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Modelle von Innovationsprozessen

Erstellt am: 24.11.2010 | Stand des Wissens: 12.06.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Die Forschung zum Thema Innovationsprozesse wurde lange Zeit von der Vorstellung "linearer" Modelle dominiert. Diese Modelle beschreiben den Innovationsprozess auf verschiedenen Aggregationsstufen als sequentielle Abläufe der Aktivitäten, die sich selbst kaum oder gar nicht überschneiden. In der deutschsprachigen Literatur gibt es eine Vielzahl an Modellen des Innovationsprozesses, die weitestgehend genauso wie die Modelle aus dem englischsprachigen Raum vorwiegend die betrieblichen Abläufe eines Innovationsprozesses beschreiben. Alle diese Modelle haben gemein, dass sie bei der Ideengenerierung starten und mit der Einführung am Markt enden. Die dazwischen stattfindenden Prozessschritte sind dabei in unterschiedlicher Tiefe ausdifferenziert. Je differenzierter ein Modell, desto spezifischer ist es und kann daher selten auf andere Analysen und Untersuchungsgegenstände transferiert werden. So beleuchten die verschiedenen Modelle jeweils "unterschiedliche Aspekte des Innovationsgeschehens" [VABU02]. Ein Konsens über Abgrenzung und Umfang dieser Prozesse ist in der Literatur nicht erkennbar. Lediglich die Tatsache, dass die Diffusionsphase im Anschluss an die Inventions- und Innovationsphase als Bestandteil des Innovationsprozesses zu sehen ist, haben diese Modelle gemein. Grundsätzlich sind alle diese Modelle sogenannte Phasenmodelle, das bedeutet, dass sich der Innovationsprozess "aus einer Reihe zeitlich aufeinanderfolgender Ereignisse" [MIMA96] zusammensetzt.
Die strikte Linearität der im vorherigen Kapitel beschriebenen Phasenmodelle wird durch sogenannte "Feedback Modelle" aufgeweicht, deren Hauptaussage darin besteht, dass Innovationen sowohl durch wissenschaftliche Erkenntnisse angetrieben werden (Science-Push) als auch von der Marktseite (Market-Pull) angestoßen werden können [SCRE96]. Dieser Umstand wird durch sogenannte Rückkopplungsschleifen realisiert. Gleichzeitig bleiben aber auch diese Modelle nicht ohne Kritik. So sind die rückgekoppelten Innovationsmodelle zwar realitätsnäher als die sequentiellen Modelle, können allerdings auch nicht restlos deutlich machen, wie das der Innovation inhärente Wissen mit dem Innovationsprozess in Berührung kommt. Die reine Existenz von Rückkopplungen ist zwar plausibel, kann aber das Zustandekommen von Innovationen aufgrund des fehlenden ökonomischen Kalküls nicht erklären [GRUP97]. Des Weiteren mangelt es den vorgestellten sequentiellen und Rückkopplungs-Modellen an einer expliziten Zeitachse. Grupp macht deutlich, dass diese beiden Modelltypen für die Darstellung wissensbasierter Innovationsprozesse nicht geeignet sind, weil die Wechselwirkungen zwischen Wissenschaft, Technik und Innovation nicht berücksichtigt werden [GRUP97]. Gerade die zunehmende Bedeutung wissensbasierter Technologien macht es nötig, die Rolle der Wissenschaft und der Technologie im Innovationsprozess genauer zu betrachten [SCHM07].
Um diesen Forderungen gerecht zu werden, existiert in der Literatur eine weitere Gruppe von Innovationsprozessen, die es ermöglicht, wissensbasierte Technologien zu analysieren. In dem von Grupp (1997) veröffentlichten Modell "Standardisiertes Schema zur Einordnung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts bei der Marktentstehung" wird der Innovationsprozesses wie folgt dargestellt:
fortschrittbeimarktentstehung.png
Abbildung 14: Standardisiertes Schema zur Einordnung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts bei der Marktentstehung [GRUP97]


Dieses Schema macht deutlich, dass die Entwicklung einer Technologie als Ergebnis des Innovationsprozesses einem gewissen Muster folgt, das durch Indikatoren (Aktivitätsmaßzahlen) dargestellt werden kann. Wie auch Schmoch (2007) später zeigte, entwickeln sich diese Aktivitäten des Innovationsprozesses wellenartig, so dass man von einem "Double Boom" spricht [SCHM07] Dabei wird der erste "Boom" als "Science-Push" (insbesondere Phase II und III) oder auch "Technology-Push" bezeichnet. Das bedeutet, dass die Entwicklung der Technologie in dieser Phase hauptsächlich durch die Erwartungen der Wissenschaft angetrieben wird. Nach einer kurzen Retardierungsphase (Phase V) setzt der sogenannte "market-pull" (Phase VI) ein. Treiber für die Weiterentwicklung der Technologie ist dann der Markt, der nach Verbesserungen und Differenzierung verlangt ([SCHM07] und [GRUP97]). Dabei müssen die Anwendungen (Technik) nicht unbedingt auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse des ersten Booms zurückgreifen, sondern gehen parallel einher mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen [GRUP97]. Das Modell von Grupp (1997) macht deutlich, dass die Entwicklung von Technologien nicht als S-Kurven modelliert werden kann, sondern durch die vor allem von Schmoch (2007) identifizierten Rückkopplungen modelltheoretisch zu einem "Auf und Ab" [GRUP97] mit zyklischem Charakter führt.
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Innovation und Verkehr (Stand des Wissens: 12.06.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?334383
Literatur
[GRUP97] Grupp, Hariolf Messung und Erklärung des technischen Wandels - Grundzüge einer empirischen Innovationsökonomik, Springer Verlag, 1997
[MIMA96] Milling, Peter, Maier, Frank Invention, Innovation und Diffusion - Eine Simulationsanalyse des Managements neuer Produkte, veröffentlicht in Abhandlungen aus dem Industrieseminar der Universität Mannheim, 1996
[SCHM07] Schmoch, Ulrich Double-boom Cycles and the Comeback of Science-push and Market-pull, veröffentlicht in Research Policy, Ausgabe/Auflage 36, 2007
[SCRE96] Schmoch, Ulrich, Reger, Guido Organisation of Science and Technology at the Watershed -The Academic and Industrial Perspective, Physica-Verlag , 1996
[VABU02] Vahs, Dietmar, Burmester, Ralf Innovationsmanagement - Von der Produktidee zur erfolgreichen Vermarktung, Schäfer-Pöschel, 2002

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?334180

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 09:04:40