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Schutz der Meeresumwelt vor nicht atmosphärischen Emissionen

Erstellt am: 29.11.2010 | Stand des Wissens: 28.10.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Der Schutz vor nicht atmosphärischen Emissionen bezieht sich vor allem auf direkte Einträge in das umgebende Seewasser.

Ölverschmutzungen können umfangreiche ökologische und wirtschaftliche Schäden verursachen, insbesondere solche, die konzentriert nach Unfällen auftreten. Durch schnelle und wirksame Eindämmung und Beseitigung von größeren Ölaustritten kann der Schaden begrenzt werden. Kleinere Ölverschmutzungen ereignen sich vor allem beim Laden und Löschen und infolge von Bedienungsfehlern. Die wichtigsten vorbeugenden Maßnahmen sind in Anlage I Verhütung der Verschmutzung durch Öl zum Übereinkommen MARPOL festgelegt [BSH12]. Weitere Abkommen betreffen die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Ölunfällen.

Die technischen Maßnahmen zur Verhütung von Ölverschmutzungen umfassen heute einerseits Bauvorschriften für Tanker (u.a. zunächst segregierte Ballasttanks, gegebenenfalls Doppelhüllen) und andere Schiffe (Treibstofftanks), zum anderen Vorschriften für den Betrieb der Schiffe einschließlich Nachweispflichten zum Beispiel über den Verbleib von öligen Rückständen und die Erstellung von Notfallplänen für Ölunfälle [HELC10f].

Im Meer treibender Müll verunreinigt zum einen Strände, zum anderen birgt er ein ernstes Gefährdungspotenzial für Meereslebewesen. Zu den Gefahren zählen das Verheddern in Müllteilen und die orale Aufnahme, mit dem Risiko des Erstickens und Verhungerns der Meereslebewesen [UBA10m, S. 1]. Das Hauptproblem ist Plastikmüll, der etwa 70 Prozent des Abfalls ausmacht und bis zu 450 Jahre bis zum Zerfall benötigt. Nach MARPOL Anlage V Verhinderung der Verschmutzung durch Schiffsabfälle ist es seit 1988 verboten, an Bord anfallende Plastikabfälle in die See zu werfen. Die Einbringung anderer Abfälle aus dem Schiffsbetrieb in Küstengewässern und Sondergebieten, darunter Nord- und Ostsee, wird restriktiv geregelt [BSH12].

Die Einleitung von unbehandelten Abwässern in die See ist in Küstennähe ein hygienisches Problem. Darüber hinaus kann die in Hafennähe und auf stark frequentierten Schifffahrtsrouten erhöhte Belastung mit zum Beispiel für Grün- und Blaualgen sofort verfügbaren Nährstoffen zur Eutrophierung beitragen und besonders touristisch genutzte Gebiete beeinträchtigen.

Bewuchshemmende Anstriche (Antifouling) haben in der Vergangenheit zu Schädigungen der marinen Tierwelt geführt. Der Bewuchs der Schiffskörper durch pflanzliche und tierische Organismen (fouling) erhöht den Strömungswiderstand spürbar und führt zu einem deutlich erhöhten Treibstoffverbrauch mit den daraus resultierenden Emissionen an CO2, SO2, NOX und weiteren Schadstoffen. Das über Jahrzehnte als Zusatz in Schiffanstrichen verwendete Tributylzinnhydrid (TBT) ist seit 2008 für den Einsatz in Schiffsfarben durch die International Convention on the Control of Harmful Anti-fouling Systems on Ships von 2001 verboten. Durch die Nahrungskette kann TBT in den menschlichen oder tierischen Organismus gelangen und dort hormonelle Störungen hervorrufen und zu Unfruchtbarkeit führen. Resolution 3 der Diplomatischen Konferenz fordert die Staaten auf, Antifouling-Systeme zu testen, zu genehmigen und zu zertifizieren. Als Ersatz für TBT werden andere Biozide verwendet, die zum Teil auch nicht unbedenklich sind. Verfügbar sind auch bereits biozidfreie Anstriche, die Bewuchs durch Schaffung einer das Anhaften abweisenden Oberfläche verhindern [EPA11 und UBA18m].

Lärmemissionen von Schiffen wurden erst vor verhältnismäßig kurzer Zeit als ernsthafte Beeinträchtigung für die Tiere der Meere erkannt. Die IMO hat 2014 Richtlinien zur Reduzierung des Unterwasserlärms herausgegeben [IMO14b]. Weitere Maßnahmen befinden sich in der Diskussion. So wird beispielsweise daran gearbeitet, Schiffsrouten während der Brut- und Wanderzeit großer Meeressäuger umzuleiten. Zum einen um Zusammenstöße zu vermeiden, zum anderen um zu verhindern, dass die Geräusche die Tiere verwirren [IMO19].

Im Ballastwasser von Seeschiffen können Meeresorganismen in fremde Ökosysteme eingeschleppt werden und zum Teil erhebliche Schäden anrichten [IMO19f]: So wurde mit Ballastwasser die Zebramuschel in die Großen Seen in Nordamerika und die amerikanische Rippenqualle ins Schwarze Meer eingeschleppt, beide haben Milliardenschäden angerichtet. An der Ostsee verursacht der aus Asien stammende Schiffsbohrwurm jedes Jahr Schäden in Millionenhöhe. Ein Übereinkommen über Kontrolle und Management des Ballastwassers und der Sedimente von Schiffen (BWM Convention) wurde 2004 verabschiedet, ist aber erst zum achten September 2017 in Kraft getreten, da das Übereinkommen zunächst von mindestens 30 Länder, deren Handelsflotten gemeinsam 35 Prozent des Bruttoraumgehaltes der Welthandelsflotte abdecken, ratifiziert werden mussten. Zuletzt ratifizierte Finnland als 52. IMO Mitgliedsstaat das Übereinkommen und löste so die zwölfmonatige Frist zum Inkrafttreten aus [HoNi07, S. 221f. und HaHa17]. Für Deutschland haben Bundestag und Bundesrat das Übereinkommen zum 14. Februar 2013 mit dem Ballastwasser-Gesetz ratifiziert. Die Bundesrepublik hat am 20. Juni 2013 die entsprechende Ratifizierungsurkunde beim Generalsekretär der IMO hinterlegt [BMVI13].
Beim Abwracken von Schiffen können zahlreiche schädliche Substanzen freigesetzt werden und der Gesundheit der dabei Beschäftigten sowie der Umwelt schädigen [vgl. EU07a, COWI07]. Für das Recycling von Seeschiffen wurde im Rahmen der IMO ein Übereinkommen über das sichere und nachhaltige Recycling von Schiffen erarbeitet und 2009 angenommen. Das Übereinkommen ist jedoch noch nicht in Kraft getreten, da es mindestens 15 Länder mit einer Welthandelstonnage von 40 Prozent ratifizieren müssen [DeFla18].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Umwelt- und Klimaschutz im Seeverkehr (Stand des Wissens: 28.10.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?408691
Literatur
[BMVI13] Eckhardt Rehberg Deutschland ratifiziert das Ballastwasser- und das Wrackbeseitigungsübereinkommen der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) , 2013/6/13
[BSH12] International Maritime Organization MARPOL Umweltübereinkommen - Informationen zum Internationalen Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe, 2012
[COWI07] Frank Stuer-Lauridsen, Mads P. Jensen, Thomas Odgaard, Helle Husum, Dan Olsen, Klaus W. Ringgaard Ship Dismantling and Pre-cleaning of Ships - Final report, 2007
[DeFla18] Deutsche Flagge (Hrsg.) Abwracken, 2018
[EPA11] Environmental Protection Agency (EPA) Safer Alternatives to Copper Antifouling Paints for Marine Vessels - FINAL REPORT, San Diego, 2011/01
[EU07a] Europäische Kommission GRÜNBUCH zur Verbesserung der Abwrackung von Schiffen, KOM(2007) 269 endgültig, Brüssel, 2007
[HaHa17] Hafen Hamburg Marketing e.V. (Hrsg.) Meilenstein für den maritimen Umweltschutz - Ballastwasserübereinkommen in Kraft, 2017/09/08
[HELC10f] Annual 2009 HELCOM report on illegal discharges observed during aerial surveillance, 2010
[HoNi07] Thomas Höfer,, Hartmut Nies, , Stephan Gollasch, , Rolf von Ostrowski Aktive Stoffe als Handlungsoption gegen die Verschleppung von Organismen durch Seeschiffe?, veröffentlicht in Umweltwissenschaften und Schadstoff-Forschung, Ausgabe/Auflage 19 (4), Springer, 2007
[IMO14b] International Maritime Organization (Hrsg.) Guidelines for the Reduction of Underwater Noise from Commercial Shipping to Address Adverse Impacts on Marine Life, 2014/09/29
[IMO19] International Maritime Organization (Hrsg.) Ship Noise, 2019
[IMO19f] International Maritime Organization (Hrsg.) Invasive Aquatic Species (IAS), 2019
[UBA10m] Umweltbundesamt Abfälle im Meer - Ein gravierendes ökologisches, ökonomisches und ästhetisches Problem , 2010/04
[UBA18m] Umweltbundesamt (Hrsg.) Antifouling-Mittel, 2018/04/19
Weiterführende Literatur
[Wefe03] Wefers, H. Optimierung eines Verfahrens zur beschädigungsfreien Prüfung von Schiffsanstrichen auf Organozinnverbindungen, Ermittlung der Verfahrenskenndaten und Erstellung einer Anwendungsrichtlinie , Ottersberg, 2003/04/30

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?334539

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 00:57:40