Intensität der Kontrollen der gesetzlichen Vorschriften im intermodalen Vergleich
Erstellt am: 23.03.2010 | Stand des Wissens: 06.11.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten
Neben der Gestaltung des gesetzlichen Rahmens kann die Politik durch die Kontrolle von dessen Einhaltung Einfluss auf die realen Wettbewerbsbedingungen nehmen. Dies gilt vor allem für den Straßen- und den Schienengüterverkehr.
Die Zahl der von den Mitgliedsstaaten durchzuführenden Prüfungen der Einhaltung von Lenk- und Ruhezeiten der Kraftfahrer lag 2001 bei nur einem Prozent der Arbeitstage [EUKOM01]. In Deutschland ist die Kontrollintensität durch das Bundesamt für Güterkraftverkehr (BAG) bis ins Jahr 2008 um ein Sechstel deutlich zurückgegangen - trotz der Zunahme des Aufkommens im Straßengüterverkehr. Dies dürfte mit dem Abbau des zuständigen Personals in gleicher Höhe zusammenhängen. Kontrollen werden aufgrund technischer Gegebenheiten und der Vielzahl der unabhängigen Akteure stichprobenartig durchgeführt. Im Jahr 2020 wurden bei über 320.000 kontrollierten Fahrzeuge im Güterverkehr circa 32.000 Verstöße (12,48 Prozent) festgestellt [BAG20a]. Bezüglich der Fahrpersonalvorschriften bedienen sich die Kontrolleure des digitalen EG-Kontrollgerätes, das gemäß der europäischen Verordnung 561/2006 für Neufahrzeuge vorgeschrieben ist [Bag09; BAG02c; BAG12; EG561/2006].
Eine Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin kommt zu dem Ergebnis, dass rund die Hälfte aller Fahrer im Güterfernverkehr länger als erlaubt am Lenkrad sitzt. "Insgesamt ist das Fahrpersonal durch die hohe Flexibilität der Betriebs- und Arbeitszeiten einer hohen Belastung ausgesetzt. Diese kann beispielsweise durch erhöhte Lenkzeiten, aber auch durch Arbeiten wie dem Be- und Entladen während der eigentlichen Ruhezeiten hervorgerufen werden" [BAuA04]. Im Schienenverkehr ist die Kontrollintensität in der Regel höher, da in den meisten europäischen Staaten Inspektionen regelmäßig und institutionalisiert durchgeführt werden [Liec02]. Die in Deutschland zuständige Behörde ist das Eisenbahn-Bundesamt (EBA), welches Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) eine für die Teilnahme am regelspurigen Eisenbahnbetrieb erforderliche Sicherheitsbescheinigung erteilt. Vor der Betriebsaufnahme müssen EVU einen Betriebsleiter bestellen, der Sicherheit und Einhaltung der Vorschriften verantwortet. Dazu gehören entsprechende betriebliche Anordnungen und die Prüfung von deren Einhaltung sowie die fachliche Aus- und Fortbildung des Betriebspersonals. Alle zugelassenen EVU müssen dem EBA in einem jährlichen Sicherheitsbericht Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit, Dokumentationen interner Sicherheitsprüfungen und Ähnliches darlegen [MoNe15, S. 95f.].
Nach den Bestimmungen der Binnenschiffuntersuchungsordnung [BinSchUO21] werden Fahrzeuge für die Binnenschifffahrt nach Begutachtung einzeln und für begrenzte Zeit zugelassen. Zudem werden in den Häfen regelmäßige Kontrollen durchgeführt. Deren Häufigkeit ist jedoch mangels auswertbarer Zahlenangaben und der Vielzahl der zuständigen Behörden - unter anderem Wasser- und Schifffahrtsdirektionen des Bundes und Wasserschutzpolizeien der Bundesländer - nicht quantifizierbar. Allein im auch für die deutsche Binnenschifffahrt bedeutenden Hafen Rotterdam wurden 2008 von den etwa 133.000 Binnenschiffen mehr als 4.000 durch die niederländischen Behörden kontrolliert [WTSP09; HaRo09; JaWa08].
Die unterschiedlichen Kontrollmechanismen können dazu führen, dass die Sicherheitsvorschriften bei den Verkehrsträgern nicht in gleicher Weise berücksichtigt werden. Laut einer Studie wird dabei festgestellt, dass nicht die Kontrollpraxis das wesentliche Problem ist, sondern der mangelnde ökonomische Anreiz der Bußgelder einer der Gründe für die Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorschriften ist [AbGr03]. Insgesamt führt die Nicht-Einhaltung von Vorschriften zu Verzerrungen des Wettbewerbs innerhalb des Straßengüterverkehrs und hat damit gleichzeitig Auswirkungen auf das Preisniveau des gesamten Transportmarktes [AbGr03]. Um den Wettbewerbsnachteilen durch unterschiedliche Kontrollintensitäten vorzubeugen, wird vom BMVI im Masterplan Schienengüterverkehr das Ziel gesetzt, die Kontrollpraktiken für den Güterverkehr zu harmonisieren [BMVI17j, S. 35].