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Zentrale Gestaltungsparameter und idealtypische Verfahren

Erstellt am: 25.03.2010 | Stand des Wissens: 16.06.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Bauhaus-Universität Weimar, Professur Infrastrukturwirtschaft und -management - Prof. Dr. Thorsten Beckers
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Eine Regulierung kann darauf ausgerichtet sein, dem Unternehmen eine Deckung der Durchschnittskosten bezüglich des aktuellen oder eines mit dem Regulierer abgestimmten Kapazitätsniveaus zu ermöglichen. Weiterhin besteht die Option, dem Unternehmen zu erlauben, Preise in Höhe der durchschnittlichen inkrementellen Kosten (DIK) bezüglich einer bestimmten Kapazitätserweiterung anzusetzen. Im Falle von Grenzkosten größer als Durchschnittskosten (GK > DK) können bei einer Preissetzung mit DIK dem regulierten Unternehmen Anreize für Investitionen zu effizienten Kapazitätserweiterungen gesetzt werden. Dies war unter anderem bei der Preissetzung zur Flughafenregulierung in Großbritannien diskutiert worden, um für größere Ausbaumaßnahmen sinnvolle Investitionsanreize zu schaffen. Diese wurden letztendlich aber nicht implementiert [CAA08 und COMP08a]. In diesem Zusammenhang ist jedoch auf die folgenden Nachteile beziehungsweise Probleme zu verweisen, die mit diesem Ansatz einhergehen:
  • Dem Unternehmen würden in Abhängigkeit des Verlaufs von DIK und DK gegebenenfalls sogar erhebliche Gewinne zugestanden. Dies ist mit einer Kostenzuschlagsregulierung unvereinbar. Im Rahmen einer Anreizregulierung ist dieser Effekt angesichts des Ziels der Kosteneffizienz aus Nutzersicht nachteilig.
  • Bei diesem Ansatz wäre vom Regulierer zu entscheiden, auf welchen Umfang an Kapazitätserweiterungen sich die Berechnung der DIK bezieht. Damit beeinflusst der Regulierer den anzustrebenden Kapazitätserweiterungsumfang erheblich und es stellt sich die Frage, warum er dieses dann nicht auf einem direkteren Weg tut. Durch den Rückgriff auf DIK kann zwar dem Unternehmen ein Anreiz gesetzt werden, den optimalen Investitionszeitpunkt zu wählen, allerdings wird es dabei aus einer betriebswirtschaftlichen Perspektive entscheiden, was nicht der wohlfahrtsökonomisch sinnvollen Entscheidung entsprechen muss.
  • Für die Ermittlung der DIK kann als Methode ein analytisches Kostenmodell genutzt werden, dessen Erstellung relativ zeitaufwendig und kostspielig ist. Die Competition Commission verweist darauf, dass die Erstellung eines analytischen Kostenmodells bei Flughäfen als schwierig einzustufen ist [COMP08a].
  • Nicht zuletzt werden große Kapazitätserweiterungsinvestitionen bei Flughäfen regelmäßig durch Abstimmungen der Stakeholder und gesetzlich normierte Planungsprozesse beeinflusst. Das verdeutlicht, dass vor allem Entscheidungen bezüglich größerer Ausbauvorhaben letztlich nur begrenzt durch einen Flughafen alleine gefällt werden.
Vor diesem Hintergrund ist insbesondere für umfangreiche Ausbauvorhaben bei Flughäfen eine Berücksichtigung der DIK bei der Regulierung nicht sinnvoll. Insbesondere, wenn die Nachteile dieses Ansatzes im Hinblick auf die Minimierung der von den Nutzern zu zahlenden Preise berücksichtigt werden.

Der Regulierer beeinflusst das Preisniveau des regulierten Unternehmens auch durch die Wahl des so genannten "Entgeltmaßstabs". Der Entgeltmaßstab legt fest, inwieweit Kosten des Unternehmens in die Festsetzung der Regulierungsrestriktion einfließen. Wenn sämtliche Kosten vollkommen unabhängig von der Effizienz des Unternehmens berücksichtigt werden, wird von einem Entgeltmaßstab der "Vollkosten" gesprochen. Dieser Entgeltmaßstab liegt der Kostenzuschlagsregulierung in ihrer idealtypischen Ausprägungsform zugrunde.

Beim Entgeltmaßstab der "Kosten der effizienten Leistungserstellung" (KEL) wird darauf abgezielt, dass bei der Aufstellung der Regulierungsrestriktion grundsätzlich keine Kosten berücksichtigt werden, die infolge einer ineffizienten Leistungserstellung anfallen. Von besonderer Bedeutung ist, welcher Zeitraum im Hinblick auf die nicht berücksichtigungsfähigen Kosten zugrunde gelegt wird. Wenn eine externe Regulierung neu eingeführt wird und die KEL unter voller Berücksichtigung der ineffizienten Investitionsentscheidungen vergangener Jahre ermittelt werden, dürfte das Unternehmen zunächst auch im Falle zukünftig effizienter Leistungserstellung systematisch Verluste erleiden. Aus diesem Grund kann ein derartiges Vorgehen eines Regulierers grundsätzlich als opportunistisch eingestuft werden und ist daher abzulehnen.

Die Allokation von Kostenrisiko zwischen dem regulierten Unternehmen und seinen Nachfragern beeinflusst, inwieweit das Unternehmen seine Preise in Abhängigkeit realisierter Kosten anpassen darf. Bei einer Kostenzuschlagsregulierung tragen die Nachfrager das Kostenrisiko sowie die Mehr- beziehungsweise Minderkosten gegenüber den erwarteten Kosten. Diese bieten sich als Grundlage für die Festlegung des Ausgangspreisniveaus an und führen zu entsprechenden Preiserhöhungen beziehungsweise -reduktionen. Bei einer Kostenzuschlagsregulierung liegen damit keinerlei Anreize zu einer effizienten Leistungserstellung vor.

Bei einer kostenorientierten Anreizregulierung wird für einzelne Regulierungsperioden, die international in der Regel vier bis sechs Jahre betragen, das Kostenrisiko an das regulierte Unternehmen übertragen. Sofern das Risiko (vollständig oder teilweise) nicht vom regulierten Unternehmen getragen wird, ist es den Nutzern zugeordnet. Die Frage ist, inwieweit nach Ablauf einer ersten Regulierungsperiode bei der Festlegung der Regulierungsrestriktionen für die dann folgende zweite Periode die zwischenzeitlich aufgetretenen Kosten berücksichtigt werden: Je umfangreicher dies passiert, umso geringer sind die (Effizienz-)Anreize für das Unternehmen in der ersten Regulierungsperiode, was insbesondere für die letzten Jahre der ersten Periode gilt (sogenannter Sperrklinkeneffekt [Berl57]).

Durch eine Verlängerung der Regulierungsperioden können zwar Anreize erhöht werden, jedoch nehmen damit auch die Kontrahierungsprobleme infolge einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von Umweltänderungen zu, die inkompatibel mit den für die erste Regulierungsperiode festgesetzten Regulierungsrestriktionen sind. Weiterhin werden damit einhergehend auch das Risiko auf Unternehmensseite und die Risikokosten ansteigen. Insofern stellt die Verlängerung von Regulierungsperioden über eine bestimmte Zeitdauer hinaus grundsätzlich keine geeignete Maßnahme dar.

Mit Blick auf die internationale Praxis kann festgehalten werden, dass Elemente einer idealtypischen Anreizregulierung bezüglich der Allokation von Kostenrisiko in einigen Sektoren umgesetzt worden sind. Bei Flughäfen dürfte dies jedoch aufgrund von methodischen Problemen nicht realistisch sein und darüber hinaus erscheint die Vorteilhaftigkeit einer idealtypischen Anreizregulierung ohnehin zweifelhaft. Eine Kostenzuschlagsregulierung kann bei Vernachlässigung von Kontrahierungsproblemen grundsätzlich als suboptimal eingestuft werden. Diese Umstände deuten auf die Vorteilhaftigkeit einer kostenorientierten Anreizregulierung hin. Allerdings sind zunächst noch Kontrahierungsprobleme in die Überlegungen einzubeziehen, um eine abschließende Einschätzung zur Eignung der Kostenzuschlagsregulierung und der kostenorientierten Anreizregulierung vornehmen zu können.

Sofern Nachfragerisiko einem regulierten Unternehmen zugeordnet wird, bleiben die Preise auch bei Nachfrageschwankungen konstant. Wenn das Risiko von den Nachfragern getragen wird, kann das Unternehmen infolge eines Nachfragerückgangs die Preise erhöhen. Bei einer Kostenzuschlagsregulierung wird das Nachfragerisiko stets von den Nachfragern getragen. Bei einer kostenorientierten Anreizregulierung sind die aufgezeigten Extremformen der Risikozuordnung sowie diverse Zwischenlösungen denkbar. Bei einer idealtypischen Anreizregulierung wird das Nachfragerisiko grundsätzlich vom Unternehmen getragen, da auf dieser Basis dem Unternehmen Anreize zur Optimierung der Preisstruktur gesetzt werden können.

Zu berücksichtigen ist, dass die Zuordnung des Nachfragerisikos nicht nur mit Anreizwirkungen einhergeht, sondern auch die Gesamtkosten der Risikoübernahme beeinflusst, die die bei den Nachfragern und dem regulierten Unternehmen anfallenden Kosten umfassen. Das Nachfragerisiko ist zu einem nicht unerheblichen Teil ein systematisches Risiko, dessen Übernahme im besonderen Maße Kosten verursacht. Bezüglich des Flughafensektors kann hier nicht geklärt werden, in welchem Verhältnis die Risikoaversionen von Flughäfen und Fluggesellschaften zueinander stehen.

Eine idealtypische Anreizregulierung hat neben der Etablierung hoher Anreize zu effizienter Leistungserstellung das Ziel, Anreize für das Unternehmen zu schaffen und eine aus wohlfahrtsökonomischer Sicht vorteilhafte Preisstruktur zu wählen. Voraussetzung für die Etablierung entsprechender Anreize ist, dass dem Unternehmen Nachfragerisiko übertragen wird, was bei einer idealtypischen Anreizregulierung stets erfolgt. Die Regulierungsrestriktion bezüglich der Preishöhe und -struktur wird bei einer idealtypischen Anreizregulierung nach dem Preiskorb-Ansatz aufgestellt. Die vom Unternehmen gewählten Preise werden mit den Mengen einer Vorperiode gewichtet, wobei dieses Produkt ein bestimmtes Niveau nicht überschreiten darf. Das Niveau wird vom Regulierer unter Berücksichtigung des Entgeltmaßstabs festgesetzt. Da auf diese Weise die Preise des Unternehmens (und nicht seine Erlöse) begrenzt werden, spricht man auch von einer Price-Cap-Regulierung beziehungsweise Preisgrenzenregulierung.

Bei einer Kostenzuschlagsregulierung ist die Etablierung von Anreizen zur Preisstrukturoptimierung grundsätzlich nicht möglich. Im Rahmen einer kostenorientierten Anreizregulierung kann hingegen die Regulierungsrestriktion nach dem Preiskorb-Ansatz gewählt werden, womit die damit einhergehenden Anreize zur Optimierung der Preisstruktur gesetzt werden. Alternativ besteht bei einer kostenorientierten Anreizregulierung die Möglichkeit, die Regulierungsrestriktion in Form eines so genannten "Revenue-Caps", einer Erlösgrenze, vorzugeben. In diesem Fall spricht man von einer Revenue-Cap-Regulierung beziehungsweise Erlösgrenzenregulierung. Bei einer idealtypischen Anwendung dieses Ansatzes trägt das Unternehmen kein Nachfragerisiko und besitzt keinerlei Anreize zur Optimierung der Preisstruktur.

Die Preisstruktur an Flughäfen wird in der Praxis in Deutschland auch durch umweltpolitische Überlegungen beeinflusst, was im Sinne einer verursachungsgerechten Internalisierung zu begrüßen ist. Es kann festgehalten werden, dass im Rahmen einer kostenorientierten Anreizregulierung die Möglichkeit zur Etablierung von Anreizen zur Optimierung der Preisstruktur besteht, während dies bei einer Kostenzuschlagsregulierung nicht der Fall ist.
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Flughafenregulierung (Stand des Wissens: 16.06.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?302668
Literatur
[Berl57] Berliner, J. S. Factory and Manager in the Soviet Union, Cambridge M.A.: Harvard University Press, 1957
[Caa04e] Civil Aviation Authority (CAA) Airport Regulation: Looking to the Future - Learning from the Past, 2004
[CAA07] Civil Aviation Authority (CAA) CAA publishes price control proposals for Heathrow and Gatwick, 2007
[CAA08] Civil Aviation Authority (CAA) (Hrsg.) CAA publishes CC Stansted Airport Charges Report, 2008
[COMP08a] Competition Commission (Hrsg.) Assessment of competition at Stansted airport , 2008
Glossar
Stakeholder Stakeholders sind alle internen und externen Personengruppen, die von den unternehmerischen Tätigkeiten gegenwärtig oder in Zukunft direkt oder indirekt betroffen sind. Gemäß Stakeholder-Ansatz wird ihnen - zusätzlich zu den Eigentümern (Shareholders) - das Recht zugesprochen, ihre Interessen gegenüber der Unternehmung geltend zu machen. Eine erfolgreiche Unternehmungsführung muss die Interessen aller Anspruchsgruppen bei ihren Entscheidungen berücksichtigen.
Grenzkosten Die Grenzkosten des Faktoreinsatzes bezeichnen die zusätzlichen Kosten, die für den Einsatz jeweils einer zusätzlichen Faktoreinheit entstehen oder anders ausgedrückt: sie bezeichnen die Kosten der jeweils "letzten" Faktoreinheit. Da nur die variablen Kosten sich verändern, gehen auch nur diese in die Grenzkosten ein. Fixe Kosten werden nicht berücksichtigt. Die Grenzkosten des Faktoreinsatzes entsprechen im allgemeinen, d.h. bei proportionalen variablen Kosten, den variablen Durchschnittskosten. Weist jedoch die Funktion der variablen Kosten einen diskontinuierlichen Verlauf auf, weil bspw. ab einer bestimmten Grenze variable Abschreibungen entstehen, dann müssen die variablen Kosten der letzten Faktoreinheit zur Bestimmung der Grenzkosten herangezogen werden.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?302230

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 16:28:02