Hemmnisse der Binnenschifffahrt in Bezug auf intermodale Verkehre
Erstellt am: 08.06.2010 | Stand des Wissens: 12.06.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten
Trotz vorhandener Kapazitätsreserven verhindert der geringe Ausbauzustand einiger Abschnitte von Wasserstraßen qualitativ hochwertige Angebote für einen wassergebundenen Hauptlauf intermodaler Verkehre. Dies betrifft beispielsweise den Abschnitt Straubing - Vilshofen der Donau, die Verbindung zwischen dem Rhein und Berlin, Mittel- und Oberelbe oder die Schleusenkapazität an der Mosel. Zudem verhindern zum Teil unzureichende Brückenhöhen einen zweilagigen Containerverkehr [PLAN03c].
Von besonderer Bedeutung für den Kombinierten Verkehr unter Einbindung der Wasserstraße sind die Binnenhäfen. Durch leistungsfähige Anbindungen an Straße, Schiene und Seehäfen können sie als trimodale Schnittstellen dienen, die eine kostengünstige Verteilung von Gütern im Hinterland ermöglichen [BMVBS09; 470998]. Dazu sind jedoch zwischen Bund und Ländern abgestimmte Standortplanungen erforderlich, die zukünftig in der Verkehrswegeplanung stärker berücksichtigt werden müssen [BMVBS09; 470998]. Derzeit erlaubt die veraltete technische Ausstattung vieler Binnenhäfen keine zeitgemäßen Logistikdienstleistungen [BMVBS09; 470998], zu denen neben der reinen Lagerungs- und Konsolidierungsfunktion seehafennahe, aber nicht seehafenabhängige Mehrwertdienste, wie etwa Reparaturen von Containern gehören [Unic09].
Der wesentliche Begrenzungsfaktor für die Binnenschifffahrt als Hauptlauf im Kombinierten Verkehr sind die Transportkosten. Sie sind trotz geringerer Streckenkosten vor allem auf kurzen und mittleren Relationen höher als beim direkten Transport auf der Straße (vergleiche Abbildung 1 [Unic09]), da beim Übergang zum Nachlauf im Straßengüternahverkehr ein zusätzlicher Umschlag erforderlich ist. Außerdem ist die Verladung im Seehafen aufgrund der aufwändigeren Technik mit etwa 80 Euro je Ladeeinheit fast doppelt so teuer wie die Verladung auf ein Straßenfahrzeug [Unic09, S. 114ff.].
Ein Sonderbericht der europäischen Kommission aus dem Jahr 2015 identifizierte die unzulängliche Infrastruktur (d. h. Engpässe und Verbindungslücken) als eines der größten Hemmnisse für die Binnenschifffahrt. Der Bericht geht dabei speziell auf Brücken (Pfeilerabstand und Durchfahrtshöhe), die Fahrrinnentiefe, die Schleusenkapazität und die Wasserstraßenvernetzung ein [EURHof15, S. 14ff.]. Er betont auch, dass der Fokus der Nationen auf dem Schienenverkehr liegt, der laut Umfragen des Berichtes, verhältnismäßig weit mehr durch TEN-V-Ausgaben gefördert wird als der Binnenverkehr [EURHof15, S. 20].
Abbildung 1: Vergleich der Transportkosten von Lkw und Binnenschiff für Containerverkehre ab Hamburg [Unic09, S. 59f.] (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
Eine Förderung der Binnenschifffahrt kann der Europäischen Binnen- und Seeverkehrsvereinigung European River-Sea Transport Union (ERSTU) zufolge auch indirekt dem Kombinierten Verkehr zugutekommen. So könnte eine Verlagerung von Bahnfracht auf die Wasserwege beim Verkehrsträger Schiene dringend erforderliche Kapazitäten freisetzen, die die Wettbewerbsfähigkeit schienengebundener intermodaler Verkehre verbessern [PLAN03c]. So ist jedoch anzumerken, dass in Deutschland bei einem Verkehrsträgeranteil der Binnenschifffahrt von 12,5 Prozent nur etwa 3,5 Prozent der Mittel (aus dem TEN-V-Programm, dem EFRE und dem Kohäsionsfonds für lokale, regionale und TEN-V-Wasserstraßen) zugewiesen wurden, die für EU-finanzierte Binnenschifffahrtsprojekte verwendet wurden. Ein im Vergleich zu anderen seenahen EU-Ländern wie der Niederlande, Belgien oder Frankreich sehr geringer Wert [EU15a, S.29].