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Marktsegmente des Schienenpersonenfernverkehrs

Erstellt am: 01.04.2010 | Stand des Wissens: 22.04.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Der Markt des Schienenpersonenfernverkehrs (SPFV) ist in die Segmente der nationalen und der grenzüberschreitenden Beförderungsdienstleistungen unterteilt. Während das erstgenannte mit Blick auf Fahrgastaufkommen und erbrachte Verkehrsleistung deutlich überwiegt, kommt internationalen Angeboten speziell vor dem Hintergrund der EU-seitigen Integrationsbemühungen und weiterhin bestehender technischer sowie organisatorischer Inkompatibilitäten eine besondere Bedeutung zu.
Waren 2008 nur knapp acht Prozent aller Mitfahrenden im deutschen SPFV grenzüberschreitend unterwegs, stieg ihr Anteil bis 2018 auf 10,6 Prozent an. Dies entspricht einer Steigerung der grenzüberschreitenden Fahrten um knapp 30 Prozent von 10,7 Millionen (2008) auf 15,7  Millionen (2018) Fahrten. Der SPFV innerhalb der Bundesrepublik Deutschland konnte seine Fahrgastzahlen im gleichen Zeitraum (123,74 Millionen 2008, 148,6 Millionen 2018) nicht in dem gleichen Ausmaß steigern (Abbildung 1). [Stat646, Dest08b, StaBu17a, Dest20q, S. 8; Dest21h, S. 68] . Im Jahr 2020 reduzierten sich die Fahrgastzahlen aufgrund der Corona-Pandemie auf 81,5 Millionen. Fortschreitende intraeuropäische Angebotsverbesserungen, wie sie beispielsweise 2012 mit der Einrichtung der Verbindung Frankfurt - Marseille oder die seit kurzem wieder in Betrieb genommenen Nachtzuglinien Wien-München-Paris, Wien-Berlin, Wien-Brüssel, Zürich-Frankfurt-Amsterdam/-Hamburg sowie Zürich-Barcelona (im Dezember 2024) können dem länderübergreifenden SPFV gewisse Wachstumsimpulse verleihen [Hoff12; DBAG20j]. 
308241_Abb_1_al.pngAbbildung 1: Vergleich der Verkehrsaufkommensentwicklung im nationalen und grenzüberschreitenden Verkehr zwischen den Jahren 2008 und 2018 (eigene Darstellung nach [Stat646; Dest08bDest20q, S. 8; Dest21h, S. 68] )
In Relation zum Schienenpersonennahverkehr nimmt der SPFV hinsichtlich der Anzahl der beförderten Mitfahrenden eine untergeordnete Rolle ein. Nur knapp jeder 28. mitfahrende Person, welche im Jahr 2019 schienengebundene Transportangebote in Anspruch nahm, war dem Fernverkehr zuzurechnen. Dieses Verhältnis relativiert sich jedoch bei Betrachtung der jeweils erbrachten Beförderungsleistung. Mit 44,7 Milliarden Personenkilometern erreichten nationale SPFV-Angebote einen Anteil von 44,5 Prozent an der insgesamt auf dem deutschen Eisenbahnnetz erbrachten Verkehrsleistung im Schienenpersonenverkehr. Damit bleibt der SPFV der umsatzschwächste Zweig im deutschen Eisenbahnverkehrsmarkt. Das Umsatzvolumen im deutschen SPFV betrug im Jahr 2018 fünf Milliarden Euro, während der Wachstumstrend der Umsätze in den vorangehenden Jahren nur schwach ausgeprägt war [BMVI22b, S. 55; BNeA20, S. 16]. Nichtsdestotrotz erweist sich der SPFV unter anderem mit Blick auf das wirtschaftliche Entwicklungspotenzial einzelner Regionen als bedeutend. So sind durch eine gute Erreichbarkeit des schienengebundenen Fernverkehrs insbesondere für das Marktsegment der Geschäftsreisenden positive Effekte zu erzielen.  Des Weiteren kann eine hohe, durch den SPFV verbesserte Erschließungsqualität zur Lebensqualität der Wohnbevölkerung beitragen. Angesichts der Tatsache, dass über 85 Prozent der Einwohner Deutschlands innerhalb von 30 Minuten Pkw-Fahrzeit Zugang zum nationalen SPFV erlangen, kann den betreffenden Beförderungsangeboten eine erhebliche volkswirtschaftliche Relevanz unterstellt werden [BBSR12b, S. 83f.].
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Der Markt des Schienenpersonenfernverkehrs (Stand des Wissens: 19.09.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?308244
Literatur
[BBSR12b] Einig K., u. a. Raumordnungsbericht 2011, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Bonn, 2012/07/03
[BMVI22b] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Verkehr in Zahlen 2021/2022, 2021/9
[BNeA20] Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Hrsg.) Jahresbericht 2020 - Bundesnetzagentur, 2020/12/31
[DBAG20j] Deutsche Bahn AG Konzern (Hrsg.) Gemeinsam für Europa: Neue Linien im Nachtzugverkehr, 2020/12/08
[Dest08b] o.A. Reiseverhalten im öffentlichen Personenverkehr - ein Vergleich zwischen Flugzeug und Schiene, Wiesbaden, 2008/02/21
[Dest20q] Statistisches Bundesamt (Hrsg.) Verkehr - Eisenbahnverkehr, 2019/11/29
[Dest21h] Statistisches Bundesamt (Hrsg.) Verkehr - Verkehr aktuell, 2021/11/30
[Hoff12] Hoffmann, F. In weniger als acht Stunden ans Mittelmeer, veröffentlicht in Deine Bahn, Ausgabe/Auflage 7/2012, Bahn Fachverlag GmbH / Berlin, 2012/07, ISBN/ISSN 0948-7263
[StaBu17a] Statistisches Bundesamt Statistisches Bundesamt: Fachserie 8 Reihe 2, Eisenbahnverkehr - Jahresergebnisse 2016, 2017/09/04
Statistiken
[Stat646] Statistisches Bundesamt SPFV: Anzahl der Fahrgäste und Beförderungsleistung (2011), 2012/06/18
Glossar
Personenkilometer
Die Einheit Personenkilometer [Pkm] beschreibt die im Rahmen einer Personenbeförderung erbrachte Verkehrsarbeit. Diese definiert sich als Produkt der Verkehrsmenge (Summe der beförderten Personen) und der von dieser dabei zurückgelegten Wegstrecke in km.
Verkehrsarbeit [Pkm] = Verkehrsmenge [P] * Wegstrecke [km]
Schienenpersonennahverkehr
Gemäß Regionalisierungsgesetz (RegG) § 2 handelt es sich bei einer auf der Schiene erbrachten Beförderungsdienstleistung um ein Angebot des Nahverkehrs, "wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle [...] die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt" [RegG, § 2]. Zur Erfüllung der Daseinsvorsorge wird der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) von den Ländern bestellt und unterstützt. Der SPNV ist eine Sonderform des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Der ÖPNV ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert, der SPNV zusätzlich noch im Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG).
Verkehrsleistung
Die Verkehrsleistung gibt Auskunft über die Inanspruchnahme von Ressourcen. Als Verkehrsleistung wird die auf eine Zeiteinheit t (zum Beispiel ein Jahr) bezogene Verkehrsarbeit definiert und als Quotient dargestellt. Die Verkehrsarbeit wird dabei als Produkt von Verkehrseinheiten (zum Beispiel Güter oder Personen) und der durch diese zurückgelegten Strecke gebildet. In der Verkehrswissenschaft sind die Einheiten Personenkilometer pro Jahr [Pkm/a] oder Tonnenkilometer pro Jahr [tkm/a] gebräuchlich.
Schienenpersonenfernverkehr
Der Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) ist die Beförderung von Reisenden mit Eisenbahnzügen über längere Strecken mit mehr als einer Stunde Fahrzeit oder 50 km Entfernung. Im Gegenzug zum Schienenpersonennahverkehr (SPNV) bzw. dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) wird der SPFV eigenwirtschaftlich betrieben und muss sich betriebsökonomisch selbst tragen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?308241

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 17:03:04