Lösungsansätze für eine barrierefreie Gestaltung des Verkehrs bei der Deutschen Bahn
Erstellt am: 28.01.2003 | Stand des Wissens: 22.08.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Der Schienenverkehr ist derzeit das umweltfreundlichste und für viele mobilitätsbehinderte Menschen annehmbarste Verkehrsmittel, insbesondere über mittlere und große Entfernungen. Der Ausbau und die Fördermaßnahmen zur Verbesserung der Zugänglichkeit des Schienenverkehrs sind auf lange Sicht eine lohnende Investition, die am wenigsten die Umwelt belasten und zurzeit die größte Sicherheit bieten.
Um im Personennah- und Fernverkehr auf dem Netz der Deutschen Bahn AG eine Erhöhung einer barrierefreien Mobilität zu gewährleisten, wurde ein Anforderungsprofil mit diesem Ziel erstellt. Danach empfiehlt es sich, mindestens einen behindertengerechten Eisenbahnwagen in Zügen mitzuführen.
Erforderlich ist ein fahrzeugbezogener Lift in allen Zügen, die an nicht niveaugleichen Bahnsteigen halten. Die Fahrzeugtüren sollten über eine selbsttätige Öffnungseinrichtung und ein akustisches Signal oder Tastlippen zum besseren Auffinden für sehbehinderte oder blinde Personen verfügen.
Barrierefreie Eisenbahnwagen verfügen über einen verbreiterten Gangbereich und sind möglichst unmittelbar an den Speisewagen zu kuppeln. Die Innentüren dieser Fahrzeuge sollten selbsttätig öffnen, was bereits heute in ICE-Zügen praktiziert wird.
Barrierefreie Waggons weisen Sitzplätze für Rollstuhlfahrer in der Nähe behindertengerechter Toiletten auf. Wird von den Rollstuhlfahrern keine Umsetzung erwünscht, so müssen an entsprechender Stelle Stellplätze zur Verfügung stehen. Ferner sollten diese Waggons bereits von außen durch eine entsprechende Kennzeichnung identifizierbar sein, um ein rasches Auffinden zu ermöglichen.
Die Einstiegssituation stellt sich heute folgendermaßen dar: Im Fernverkehr ist die Einstiegssituation an den überwiegend 76 Zentimeter hohen Bahnsteigen im ICE-Verkehr befriedigend, im IC-Verkehr dagegen unbefriedigend, da die Spaltbreiten sehr unterschiedlich ausfallen. Im Regionalverkehr (ohne S-Bahn) ist ein barrierefreier Zugang derzeit nur für etwa 20 Prozent der Mobilitätseingeschränkten gegeben. Der Anteil der auf 76 beziehungsweise 55 Zentimeter angehobener Bahnsteigkanten beträgt im Regionalverkehr lediglich 25 beziehungsweise neun Prozent. Durch umfassende Investitionen in den letzten Jahren ist ein barrierefreier Fahrzeugzugang im S-Bahn-Verkehr zunehmend gegeben.
Für den Fernverkehr bietet sich generell eine Bahnsteighöhe von 76 Zentimeter an, für den Regionalverkehr eine Bahnsteighöhe von 76 oder 55 Zentimeter, je nach Ausbaustandard entlang einer Linie.
Wegen der langen Nutzungsdauer von etwa 70 bis 100 Jahre der Bahnsteige und etwa 25 bis 35 Jahre der Fahrzeuge lassen sich die Einstiegsbedingungen nur schrittweise ändern. Die Entwicklung von Szenarien hat gezeigt, dass sich der barrierefreie Zugang im Regionalverkehr von heute 20 Prozent in zehn Jahren auf 50 Prozent und in 20 Jahren auf 75 Prozent steigern lässt.
Der entscheidende Lösungsansatz zur Verbesserung der Einstiegssituation ist die linienbezogene Harmonisierung der Bahnsteig- und Fahrzeugeinstiegshöhen, weil nur so ein stufenloser Einstieg möglich ist [Erns06].
Im Hinblick auf die Bahnsteighöhen ist trotz enormer Inanspruchnahme von Zeit und Kosten die Verwirklichung eines niveaugleichen Einstiegs an allen Bahnhöfen anzustreben. Derzeit existieren noch unterschiedliche Bahnsteighöhen [BAR01].
Im Schienenpersonennahverkehr sind in absehbarer Zeit in den einzelnen Regionen barrierefreie Lösungen nur unter Beachtung der örtlichen Randbedingungen im Einzelfall zu verwirklichen. Bei Mischbetrieb sind fahrzeuggebundene Einstiegshilfen unverzichtbar. Die Verlagerung der Zuständigkeit auf die regionale Ebene hat sich bisher vorteilhaft ausgewirkt. Es fehlen jedoch noch einheitliche Standards zum Beispiel für die Ausgestaltung der Fahrzeuge [Blen03a].