht zuerst Kohlenmonoxid (CO) und bei einer vollständigen Verbrennung Kohlendioxid (CO2). Die Anreicherung des Treibhausgases CO2 in der Atmosphäre wird aufgrund der negativen Auswirkungen auf das Klima und einer Begünstigung des Klimawandels sehr kritisch bewertet. Maßnahmen zur CO2-Reduzierung sind demnach von hoher Relevanz, wobei zurzeit als Alternative nur die Reduzierung des Energie-/Kraftstoffverbrauchs zur Verfügung steht. CO2-Reduzierungspotential in der Seeschifffahrt liegt u.a. in der verbesserten Schiffswartung, Änderungen bei den Antriebssystemen, verbesserter Routenplanung und Verringerung der Fahrgeschwindigkeit (sogenanntes Slow Steaming).
Eine vermeintlich vielversprechende Maßnahme gegen die schädlichen Emissionen im Seeverkehr ist, Schiffe von Schweröl auf Flüssiggas, sogenanntes LNG, als Antrieb umzustellen. Bei einer solchen Antriebsart entstehen keinerlei Schwefeloxid-Emissionen, Stickoxid-Emissionen könnten um 90 Prozent, Partikel-Emissionen sogar um 98 Prozent gesenkt werden. Um diesen Umstieg voranzubringen, hat das Bundesamt für Verkehr und digitale Infrastruktur ein Förderprogramm entwickelt [BMVI19b]. Auch während der Liegezeit in den Häfen sollen die Emissionen reduziert werden. So kommen seit 2018 im Hamburger Container-Terminal Burchardkai LNG-PowerPacs zum Einsatz. Diese werden vom Terminal aus an Bord verbracht und versorgen das Schiff während des Hafenaufenthaltes mit Strom, um die Benutzung der Hilfsdieselmotoren zu vermeiden. Mit den vier geplanten PowerPacs könnten pro Jahr bis zu 400 Schiffsanläufe versorgt werden. Ebenso werden nicht nur die lokalen Luftschadstoffe reduziert, sondern auch bis 3.600 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart [BMVI18w]. Die wachsende Bedeutung von LNG-betriebenen Schiffen zieht jedoch aus Zweifel bezüglich ihrer Klimafreundlichkeit mit sich. Eine im Jahr 2020 veröffentlichte Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT) belegt, dass sie aufgrund hohen Methanausstoßes kurzfristig sogar einen nachteiligen Effekt auf das globale Klima hat, beispielsweise im Vergleich zum Einsatz von Marinen Destillaten (MDO). [ICCT20]