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Lastabhängige Schwerverkehrsabgabe in der Schweiz

Erstellt am: 25.03.2010 | Stand des Wissens: 12.06.2023
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Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten

Die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) ist ein wesentlicher Bestandteil des Schweizer Maßnahmenpakets zur Verlagerung insbesondere des alpenquerenden Transitverkehrs von der Straße auf die Schiene. Dieses Verlagerungsziel, das unter anderem in der Beschränkung der Zahl an alpenquerenden Lkw zum Ausdruck kommt, ist seit der Annahme der NEAT-Vorlage 1992 (NEAT: Neue Eisenbahn-Alpentransversale) und des Alpenschutzartikels im Jahre 1994 durch die Schweizer Bürgerinnen und Bürger ein Verfassungsauftrag. Darauf aufbauend wurde 1998 per Volksentscheid die Einführung der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe beschlossen. Diese wird seit dem 1. Januar 2001 flächendeckend sowohl von schweizerischen als auch von ausländischen Fahrzeugen erhoben und ist nicht diskriminierend [KrBa15, S. 6]. Im Ausgleich mit dem Interesse der Europäischen Union an einem ungehinderten Warenverkehr hat die Schweiz gleichzeitig das zulässige Gesamtgewicht von vormals 28 Tonnen schrittweise auf 40 Tonnen, der in der Europäischen Union allgemein geltenden Obergrenze, erhöht und den Zugang zum Schienennetz liberalisiert.
Die Höhe der Abgabe hängt direkt von der Zahl der gefahrenen Kilometer ab. Die Euro-Emissionskategorie kommt als weiterer Berechnungsfaktor hinzu. Beispielsweise werden für eine alpenquerende Transitfahrt von Basel nach Chiasso bei der Abgabekategorie 3 (geltend für EURO 6 Fahrzeuge) und bei einem Gesamtgewicht von 40 Tonnen circa 263 Euro LSVA erhoben. Zum Vergleich: Für die Überquerung des Brennerpasses beträgt die Maut im Mittel etwa 115 Euro (Stand: 2014), beim Tunnel de Fréjus zwischen Frankreich und Italien etwa 299 Euro (Stand: 2014) [KrBa15, S. 7]. Auch Vor- und Nachlauf im Kombinierten Verkehr unterliegen der LSVA. Es werden jedoch im Nachhinein Pauschalbeträge zurückerstattet, um kürzere Vor- und Nachlaufdistanzen zu bevorzugen [KrBa15, S. 13].
Die gemäß der ursprünglichen Gebührenhöhe eingenommene LSVA hätte die auf 1,5 Milliarden Franken geschätzten externen Kosten des Straßengüterverkehrs 2008 zu etwa 97 Prozent gedeckt - die angestrebte Kostenwahrheit im Verkehr wäre damit fast erreicht worden [KrBa15, S. 8]. Ein weiteres Ziel bestand darin, im Verbund mit Maßnahmen bis 2010 - also bis zwei Jahre nach Eröffnung des Lötschbergbasistunnels für den alpenquerenden Schienengüterverkehr - das Lkw-Aufkommen auf 650.000 Transitfahrten pro Jahr zu beschränken [Grun07]. Die tatsächliche Zahl lag im Jahre 2016 bei 975 Millionen Fahrten noch über dem anvisierten Ziel. Trotzdem ist das Verkehrsaufkommen im Vergleich zum Jahre 2009 mit 1,18 Millionen Fahrten deutlich gesunken und ist damit vergleichbar mit dem Stand von 1994. Der Anteil der Schiene im Güterverkehr konnte sich im Jahre 2016 somit weiter auf 71 Prozent ausweiten [Schn17, S. 3].
Ein Drittel der Einnahmen aus der LSVA wird den Schweizer Kantonen für den Unterhalt des Straßennetzes zur Verfügung gestellt. Zwei Drittel gehen an den Schweizer Bund, der diese Einnahmen zur Finanzierung der NEAT und weiterer großer Infrastrukturvorhaben im öffentlichen Verkehr einsetzt. Nutznießer sind auch der begleitete und unbegleitete Kombinierte Verkehr Straße - Schiene, die in Übereinstimmung mit dem Verkehrsverlagerungsgesetz mit rund 240 Millionen Franken jährlich direkt subventioniert werden [LaBi09, S. 28; SVAV].
Durch die Erhöhung der Beschränkung des zulässigen Gesamtgewichts von 28 Tonnen auf 40 Tonnen und die Belastung aller Fahrten - leer wie beladen - entstanden Anreize zur Produktivitätssteigerung: Die gleiche Verkehrsleistung kann mit weniger Fahrten erbracht werden, außerdem wird die Suche nach Rückfrachten finanziell attraktiv. Ein Ausweichen auf Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis zu 3,5 Tonnen, die nicht der LSVA unterliegen, ist aufgrund der dadurch steigenden Personalkosten nicht festzustellen [BaAl07, S. 48]. Im intermodalen Vergleich fällt die Bilanz der ergriffenen Maßnahmen gemischt aus. Während in den ersten Jahren durch die beschriebene Erhöhung der Produktivität im Straßengüterverkehr die Anzahl der Fahrten abnahm, waren danach wieder Steigerungen zu verzeichnen. Gleichzeitig liegt die Auslastung laut einer Umfrage bei schweizer KV-Terminal Betreibern größtenteils zwischen 60 bis über 90 Prozent im Kombinierten Verkehr Schiene-Straße [HoLa13, S. 2] (in Deutschland allgemein etwa 75 Prozent [HaKo12a, S. 16]). 2008 war noch ein gleichmäßiges Wachstum der Verkehrsleistung sowohl auf der Straße als auch der Schiene zu verzeichnen [UVEK09a]; 2009 hingegen erreichte der Straßengüterverkehr einem Anteil von 39,4 Prozent am Alpen querenden Güterverkehr - so hoch wie nie zu vor [UVEK10]. Seitdem entwickelt sich der Anteil des Straßengüterverkehrs stetig rückläufig [BAV17, S. 3f.].
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Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Gesetze und politische Zielvorgaben im Kombinierten Verkehr (Stand des Wissens: 12.06.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?321686
Literatur
[BaAl07] Balmer, Ueli, Albrecht, Christian, Lanz, Andrea, Zbinden, Manfred, Ellerberger, Amira, Martignoli,Silvia, Züst, Walter, Häusler, Hans Volkswirtschaftliche Auswirkungen der LSVA mit höherer Gewichtslimite, Bern, 2007/10
[BAV17] o.V. Alpenquerender Güterverkehr durch die Schweiz, 2017/09, Online-Referenz https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/mobilitaet-verkehr/gueterverkehr/alpenquerender-gueterverkehr.html
[Grun07] Grund-Ludwig, Pia Eine Chance für die Alpen, veröffentlicht in Deutsche Verkehrs-Zeitung, DVV Media Group, 2007/09/20
[HaKo12a] HaCon Ingenieurgesellschaft mbH, KombiConsult GmbH (Hrsg.) Erstellung eines Entwicklungskonzeptes KV 2025 in Deutschland als Entscheidungshilfe für die Bewilligungsbehörden, 2012/11/12
[HoLa13] Hofman, Dr. Erik , Lampe, Kerstin, Allemann, Kathrin Kombinierter Verkehr und
Schweizer KV-Terminals, veröffentlicht in Logistik & Fördertechnik, 2013/12
[KrBa15] Peter Krebs, Ueli Balmer Fair und effizient: Die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) in der Schweiz, 2015/01
[LaBi09] Laesser, Christian,, Bieger, Thomas, Meister, Jürg Betriebswirtschaftliche Kosten und Sensitivitäten des Alpen querenden Güterverkehrs, Universität Sankt Gallen, St.Gallen, 2007/03
[Schn17] Schneider, Wilfried Schienenanteil steigt weiter Verlagerungspolitik verbucht Erfolge im alpenquerenden Güterverkehr, veröffentlicht in DVZ Verkehrs-Zeitung, 2017
[UVEK09a] o. A. Monitoring Flankierende Massnahmen - 2. Semesterbericht 2009 , 2009/03
[UVEK10] o. A. Monitoring-Bericht Flankierende Maßnahmen - 2. Semesterbericht 2009, 2010/03
Weiterführende Literatur
[KrBa09] Krebs, Peter, Balmer, Ueli Fair und effizient - Die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe in der Schweiz, Bern, 2009
[MoVe09] Morcello, Estelle, Vellay, Carine, Schreyer, Christoph, Kasser, Florian, Maibach, Markus, Weninger, Andrea Rapport annuel d'observation des trafics - 2008, 2009/12/18
Glossar
Vor- und Nachlauf Unter Vor- und Nachlauf sind im Kombinierten Verkehr Transporte der Ladeeinheit vom Versender zum Umschlagpunkt oder von dort zum Empfänger zu verstehen. Am Umschlagpunkt wechselt die Ladeeinheit das Verkehrsmittel. Der Transport zwischen zwei Umschlagpunkten wird als Hauptlauf bezeichnet.
Schienengüterverkehr
Unter Schienengüterverkehr (SGV) wird der Transport von Gütern mit der Eisenbahn verstanden. Diese werden in Güterzügen unter Verwendung (spezieller) Güterwagen befördert. Diese Verkehre können entweder auf gesonderten Güterverkehrsstrecken oder im Mischverkehr, auf gemeinsam durch den Güter- und Personenverkehr genutzten Strecken, realisiert werden. Leistungen des Schienengüterverkehrs werden häufig als Teil einer Logistikkette in logistische Gesamtkonzepte eingebunden.
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
NEAT Neue Eisenbahn-Alpentransversale: Projekt zum Ausbau der Schieneninfrastruktur in der Schweiz, in dessen Rahmen u. a. der Lötschberg- und der Gotthard-Basistunnel verwirklicht werden; Ziel ist die Verlagerung des transalpinen Schwerverkehrs von der Straße auf die Schiene.
LSVA Lastabhängige Schwerverkehrsabgabe: Auf zurückgelegte Strecke, Schadstoffklasse und zulässiges Gesamtgewicht eines Fahrzeugs des Straßengüterverkehrs bezogene Gebühr, die in der Schweiz erhoben wird.
Kombinierter Verkehr
Intermodaler Verkehr, bei dem der überwiegende Teil der in Europa zurückgelegten Strecke mit der Eisenbahn, dem Binnen- oder Seeschiff bewältigt und der Vor- und Nachlauf auf der Straße so kurz wie möglich gehalten wird.
Verkehrsaufkommen Das Verkehrsaufkommen beschreibt die Anzahl der zurückgelegten Wege, beförderten Personen oder Güter pro Zeiteinheit. Im Unterschied dazu bezieht sich das spezifische Verkehrsaufkommen auf zurückgelegte Wege und beschreibt die mittlere Anzahl der Ortsveränderungen pro Person und Zeiteinheit.
Verkehrsleistung
Die Verkehrsleistung gibt Auskunft über die Inanspruchnahme von Ressourcen. Als Verkehrsleistung wird die auf eine Zeiteinheit t (zum Beispiel ein Jahr) bezogene Verkehrsarbeit definiert und als Quotient dargestellt. Die Verkehrsarbeit wird dabei als Produkt von Verkehrseinheiten (zum Beispiel Güter oder Personen) und der durch diese zurückgelegten Strecke gebildet. In der Verkehrswissenschaft sind die Einheiten Personenkilometer pro Jahr [Pkm/a] oder Tonnenkilometer pro Jahr [tkm/a] gebräuchlich.
Umschlagbahnhof Umschlagbahnhöfe (Ubf) dienen dem Übergang von Gütern auf oder von Schienenfahrzeugen bzw. dem Wechsel von diesen zu Transportmitteln anderer Verkehrsträger. Im letzteren Fall spricht man auch von Terminals des kombinierten Verkehrs (KV-Terminal). Diese stellen typischerweise Umschlagpunkte von Ladeeinheiten wie Container, Wechselbehälter, Wechselbrücken oder Sattelauflieger dar. Bei Ubf in Häfen und Flughäfen spricht man von "Seehafenterminals" oder "Flughafenterminals".
Externe Kosten Kosten, die nicht vom eigentlichen Verursacher, sondern von der Allgemeinheit getragen werden und deshalb nicht in den Marktpreisen enthalten sind, werden als externe Kosten bezeichnet.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?301248

Gedruckt am Donnerstag, 25. April 2024 18:53:38