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Richtlinien für Lastzüge und Lastzugkombinationen auf europäischer Ebene

Erstellt am: 11.06.2010 | Stand des Wissens: 23.12.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig

Verbindliche Regeln für bestimmte Beförderungen im kombinierten Güterverkehr zwischen Mitgliedsstaaten der EU legt die Richtlinie [92/106/EWG] des Europäischen Rates fest. Hierunter fällt auch der Transport eines 40-Fuß-ISO-Containers im kombinierten Verkehr zwischen EU-Mitgliedsstaaten. Das zulässige Gesamtgewicht für Fahrzeugkombinationen für Sattelkraftfahrzeuge, bestehend aus dreiachsiger Sattelzugmaschine mit zwei- oder dreiachsigen Sattelanhänger, beträgt hierbei 44 Tonnen anstelle von 40 Tonnen [§34 VI StVZO]. Die derzeitigen Rechtsgrundlagen zu Abmessungen und Gewichten für schwere Nutzfahrzeuge in Europa sind in der Richtlinie [96/53/EG] niedergelegt. Artikel 4 der Richtlinie erlaubt es den Mitgliedsstaaten, den innerstaatlichen Verkehr von Lang-Lkw mit 25,25 Metern Länge zu genehmigen, sofern die Kommission davon in Kenntnis gesetzt wird. Im April 2015 beschloss das Europäische Parlament zusammen mit dem europäischen Rat die neue Richtlinie [EU 2015/719], die die alte Richtlinie [96/53/EG] des Rates abändert. Die Änderungen betreffen unter anderem Maße und Gewicht des Lkw [Wagn13b]:
  • Verlängerung der Gesamtlänge des Lkw um bis zu zwei Meter durch einziehbare oder klappbare Luftleiteinrichtungen am Heck (im Vergleich zur sonstigen Höchstlänge von 18,75 Metern)
  • Abrundung und Verlängerung der Fahrkabine für mehr Aerodynamik
  • Erhöhung des Gewichts für Lkw mit E- oder Hybrid-Motoren um eine Tonne
  • Erhöhung der zulässigen Gesamtlänge für Auflieger zum Transport von 45-Fuß-Containern um 15 Zentimeter, um die Kombination von Verkehrsträgern zu verbessern
  • Zulassung der Lang-Lkw für den grenzüberschreitenden Verkehr zwischen zwei Mitgliedsstaaten, in denen der Lang-Lkw bereits zugelassen ist.
  • Vorgeschriebene Gewichtskontrollen durch die Mitgliedstaaten, wobei auch das Einhalten der Achslasten kontrolliert werden soll. Die Bestimmungen zur Fahrzeugkontrolle werden spätestens sechs Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie angewandt.
Aufgrund erwarteter Widerstände einiger Mitgliedsstaaten hat die Kommission von der Idee Abstand genommen, dem Lang-Lkw eine freie Fahrt durch die EU zu ermöglichen. Demnach sind grenzüberschreitende Fahrten mit Lang-Lkw innerhalb der EU weiterhin untersagt, wie das europäische Parlament im Jahr 2015 erneut beschloss. Das Papier der Kommission gilt jedoch erst als "der Auftakt zum Ringen um eine neue EU-Richtlinie" [Helm13]. Die EU-Richtlinie 96/53/EG und die StVZO schreiben eine maximale Fahrzeughöhe von vier Metern vor. Diese Fahrzeughöhe verhindert die Umsetzung der Kundenforderung nach drei Metern Innenhöhe, die insbesondere von der Automobilindustrie gefordert wird. Eine Innenhöhe von drei Metern ermöglicht die dreifache Stapelung von genormten Gitterboxen. Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) setzt sich dafür ein, die Fahrzeughöhe um mindestens fünf Zentimeter anzuheben. In Frankreich gibt es beispielsweise keine ausdrücklichen Höhenbegrenzungen. Die Europäische Kommission beabsichtigt jedoch keine Änderung der Fahrzeughöhen [Verk13d]. Im September 2013 wurden die Ergebnisse einer neuen EU-Studie "Impact of Megatrucks" vorgestellt, die die unterschiedlichen Ergebnisse von acht Studien zum Thema Lang-Lkw zusammenführt und bewertet [Glea13]. Gemäß der Studie überwiegen die Vorteile durch den Einsatz des Lang-Lkw, etwa aufgrund des effizienteren und preisgünstigeren Transports von Gütern. In der Studie wurden die Erfahrungen der Länder Schweden, Finnland, Dänemark, den Niederlanden und Deutschland berücksichtigt, in denen der Lang-Lkw bereits im Einsatz ist. Jedoch räumen die Autoren auch das Fehlen ausreichender Praxisdaten zum Lang-Lkw ein. Dies verhindere die eindeutige Folgenabschätzung etwa zu Verkehrsverlagerungen, zum Verschleiß der Infrastruktur und zur CO2-Belastung. Die Gegner des Lang-Lkw kritisieren die Studie heftig. Sie bezeichnen die Autoren der Studie als Interessensvertretung des Lang-Lkw [Wagn13a].
Ein grenzüberschreitender Verkehr mit Lang-Lkw ist in nach EU-Recht nur dann möglich, wenn zwischen den Nachbarstaaten eine völkerrechtliche Vereinbarung zum grenzüberschreitenden Lang-Lkw-Einsatz besteht [DeBT19]. Dieses Abkommen wurde im September 2021 zwischen dem deutschen und niederländischen Verkehrsministerien geschlossen, sodass Lang-Lkw, solange sie die jeweiligen Vorschriften den Nachbarlands einhalten, zwischen den Niederlanden und Deutschland verkehren dürfen [RaMa21]. Der grenzüberschreitende Verkehr mit Lang-Lkw wird von niederländischen Speditionen bereits täglich praktiziert. Hierbei erfüllen die Lang-Lkw alle deutschen Vorgaben und werden kaum unterbunden, sind aber formell nicht zugelassen. Dies wird sich durch die neue Vereinbarung ändern und die niederländischen Lang-Lkw dürfen offiziell die Grenze nach Deutschland überqueren, wenn sie die in Deutschland geltenden Vorgaben erfüllen [Euro18c; Trans21a].
Ein grenzüberschreitender Verkehr von Lang-Lkw ist schon länger zwischen den drei Benelux-Staaten Belgien, Niederlande und Luxemburg möglich. Die drei Länder einigten sich im Jahr 2015 auf einen entsprechenden Beschluss für Lang-Lkw mit einer Maximallänge von 25,25 Meter und einem zulässigen Gesamtgewicht von 60 Tonnen [Verk15]. Die drei beteiligten Staaten haben dazu das Recht, da sie bereits vor der EU offene Grenzen hatten und laut EU-Gesetzgebung bei Bedarf diese Grenzen untereinander als aufgehoben betrachten dürfen. Sie sind ebenfalls dazu berechtigt eigene Binnenmarktregeln erlassen zu können, wodurch zum Beispiel auch in den drei Staaten bereits der 45-Fuß-Container im Regelverkehr zugelassen ist [DVZ19]. Seit Anfang des Jahres 2019 finden im Rahmen der aktuellen flämischen Testphase zum Einsatz von Lang-Lkw grenzüberschreitende Fahrten zwischen der belgischen Region Flandern und den Niederlanden statt. Die Testphase soll bis Dezember 2024 laufen, wobei belgische und niederländische Unternehmen für bestimmte Strecken Genehmigungen beantragen können, die für den Einsatz von Lang-Lkw in Frage kommen [Verk19]. Luxemburg will vorerst kein Gebrauch von dem Recht für die Erprobung von Lang-Lkw machen [DVZ19].

Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Lastzugkombinationen im Straßengüterverkehr (Stand des Wissens: 23.12.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?221041
Literatur
[DeBT19] Deutscher Bundestag (Hrsg.) Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Matthias Gastel, Stephan Kühn (Dresden), Stefan Gelbhaar, Daniela Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE Grünen, 2019/07/26
[DVZ19] Balsen, Werner Lang-LKW passieren belgisch-niederländische Grenze, 2019/02/12
[Euro18c] Iep van der Meer Lang-Lkw - Mit Überlänge die Grenze überschreiten, 2018/06/20
[Glea13] Steer Davies Gleave The Impact of Megatrucks. Study - Provisional Version, 2013/07
[Helm13] Björn Helmke Höher, länger und breiter, veröffentlicht in Verkehrsrundschau, Ausgabe/Auflage Nr. 39, 2013
[RaMa21] Rathmann, Matthias Lang-Lkw grenzüberschreitend unterwegs, 2021/09/24
[Trans21a] Sabina Koll Lang-Lkw dürfen bald die Grenzen überqueren, 2021/07/29
[Verk13d] ohne Verfasser Sechs Zentimeter, veröffentlicht in Verkehrsrundschau, Ausgabe/Auflage Nr. 41, 2013
[Verk15] Nonnenmann, Stefanie Benelux-Länder erlauben grenzüberschreitende Lang-Lkw-Fahrten, 2015/11/20
[Verk19] Nonnemann, Stefanie Erste Lang-Lkw fahren zwischen Niederlanden und Belgien, 2019/01/28
[Wagn13a] Kay Wagner Gute Noten für den Lang-LKW, veröffentlicht in Verkehrsrundschau, Ausgabe/Auflage Nr. 37, 2013
[Wagn13b] Kay Wagner Pläne für neue LKW-Maße in der Kritik, veröffentlicht in Verkehrsrundschau, Ausgabe/Auflage Nr. 39, 2013
Rechtsvorschriften
[92/106/EWG] Richtlinie 92/106/EWG des Rates
[96/53/EG] Richtlinie 96/53/EG
[EU 2015/719] Richtlinie (EU) 2015/719 vom 29. April 2015 zur Änderung der Richtlinie 96/53/EG
[StVZO] Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO)
Glossar
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
Radsatzlast Die Radsatzlast (auch Achslast) beschreibt den Anteil der Fahrzeuggesamtmasse in Tonnen, der vom Fahrzeug über eine Achse auf den Schienenfahrweg aufgebracht wird.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?322014

Gedruckt am Mittwoch, 24. April 2024 16:13:44