Nachsteuerung und Flexibilisierung in Emissionshandelssystemen
Erstellt am: 14.11.2010 | Stand des Wissens: 15.02.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Zu geringe Preise für den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO2) bei einem Zertifikateüberschuss und zu hohe CO2-Preise bei Knappheit führen zu Fehlanreizen. Die Regulierungsbehörden benötigen deshalb Marktinstrumente zu Preis- und Mengensteuerung. Für den Fall stark abweichender Zertifikatepreise oder -mengen von dem gewünschten Zielkorridor stehen den Behörden Instrumente zur Nachsteuerung zur Verfügung. Die Rechtsgrundlage für derartige Interventionen wird im Vorhinein definiert und kommuniziert, um Unsicherheiten auf dem Markt vorzubeugen, sowie Vertrauensschutz und Rechtssicherheit zu wahren [WoBa21a, S. 124, 129].
Preis- und Mengensteuerungsinstrumente
Instrumente zur Steuerung von Preis und Menge der Zertifikate balancieren das Verhältnis von Angebot und Nachfrage aus und stabilisieren so den Preis. Dies geschieht, indem überschüssige Zertifikate vorübergehend in eine Marktstabilitätsreserve (MSR) eingespeist und im Falle von Knappheit wieder ausgeschüttet werden. Manchmal ist sogar eine dauerhafte Überführung in die Reserve oder eine Löschung der Zertifikate vorgesehen [Betz22, S. 38].
Für die ersten beiden Handelsperioden (2005-2007 und 2008-2012) legten alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) ihr Emissionscap selbst fest. Die Summe aller nationalen Caps bildete das Gesamtcap der EU. Insbesondere, weil viele Länder ihre Caps zu hoch ansetzten und es zu einem Produktionsabfall in Folge der Finanzkrise des Jahres 2008 kam, wurde im Jahr 2014 bereits der Zielwert erreicht, der für das Jahr 2020 bestimmt war. Infolgedessen wurden in den Jahren 2014 bis 2016 insgesamt 900 Millionen Zertifikate von der Versteigerung zurückgehalten (Backloading) und später in die MSR überführt. Weiterhin sieht die im Jahre 2019 eingeführte MSR Schwellenwerte vor: Wird die Obergrenze von 883 Millionen insgesamt im Umlauf befindlichen Zertifikaten überschritten, werden 12 Prozent (seit 2023 sogar 24 Prozent) der Gesamtumlaufmenge an Zertifikaten (TNAC) nicht auktioniert, sondern in die MSR überführt [WoBa21a, S. 146]. Wird dagegen eine bestimmte Untergrenze unterschritten, werden Zertifikate aus dem MSR freigegeben. Auch verlieren Zertifikate in der MSR unter bestimmten Voraussetzungen ihre Gültigkeit [Zakl21, S. 21; Erba14, S. 6]. Seit Mitte des Jahres 2017 sind die Preise im Europäischen Emissionshandel (EU-ETS 1) deshalb wieder gestiegen [UBA22i].
Instrumente zur Steuerung von Preis und Menge der Zertifikate balancieren das Verhältnis von Angebot und Nachfrage aus und stabilisieren so den Preis. Dies geschieht, indem überschüssige Zertifikate vorübergehend in eine Marktstabilitätsreserve (MSR) eingespeist und im Falle von Knappheit wieder ausgeschüttet werden. Manchmal ist sogar eine dauerhafte Überführung in die Reserve oder eine Löschung der Zertifikate vorgesehen [Betz22, S. 38].
Für die ersten beiden Handelsperioden (2005-2007 und 2008-2012) legten alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) ihr Emissionscap selbst fest. Die Summe aller nationalen Caps bildete das Gesamtcap der EU. Insbesondere, weil viele Länder ihre Caps zu hoch ansetzten und es zu einem Produktionsabfall in Folge der Finanzkrise des Jahres 2008 kam, wurde im Jahr 2014 bereits der Zielwert erreicht, der für das Jahr 2020 bestimmt war. Infolgedessen wurden in den Jahren 2014 bis 2016 insgesamt 900 Millionen Zertifikate von der Versteigerung zurückgehalten (Backloading) und später in die MSR überführt. Weiterhin sieht die im Jahre 2019 eingeführte MSR Schwellenwerte vor: Wird die Obergrenze von 883 Millionen insgesamt im Umlauf befindlichen Zertifikaten überschritten, werden 12 Prozent (seit 2023 sogar 24 Prozent) der Gesamtumlaufmenge an Zertifikaten (TNAC) nicht auktioniert, sondern in die MSR überführt [WoBa21a, S. 146]. Wird dagegen eine bestimmte Untergrenze unterschritten, werden Zertifikate aus dem MSR freigegeben. Auch verlieren Zertifikate in der MSR unter bestimmten Voraussetzungen ihre Gültigkeit [Zakl21, S. 21; Erba14, S. 6]. Seit Mitte des Jahres 2017 sind die Preise im Europäischen Emissionshandel (EU-ETS 1) deshalb wieder gestiegen [UBA22i].
Im europäischen System EU-ETS 1 gilt also die Menge der insgesamt im Umlauf befindlichen Zertifikate als Indikator für die Intervention (Mengensteuerung). Andere Mechanismen nutzen den Zertifikatspreis als Indikator (Preissteuerung): Sofern Zertifikatspreise bestimmte Preisgrenzen unter- oder überschreiten, handeln staatliche Akteure Zertifikate auf dem Sekundärmarkt und stabilisieren so die Preise. Die Einführung eines festen Höchstpreises kann durch Ausschüttung von Zertifikaten aus einer vorher gebildeten Reserve gewährleistet werden. Ist diese erschöpft, besteht das Risiko, das Mengenziel nicht einzuhalten [Diek12, S. 28]. Teils ist eine Verknüpfung mit Crediting-Mechanismen vorgesehen, die die überschüssigen CO2-Emissionen ausgleichen sollen [WoBa21a, S. 142 ff.]. Das zweite, separate Emissionshandelssystem für die Bereiche Verkehr und Gebäude, das ab 2027 geplant ist, soll Mengen- und Preissteuerung verbinden [UBA21q, S. 5; EuPa22]. Neben der Absicherung einer bestimmten Anzahl an insgesamt im Umlauf befindlichen Zertifikaten ist eine Absicherung gegen wesentlich erhöhte Preise durch Ausschüttung von Zertifikaten aus einer Reserve vorgesehen [UBA21q, S.5; CoE21, S. 57].
Eine weitere Steuerungsmöglichkeit besteht darin, Mindestpreise durch die Auktion von Zertifikaten, also auf dem Primärmarkt, festzulegen. Hierdurch ist allerdings nicht garantiert, dass das Preissignal auf den Sekundärmarkt durchschlägt [WoBa21a, S. 147]. Insbesondere die Ausgabe von Zertifikaten auf Grundlage der ausgestoßenen Emissionen in einem bestimmten Basiszeitraum, das sogenannte Grandfathering, kann das Preissignal abschwächen [WoBa21a, S. 142].
Das deutsche Emissionshandelssystem für Verkehr und Gebäude sieht zunächst eine Einführungsphase in den Jahren von 2021 bis Ende 2025 vor, bei der ohne Fixierung einer Gesamtmenge Zertifikate schrittweise zu ansteigenden Festpreisen veräußert werden. Erst ab dem Jahr 2026 soll ein Cap-and-Trade-System etabliert werden. Für das erste Versteigerungsjahr 2026 ist ein Preiskorridor von 55 bis 65 Euro vorgegeben [Held22, S. 227; UBA23h; Rodi22, S. 314, 318].
Intertemporale und allokative Flexibilität
Der Emissionshandel dient dazu, klimaschädliche Emissionen kosteneffizient zu reduzieren. Dies wird dadurch erreicht, dass die zertifikatspflichtigen Akteure aufgrund der hohen Heterogenität der Vermeidungskosten selbst über die Emissionsverringerung oder den Zertifikatserwerb entscheiden können.
Der Emissionshandel dient dazu, klimaschädliche Emissionen kosteneffizient zu reduzieren. Dies wird dadurch erreicht, dass die zertifikatspflichtigen Akteure aufgrund der hohen Heterogenität der Vermeidungskosten selbst über die Emissionsverringerung oder den Zertifikatserwerb entscheiden können.
Allokative Effizienz wird erreicht, wenn die Emissionsminderung an dem Emissionsort, also der Anlage, vorgenommen werden, wo die Vermeidungskosten am geringsten sind.
Kann der zertifikatspflichtige Akteur den Zeitpunkt der Emissionsreduktion selbst bestimmen und so einen kostengünstigen Zeitpunkt wählen, liegt intertemporale Effizienz vor.
Kann der zertifikatspflichtige Akteur den Zeitpunkt der Emissionsreduktion selbst bestimmen und so einen kostengünstigen Zeitpunkt wählen, liegt intertemporale Effizienz vor.
Können die in einer Verpflichtungsperiode erworbenen Zertifikate auch in die nächste Verpflichtungsperiode überführt werden (sogenanntes Banking), hat dies den Vorteil, dass kurzfristig sogar weniger Emissionen ausgestoßen werden. Liegt allerdings bereits ein Überschuss an Zertifikaten vor, besteht das Risiko, den Überschuss in zukünftige Verpflichtungsperioden zu übertragen [WoBa21a, S. 124 ff., 130 ff.].
Das sogenannte Borrowing ermöglicht es, Zertifikate aus zukünftigen Verpflichtungsperioden bereits aktuell zu nutzen, das heißt zukünftige Emissionen werden in die Gegenwart vorgezogen. Da hierdurch jedoch das Erreichen der Klimaziele verzögert wird und die Gefahr besteht, kurzsichtiges Verhalten zu fördern, ist das Borrowing meist wesentlich strikter reguliert als das Banking [WoBa21a, S. 124 ff., 130 ff.].