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Weitere Ausgestaltungsmöglichkeiten der Flughafenregulierung

Erstellt am: 25.03.2010 | Stand des Wissens: 16.06.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Bauhaus-Universität Weimar, Professur Infrastrukturwirtschaft und -management - Prof. Dr. Thorsten Beckers
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Bei einer externen Regulierung bestehen folgende grundsätzliche Ausgestaltungsoptionen:
  • Ex-ante- oder Ex-post-Regulierung: Es ist zwischen einer Ex-ante- und Ex-post-Regulierung auszuwählen. Bei einer Ex-ante-Regulierung werden dem Unternehmen vom Regulierer Restriktionen vorgegeben, die dessen Verhalten direkt beeinflussen und es in diesem Zusammenhang an der Ausnutzung von Marktmacht hindern sollen. Bei einer Ex-post-Regulierung hingegen beobachtet der Regulierer das Verhalten des Unternehmens und greift lediglich ein, wenn er eine Ausnutzung von Marktmacht durch das Unternehmen feststellt beziehungsweise die Ausnutzung von Marktmacht ein bestimmtes Ausmaß überschreitet. Dabei ist sich das Unternehmen der Beobachtung durch den Regulierer bewusst, versucht dessen Verhaltensweise zu antizipieren und wird daher auf die Ausnutzung von Marktmacht ganz oder in einem gewissen Ausmaß verzichten.
  • Sektorspezifische oder sektorübergreifende Regulierung: Für eine Regulierung können sektorspezifische Regelungen entwickelt und implementiert werden oder es kann auf bereits vorhandene sektorübergreifende Regelungen zurückgegriffen werden. In Deutschland existieren sektorübergreifende Regelungen allerdings lediglich in Form des (deutschen und europäischen) Kartellrechts, das als Form einer Ex-post-Regulierung greift.
Es stellt sich die Frage, welche Effekte mit den verschiedenen Ausgestaltungsoptionen im Allgemeinen einhergehen und welche Relevanz diese für die Regulierung von Flughäfen besitzen. Bei der Analyse der Ausgestaltungsoptionen sind zunächst die intendierten und nicht intendierten Wirkungen im Hinblick auf die mit der Regulierung angestrebten Ziele zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang sind auch die mit der Nutzung der in Betracht kommenden (Regulierungs-)Regeln jeweils einhergehenden Transaktionskosten von Relevanz, die bei der öffentlichen Hand und den Nachfragern sowie dem regulierten Unternehmen anfallen. Dabei werden die beim regulierten Unternehmen auftretenden Transaktionskosten grundsätzlich in dessen Kosten und Preise einfließen und sind insofern "internalisiert".

Nicht zuletzt sind auch die Transaktionskosten der Entwicklung sowie der politischen Entscheidungsfindung und -fällung bezüglich der Einführung neuer Regeln (beziehungsweise der Anpassung bestehender Regeln) zu berücksichtigen [Dixi96]. Die Kosten der Entwicklung (und der späteren Nutzung) von Regeln werden von der Komplexität des Regelungsbedarfs beeinflusst. Dabei werden grundsätzlich die von der Neuen Institutionenökonomik herausgearbeiteten Überlegungen zur Kontrahierbarkeit von Relevanz sein, das heißt Regelungen zu schwer beschreib- und messbaren Konstellationen werden mit entsprechend hohen Transaktionskosten einhergehen. Die Transaktionskosten der politischen Entscheidungsfindung dürften grundsätzlich durch die institutionelle Ebene (Verfassung; Gesetze, die sich wiederum durch den Umfang der Zustimmungserfordernisse unterscheiden können; Verordnung) beeinflusst werden. Ansonsten dürften die Transaktionskosten der politischen Entscheidungsfindung regelmäßig kaum abschätzbar sein, wobei es plausibel erscheint, dass diese bei besonders großen distributiven Effekten höher sein werden.

Bei einer Ex-post-Regulierung entfällt unter Umständen beim Regulierer der bei einer Ex-ante-Regulierung zwangsläufig auftretende Aufwand der Ausarbeitung einer Regulierungsentscheidung. Auch beim regulierten Unternehmen sowie bei den oftmals ebenfalls in die Vorbereitung von Regulierungsentscheidungen involvierten Nachfragern fällt dieser Aufwand nicht an. Das nachträgliche Eingreifen im Falle des Ausnutzens von Marktmacht kann allerdings mit zeitlichen Verzögerungen beziehungsweise mit zusätzlichen Transaktionskosten verbunden sein [HaKr04]. Oftmals dürften durch das nachträgliche Eingreifen bei Ausnutzung von Marktmacht die Regulierungsziele im Vergleich zu einer Ex-ante-Regulierung lediglich in vermindertem Ausmaß erreicht werden. Während dies bei Rückgriff auf ein rein wohlfahrtsökonomisches Zielsystem gegebenenfalls nicht besonders problematisch ist, werden hingegen die Ziele der Berücksichtigung der Nachfragerinteressen und der Minimierung der von Nachfragern zu zahlenden Preise in einem relativ hohen Ausmaß nicht erreicht werden. Die stärkere Zurückhaltung des Regulierers bei einer Ex-post-Regulierung wird auch dazu führen, dass die nicht intendierten Wirkungen der Regulierung in reduziertem Ausmaß auftreten. Hieraus kann zunächst geschlossen werden, dass eine Ex-post-Regulierung eher bei einer geringen Marktmacht in Betracht gezogen werden sollte. In diesem Zusammenhang dürfte auch das Marktvolumen eine Rolle spielen: Bei einem kleinen Marktvolumen lohnt sich der (mit zunehmendem Marktvolumen eher unterproportional ansteigende) Aufwand der Ex-ante-Ausarbeitung einer Regulierungsentscheidung in einem verminderten Ausmaß. Diesbezüglich ist auch von Relevanz, dass für eine Ex-post-Regulierung die Möglichkeit besteht, auf das bestehende Kartellrecht zurückzugreifen und somit die mit einer Einführung eines Regelrahmens einhergehenden Transaktionskosten entfallen, die gerade bei einem kleinen Marktvolumen besonders ins Gewicht fallen. Eine Ex-ante-Regulierung wird entsprechend dann relativ vorteilhaft sein, wenn die Marktmacht hoch und das Marktvolumen groß ist.

Einen Einfluss auf die Eignung einer Ex-ante- und einer Ex-post-Regulierung dürfte weiterhin die Dynamik von Märkten aufweisen, die sich in einer dynamischen technischen Entwicklung und / oder einer dynamischen Entwicklung des Nachfrageverhaltens äußern kann. Eine hohe Dynamik wird regelmäßig damit einhergehen, dass Kontrahierungsprobleme im Zusammenhang mit der ex ante Aufstellung von Regulierungsvorgaben bestehen. Gleichzeitig kann bei einer hohen Dynamik Marktmacht kurzfristig deutlich zu- oder abnehmen. Insofern wird bei einer hohen sektoralen Dynamik tendenziell eine Ex-post-Regulierung vergleichsweise geeignet sein.

Beim Rückgriff auf die bestehenden sektorübergreifenden Regelungen des Kartellrechts entfällt nicht nur der Implementierungsaufwand des Regelwerks, sondern es reduziert sich auch der Einarbeitungsaufwand beziehungweise Know-how-Aufbau bei den Beteiligten bezüglich dessen Anwendung. Allerdings wird bei einer Übernahme des allgemeinen Kartellrechts in Verbindung mit selektiven Anpassungen der entsprechende Aufwand ebenfalls begrenzt bleiben und infolge gezielter Modifikationen können sektorale Besonderheiten abgebildet und damit die Transaktionskosten der Nutzung der Regeln reduziert werden. Dies könnte sich beispielsweise bei einem besonders hohen Marktvolumen und / oder bei einer besonders großen Dynamik in Verbindung mit potenziell hoher Marktmacht anbieten. Eine Ex-ante-Regulierung erfordert in jedem Fall ein sektorspezifisches Regelwerk, wobei bei der Implementierung in einem weiteren Sektor auf die Erfahrungen aus den bereits ex ante regulierten Sektoren zurückgegriffen werden kann, was die Transaktionskosten des Regeldesigns reduziert.

Die Erfahrungen mit dem sektorübergreifenden Kartellrecht als Ex-post-Regulierung deuten darauf hin, dass dieses grundsätzlich eine stärkere Ausnutzung von Marktmacht erlaubt als eine sektorspezifische Ex-ante-Regulierung. [HoVo09] Bei hoher Marktmacht und einem großen Marktvolumen sowie einer geringen sektoralen Dynamik ist insofern die Eignung einer sektorspezifischen Ex-ante-Regulierung recht hoch, insbesondere wenn die Berücksichtigung von Nutzerinteressen ein Regulierungsziel darstellt.

Für die Flughafenregulierung ist die Erkenntnis von Relevanz, dass bei einer hohen Marktmacht eine Ex-ante-Regulierung vergleichsweise vorteilhaft ist, während bei einer geringen Marktmacht die Ex-post-Regulierung relativ geeignet ist. Die sektorale Dynamik ist bei Flughäfen im Vergleich zu anderen Sektoren, zum Beispiel dem Telekommunikationssektor, grundsätzlich begrenzt. Es sind insbesondere für kurz- und mittelfristige Zeiträume, das heißt für eine anstehende Regulierungsperiode, die wesentlichen (technologischen) Entwicklungen relativ gut abzusehen. Sofern für Flughäfen mit hoher Marktmacht eine sektorspezifische Regulierung entwickelt worden ist, steht diese auch für die Anwendung bei Flughäfen zur Verfügung, für die aufgrund geringer Größe oder niedriger Marktmacht bei einer isolierten Betrachtung aus Transaktionskostengründen eher auf bereits zur Verfügung stehende Regulierungsregeln zurückgegriffen worden wäre.

In der ökonomischen Literatur wird für Flughäfen eine Regulierung nach dem Monitoring-Ansatz diskutiert [Fors04b und McKe04]. Dabei wird eine Ex-post-Regulierung um spezielle Vorschriften zur regelmäßigen Informationsweitergabe der Flughäfen an den Regulierer ergänzt und mit der Androhung verbunden, dass der Regulierer im Falle der Ausnutzung von Marktmacht nachträglich eingreift und gegebenenfalls eine Ex-ante-Regulierung implementiert wird. Die Performance eines derartigen Monitorings dürfte erheblich beeinflusst werden durch die Ausgestaltung und Glaubhaftigkeit der Ex-ante-Regulierungsandrohung sowie die Zeitdauer und die Transaktionskosten, mit denen ein nachträglicher Eingriff des Regulierers einhergeht und die wesentlich vom Know-how des Regulierers abhängen dürften.

In diesem Zusammenhang stellt sich bei einem Monitoring zunächst die Frage, ob und gegebenenfalls wie genau der Punkt definiert und vor allem auch veröffentlicht wird, ab dem der Regulierer aufgrund einer Ausnutzung von Marktmacht eingreift. Bei einer genauen Bekanntgabe dieses Punktes ist zu erwarten, dass ein regulierter Flughafen seinen Spielraum vollständig ausnutzen wird [Schu08]. Insofern kann es sinnvoll sein, dass der Regulierer eine Unsicherheit bestehen lässt, ab wann er genau eingreift. Sofern der Regulierer bei seiner Einschätzung insbesondere die Gewinnsituation des Unternehmens betrachtet, besteht im Übrigen die Gefahr, dass wie bei einer Kostenzuschlagsregulierung die Anreize des Unternehmens für eine effiziente Leistungserbringung deutlich absinken. Insofern sollte der Regulierer auch weitere Aspekte, wie die Effizienz des Unternehmens bezüglich der Leistungserstellung, bei seinen Entscheidungen berücksichtigen.

Außerdem stellt sich bei einem Monitoring die Frage, wie genau die Regulierungsandrohung, die gegebenenfalls einzuführende Ex-ante-Regulierung, beschrieben sein sollte. Die glaubhafte Androhung einer konsequenten Ex-ante-Regulierung dürfte grundsätzlich eine entsprechende disziplinierende Wirkung auf den Flughafen ausüben. Andererseits sind auch die Transaktionskosten der präventiven Ausarbeitung einer konkreten Regulierungsandrohung zu berücksichtigen. Die Vorteilhaftigkeit einer konkreten Ex-ante-Regulierungsandrohung dürfte demnach wesentlich vom Grad der Marktmacht sowie der Marktgröße abhängen, so dass hierzu im Endeffekt Einzelfallbetrachtungen erforderlich sind.
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Flughafenregulierung (Stand des Wissens: 16.06.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?302668
Literatur
[Dixi96] Dixit, A. K. The Making of Economic Policy: A Transaction-Cost Politics Perspective, Ausgabe/Auflage 2. Auflage, Baltimore MIT Press, 1996
[Fors04b] Forsyth, P. Replacing Regulation: Airport Price Monitoring in Australia, veröffentlicht in The Economic Regula-tion of Airports - Recent Developments in Australasia, North America and Europe, 2004
[HaKr04] Hacap, J., Kruse, J. Ex-Ante-Regulierung oder Ex-Post-Aufsicht für netzgebundene Industrien?, veröffentlicht in Wirtschaft und Wettbewerb, Ausgabe/Auflage Heft 3, 2004
[HoVo09] Holznagel, B., Vogelsang, I. Weiterentwicklung der TK-Regulierung im Lichte neuer Herausforderungen und ökonomischer Erkenntnisse, veröffentlicht in Effiziente Re-geln für Telekommunikationsmärkte in der Zukunft, Münster, 2009
[McKe04] McKenzie-Williams, P. A shift towards Regulation? The Case of New Zealand, veröffentlicht in The Economic Regulation of Airports - Recent Developments in Australasia, North America and Europe, 2004
[Schu08] Schuster, D. Australia`s approach to airport charges: The Sydney Airport experience, veröffentlicht in Jour-nal of Air Transport Management, Ausgabe/Auflage Vol. 15.No. 3, 2008
Glossar
Zielsystem
In einem Zielsystem werden Ziele in einem hierarchischen Gefüge dargestellt. Ausgehend von einem Oberziel werden Leitlinien definiert. Zur Erfüllung dieser Leitlinien werden Handlungsfelder aufgespannt, welche wiederrum mit Handlungszielen versehen werden.
ex ante lateinisch: im Voraus

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?302162

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 19:03:53