Gefahrenabwehr in Seehäfen - Rechtliche Grundlagen
Erstellt am: 04.06.2010 | Stand des Wissens: 13.07.2022
Ansprechperson
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. T. Blecker
Technische Universität Hamburg - Institut für Logistik und Unternehmensführung
Um die internationalen Regelungen in kürzester Zeit global zu implementieren, hat die International Maritime Organisation (IMO) die neuen Gefahrenabwehrmaßnahmen in das Internationale Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See von 1974 ("International Convention for the Safety of Life at Sea" (SOLAS)) aufgenommen. Die erweiterte SOLAS und auf ihrer Basis der "International Ship and Port Facility Security Code" (ISPS) wurden auf einer Diplomatischen Konferenz am 12.12.2002 in London von den IMO-Staaten verabschiedet und bilden die Grundlage eines globalen Systems für die Gefahrenabwehr im Seeverkehr [Dab05]. Sie gelten seit dem 01.07.2004 und müssen von den IMO-Vertragsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden [ZDS03d].
Aus Zuständigkeitsgründen konnten von der IMO keine Maßnahmen zur Gefahrenabwehr für den gesamten Hafenbereich im Rahmen des SOLAS-Übereinkommens vorgesehen werden. Die beschlossenen Maßnahmen beziehen sich nur auf die Seeschifffahrt und die unmittelbare Schnittstelle Schiff-Land. Daher wurde mit der "Internationalen Arbeitsorganisation (ILO)" eine gemeinsame Arbeitsgruppe eingesetzt, die einen "Security in ports- ILO and IMO code of practice" erarbeitete [ILOIMO04].
Bedeutsam für die Seehäfen ist auch das von der World Customs Organisation (WCO) entwickelte "Framework of Standards to Secure and Facilitate Global Trade" (SAFE Framework) [ZDS11, S.4].
Da die Hafensicherheit in Länderkompetenz fällt, erließen die Küstenländer und Nordrhein-Westfalen auf Grundlage eines gemeinsamen Musterentwurfs Hafensicherheitsgesetze, die in den Detailregelungen gewisse Abweichungen zeigen und unterschiedlich stringente Anforderungen enthalten. Beinhaltet sind ausführende Regelungen unter anderem zur Risikobewertung für die Hafenanlage, zum Gefahrenabwehrplan und zur Zuverlässigkeitsüberprüfung von Beauftragten zur Gefahrenabwehr im Hafen.[ZDS05a, S.21f.]
Die EU-Verordnung 725/2004 zur Erhöhung der Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen [EU-VO725/2004] setzt den ISPS-Code der IMO in Gemeinschaftsrecht um, verschärft die Regelungen aber, indem sie auf nationale Verkehre innerhalb der EU ausgedehnt werden. Weiterhin werden Ziffern aus dem empfehlenden Teil B des ISPS-Codes in Europa verpflichtend eingeführt [Orde05; Roos05].
Die Umsetzung der Bestimmungen der Richtlinie kann durch Kommissionsinspektionen überprüft werden. Sie gilt unmittelbar in den Mitgliedsstaaten und bedarf keiner Umsetzung in innerstaatliches Recht, um Rechtswirkung zu entfalten.
Für die technische Umsetzung der im Annex enthaltenen Maßnahmen wurde das Maritime Security Regulatory Committee (MARSEC Committee) aus Experten der Mitgliedsländer unter Vorsitz der Kommission gebildet.
Mit der Richtlinie 2005/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 verfolgt die Europäische Kommission das Ziel, die Sicherheit in den übrigen Hafengebieten, die nicht unter den ISPS-Code fallen, zu verbessern. Die Richtlinie sieht vor, dass für die Seehäfen Gutachten zur Risikobewertung erstellt und Pläne zur Gefahrenabwehr ausgearbeitet werden. Den Mitgliedstaaten obliegt es dabei, die Grenzen für jeden Hafen, in denen die Richtlinie gilt, festzulegen. Für jeden Hafen ist ein Beauftragter zur Gefahrenabwehr zu benennen. Zu den Gefahrenabwehrplänen sind Übungen abzuhalten [EU-VO65/2005].
Die europäischen Regelungen zu Seehäfen sind eingebettet in Regelungen zur Lieferkettensicherheit. Sie sind enthalten im überarbeiteten Zollkodex der Gemeinschaft (Verordnung(EG) Nr. 648/2005), der 2009 voll in Kraft trat.
Ein wesentlicher Bestandteil ist die Einführung "Zugelassener Wirtschaftsbeteiligter" (Authorised Economic Operator - AEO) ab dem 1.1.2008. Dies sind an der Supply Chain beteiligte Unternehmen mit Sitz in Europa, für die es drei mögliche Kategorien gibt: Customs (C), Safety and Security (S) und Full (F) als Kombination. Für die Erlangung des Status müssen jeweils bestimmte Kriterien erfüllt werden, wobei eine Zertifizierung nach ISO 28000 vom Hauptzollamt zur Erfüllung der jeweiligen Kriterien anerkannt werden muss. Die Norm ISO/PAS 28000 beschreibt ein System für die Sicherheit in der Lieferkette. Sie soll einem Unternehmen die Möglichkeit geben, systematisch die Risiken der Lieferkette zu erfassen und Abwehrmaßnahmen einzuleiten.[GAO09, S.6, TrNL10]