Die Bahnreform in Schweden
Erstellt am: 19.03.2010 | Stand des Wissens: 10.09.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Seit 1939 hatte die schwedische Staatsbahn Statens Järnvägar (SJ) das alleinige Monopol im gesamten Schienenverkehr. Allerdings kämpfte sie bereits seit den 1950er Jahren mit unrentablen Eisenbahnlinien. Ab dem Jahr 1963 wurden diese durch den schwedischen Staat subventioniert, der im Gegenzug bei Entscheidungen der SJ mitwirkte [Merk03a]. Die weiterhin schwache wirtschaftliche Leistung der staatlichen Eisenbahn, ihre geringe Marktorientierung, Wettbewerbsverzerrung zu Gunsten der Straße [JA98] sowie externe Einflüsse [Merk03a] führten schließlich zu der Notwendigkeit einer Reformierung der schwedischen Bahn.
Die Reformierung des Bahnwesens in Schweden begann vergleichsweise früh: Im Jahr 1979 wurde der ÖPNV aufgrund der schlechten finanziellen Lage der Staatsbahn SJ umstrukturiert und dezentralisiert, indem die Verantwortung für den Regionalverkehr an die Regionen und Kommunen abgegeben und in jedem der 24 Verwaltungsgebiete eine regionale Behörde für den öffentlichen Verkehr (Länstrafikhuvudmän) gegründet wurde. Da sich die wirtschaftliche Situation der SJ nicht verbesserte, wurden im Jahr 1985 die Bereiche Infrastruktur und Transport rechnerisch getrennt. Die Transportsparte sollte von nun an interne Verrechnungspreise für die Infrastrukturnutzung bezahlen. Doch auch durch die buchhalterische Trennung konnte die finanzielle Lage der SJ nicht verbessert werden.
Daher folgte im Jahr 1988 mit der sogenannten Proposition 1987/88:50 die in Europa erstmalige institutionelle Trennung von Netz und Betrieb. Die Infrastruktur wurde entschuldet oder durch den Staat abgeschrieben und die nationale schwedische Bahnverwaltung Banverket (BV) wurde gegründet. Sie übernahm das Streckennetz der SJ, ermöglichte den Zugang zur Infrastruktur und erhielt 10 Milliarden SEK an Staatshilfen, um die Infrastruktur auszubauen [Merk03a]. Diese Staatshilfen wurden 1994 auf 32 Milliarden SEK erhöht [Hult00]. Als weitere Maßnahme wurde das schwedische Schienennetz in Hauptnetz und Regionalstrecken unterteilt. Die SJ konnte ihre Monopolstellung auf den lukrativen Fernverkehrsstrecken und im Güterverkehr behalten. Der Regional- und Nahverkehr konnte auf den Regionalstrecken ab 1990 durch die jeweiligen regionalen Behörden ausgeschrieben oder verkauft werden [AtHe04].
Im Jahr 1996 folgten weitere Liberalisierungsmaßnahmen der schwedischen Regierung. Der Zugang zum Güterverkehr stand nun anderen Güterverkehrsunternehmen formal offen. Die SJ konnte allerdings ihren Einfluss auf die Politik geltend machen und ihre Monopolstellung zunächst behaupten. Im Regionalverkehr wurde anderen EVU kein Zugang ermöglicht, sondern lediglich die Rechte der regionalen Behörden erweitert. Diese sollten nun auch das Recht haben, Verkehre auf den Linien des Hauptnetzes innerhalb ihres Verwaltungsgebietes auszuschreiben.
Zwei Jahre später, im Jahr 1998, traten weitere Reformschritte in Kraft. Der wichtigste Aspekt dieses Reformpakets war die Sicherstellung eines diskriminierungsfreien Zugangs Dritter zum Schienennetz. Die Fahrplankoordination und die Information der Fahrgäste wurden Aufgaben der Banverket. Außerdem wurde der Langstreckenbusverkehr vollständig dereguliert und ein neues Trassenpreissystem eingeführt, um die Bahn vor Wettbewerbsnachteilen zu schützen. Güter- und Schienenpersonennahverkehr standen nun dritten EVU offen, aber die SJ hatte weiterhin ein Monopol auf rentable Strecken des Schienenpersonenfernverkehrs. Für die unrentablen Strecken war die nationale Agentur "Rikstrafiken" gegründet worden, die unter anderem für die Ausschreibung unrentabler interregionaler Personenverkehre zuständig ist. Im Jahr 2001 wurde die SJ neu organisiert und aus dem Staatsunternehmen wurden drei unabhängige Aktiengesellschaften: SJ AB ist für den Personenverkehr, Green Cargo AB für den Güterverkehr zuständig. AB Swedcarrier als Holding soll die Immobilienverwaltung, Instandhaltungsmaßnahmen, Zugabfertigung und Informationstechnologie übernehmen [Merk03a]. Seit 2004 ist der Markt des Schienengüterverkehrs auch für ausländische EVU geöffnet [IBM07].
Ab dem 01.09.2009 wurde die Regulierungsbehörde JVS Järnvägsstyrelsen (Swedish Rail Agency) in eine verkehrsübergreifende Behörde eingegliedert. Die neue Regulierungsbehörde Transportstyrelsen ist nun für den Eisenbahnsektor, den Flug-, Schiffs- und Straßenverkehr zuständig. Im Jahr 2010 wurde ebenfalls die Organisation Banverket, welche als Infrastrukturbetreiber für das schwedische Eisenbahnnetz agierte, in die Behörde Trafiverket überführt- Trafikverket ist sowohl für die Verwaltung der Eisenbahninfrastruktur, als auch für die übrigen Verkehrsbereiche verantwortlich [IBM11, S.53].
Eine Beratungskommission der schwedischen Regierung hatte 2008 vier kritische Elemente für Effizienz und Wettbewerb auf dem Markt für Schienenpersonenverkehr identifiziert: Trassenzuweisung, Fahrzeuge, Instandhaltung sowie koordinierte Informations- und Ticketsysteme. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wurde der Markt mit zwei Gesetzen 2009 und 2010 vollständig geöffnet. EVUs können nun auch Dienste anbieten, die komplementär oder in Konkurrenz zu staatlich ausgeschriebenem Verkehr sind [AHNP12].
Schweden gilt als das erste Land, in dem die Trennung von Netz und Transport mit Erfolg durchgeführt wurde. In den frühzeitig liberalisierten Bereichen des Personennah- und Güterverkehrs sind neben der SJ auch andere Betreiber aktiv. Insbesondere der Güterverkehr gilt seit dem Jahr 1996 als vollständig dereguliert und ist heute ein attraktiver Markt für Wettbewerber.
Der Modal Split des Schienengüterverkehrs ist zwischen 2001 und 2020 von 35,7 Prozent auf 29,7 Prozent gesunken. Im gleichen Zeitraum stieg der Personenverkehr von 7,9 Prozent auf 10,3 Prozent [EuSt22] [EK21c].
Die Reformierung des Bahnwesens in Schweden begann vergleichsweise früh: Im Jahr 1979 wurde der ÖPNV aufgrund der schlechten finanziellen Lage der Staatsbahn SJ umstrukturiert und dezentralisiert, indem die Verantwortung für den Regionalverkehr an die Regionen und Kommunen abgegeben und in jedem der 24 Verwaltungsgebiete eine regionale Behörde für den öffentlichen Verkehr (Länstrafikhuvudmän) gegründet wurde. Da sich die wirtschaftliche Situation der SJ nicht verbesserte, wurden im Jahr 1985 die Bereiche Infrastruktur und Transport rechnerisch getrennt. Die Transportsparte sollte von nun an interne Verrechnungspreise für die Infrastrukturnutzung bezahlen. Doch auch durch die buchhalterische Trennung konnte die finanzielle Lage der SJ nicht verbessert werden.
Daher folgte im Jahr 1988 mit der sogenannten Proposition 1987/88:50 die in Europa erstmalige institutionelle Trennung von Netz und Betrieb. Die Infrastruktur wurde entschuldet oder durch den Staat abgeschrieben und die nationale schwedische Bahnverwaltung Banverket (BV) wurde gegründet. Sie übernahm das Streckennetz der SJ, ermöglichte den Zugang zur Infrastruktur und erhielt 10 Milliarden SEK an Staatshilfen, um die Infrastruktur auszubauen [Merk03a]. Diese Staatshilfen wurden 1994 auf 32 Milliarden SEK erhöht [Hult00]. Als weitere Maßnahme wurde das schwedische Schienennetz in Hauptnetz und Regionalstrecken unterteilt. Die SJ konnte ihre Monopolstellung auf den lukrativen Fernverkehrsstrecken und im Güterverkehr behalten. Der Regional- und Nahverkehr konnte auf den Regionalstrecken ab 1990 durch die jeweiligen regionalen Behörden ausgeschrieben oder verkauft werden [AtHe04].
Im Jahr 1996 folgten weitere Liberalisierungsmaßnahmen der schwedischen Regierung. Der Zugang zum Güterverkehr stand nun anderen Güterverkehrsunternehmen formal offen. Die SJ konnte allerdings ihren Einfluss auf die Politik geltend machen und ihre Monopolstellung zunächst behaupten. Im Regionalverkehr wurde anderen EVU kein Zugang ermöglicht, sondern lediglich die Rechte der regionalen Behörden erweitert. Diese sollten nun auch das Recht haben, Verkehre auf den Linien des Hauptnetzes innerhalb ihres Verwaltungsgebietes auszuschreiben.
Zwei Jahre später, im Jahr 1998, traten weitere Reformschritte in Kraft. Der wichtigste Aspekt dieses Reformpakets war die Sicherstellung eines diskriminierungsfreien Zugangs Dritter zum Schienennetz. Die Fahrplankoordination und die Information der Fahrgäste wurden Aufgaben der Banverket. Außerdem wurde der Langstreckenbusverkehr vollständig dereguliert und ein neues Trassenpreissystem eingeführt, um die Bahn vor Wettbewerbsnachteilen zu schützen. Güter- und Schienenpersonennahverkehr standen nun dritten EVU offen, aber die SJ hatte weiterhin ein Monopol auf rentable Strecken des Schienenpersonenfernverkehrs. Für die unrentablen Strecken war die nationale Agentur "Rikstrafiken" gegründet worden, die unter anderem für die Ausschreibung unrentabler interregionaler Personenverkehre zuständig ist. Im Jahr 2001 wurde die SJ neu organisiert und aus dem Staatsunternehmen wurden drei unabhängige Aktiengesellschaften: SJ AB ist für den Personenverkehr, Green Cargo AB für den Güterverkehr zuständig. AB Swedcarrier als Holding soll die Immobilienverwaltung, Instandhaltungsmaßnahmen, Zugabfertigung und Informationstechnologie übernehmen [Merk03a]. Seit 2004 ist der Markt des Schienengüterverkehrs auch für ausländische EVU geöffnet [IBM07].
Ab dem 01.09.2009 wurde die Regulierungsbehörde JVS Järnvägsstyrelsen (Swedish Rail Agency) in eine verkehrsübergreifende Behörde eingegliedert. Die neue Regulierungsbehörde Transportstyrelsen ist nun für den Eisenbahnsektor, den Flug-, Schiffs- und Straßenverkehr zuständig. Im Jahr 2010 wurde ebenfalls die Organisation Banverket, welche als Infrastrukturbetreiber für das schwedische Eisenbahnnetz agierte, in die Behörde Trafiverket überführt- Trafikverket ist sowohl für die Verwaltung der Eisenbahninfrastruktur, als auch für die übrigen Verkehrsbereiche verantwortlich [IBM11, S.53].
Eine Beratungskommission der schwedischen Regierung hatte 2008 vier kritische Elemente für Effizienz und Wettbewerb auf dem Markt für Schienenpersonenverkehr identifiziert: Trassenzuweisung, Fahrzeuge, Instandhaltung sowie koordinierte Informations- und Ticketsysteme. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wurde der Markt mit zwei Gesetzen 2009 und 2010 vollständig geöffnet. EVUs können nun auch Dienste anbieten, die komplementär oder in Konkurrenz zu staatlich ausgeschriebenem Verkehr sind [AHNP12].
Schweden gilt als das erste Land, in dem die Trennung von Netz und Transport mit Erfolg durchgeführt wurde. In den frühzeitig liberalisierten Bereichen des Personennah- und Güterverkehrs sind neben der SJ auch andere Betreiber aktiv. Insbesondere der Güterverkehr gilt seit dem Jahr 1996 als vollständig dereguliert und ist heute ein attraktiver Markt für Wettbewerber.
Der Modal Split des Schienengüterverkehrs ist zwischen 2001 und 2020 von 35,7 Prozent auf 29,7 Prozent gesunken. Im gleichen Zeitraum stieg der Personenverkehr von 7,9 Prozent auf 10,3 Prozent [EuSt22] [EK21c].