Die Bahnreform in Frankreich
Erstellt am: 19.03.2010 | Stand des Wissens: 10.09.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Vor der ersten Bahnreform in Frankreich war die Staatsbahn SNCF (Societé Nationale des Chemins de Fer Français) sowohl im Schienenpersonen- als auch im Schienengüterverkehrsmarkt alleiniger Erbringer von Schienenverkehrsleistungen. Als die Markanteile Anfang der 80er Jahre im Personenverkehr sanken, baute die SNCF mit großen Investitionen ein hochleistungsfähiges Schnelltransportsystem (TGV) auf, das die Metropolen Paris, Lyon und Marseille miteinander verband. Demgegenüber stand jedoch eine große Stilllegungswelle regionaler Strecken, so dass die Marktanteile trotz des Erfolgs des TGV dennoch sanken. Die absolute Menge der produzierten Verkehrsleistung im Personen- und Güterverkehr stieg seit 1985 nur sehr gering [METL03], sodass die SNCF Ende 1996 eine Verschuldung von 30,3 Milliarden Euro aufwies [SNCF08].
Die Bahnreform in Frankreich wurde durch die EU initiiert und am 7. Februar 1997 im französischen Parlament verabschiedet. Maßnahmen der Reform waren die institutionelle Trennung von Infrastruktur und Betrieb, die Befreiung der Staatsbahn SNCF von einem Teil der Altschulden und eine schrittweise Regionalisierung des Nahverkehrs. Dafür wurde 1997 die eigenständige Netzgesellschaft RFF (Réseau Ferré de France) gegründet. Ein Teil des Anlagevermögens und der als netzbezogen definierten Schulden (20,46 Milliarden Euro) der SNCF wurden auf die RFF übertragen. Die Aufgaben der RFF sind die Planung von Neubaustrecken, die Modernisierung des bestehenden Güter- und Personenverkehrsnetzes und die Instandhaltung des Eisenbahnnetzes. Die RFF hat unter anderem mangels Ressourcen wiederum die Verantwortung für die Instandhaltung vertraglich an die SNCF übertragen, die zu diesem Zeitpunkt außerdem für das Trassenmanagement zuständig war. Bei der Zusammenarbeit zwischen RFF und SNCF wird versucht, durch räumliche und organisatorische Trennung der Aufgabenbereiche und deren Mitarbeiter die Unabhängigkeit der Gesellschaften zu bewahren. Im Jahr 2010 gründete die SNCF eine eigenständige Regulierungsbehörde DCF, die "Direction de la Circulation ferroviaire". Die DCF regelt die operative Trassenzuweisung und das betriebliche Management. Zusätzliche Unabhängigkeitsvorgaben sollen dafür sorgen, dass wesentliche Aufträge ohne Benachteiligung Dritter ausgeführt werden können [IBM11].
Zwischen 1997 und 2001 wurde die Verantwortung für den Regionalverkehr an sieben Versuchsregionen abgegeben. Dieser Versuch verlief positiv und seit dem 1. Januar 2002 sind alle Regionen eigenständig für die Organisation und Finanzierung des Regionalverkehrs zuständig. Die Regionen werden dabei vom Staat mit finanziellen Mitteln unterstützt. Die Regionen treffen Vereinbarungen mit der SNCF hinsichtlich der betrieblichen Leistungen und der Finanzierung. Geregelt wird dies durch das Gesetz SRU vom 13. Dezember 2000 ("Loi relative à la solidarité et au renouvellement urbains") [SRU00].
Im Jahr 2003 wurde die Verordnung zur Benutzung des nationalen Eisenbahnnetzes ("Décret relatif á l'utilisation du réseau ferré national") [DF/2003/194] erlassen, die eine Öffnung für Dritte EVU auf dem Transeuropäischen Schienengüternetz (TESGN) vorsah und das erste Eisenbahnpaket in nationales Recht umsetzte. Mit der Verordnung geht die Verantwortung für das Trassenmanagement an die RFF über, die den Zugang zur Infrastruktur allen internationalen Gruppierungen und EVU diskriminierungsfrei gewähren muss und dafür Nutzungsgebühren von der SNCF und Dritten EVU erhält. Es dauerte aber ganze zwei Jahre bis ein erstes privates Frachtunternehmen auf Frankreichs Schienennetz fuhr. Seit dem Jahr 2006 ist das französische Schienennetz auch für Wettbewerber im Güterverkehrsbinnenmarkt geöffnet [SNCF09].
Mit dem Gesetz ARAF ("Autorité de Régulation des Activités Ferroviaires") [ARAF09] vom 8. September 2009 wurde eine unabhängige Eisenbahnregulierungsbehörde ins Leben gerufen, die die Öffnung des Schienenpersonenverkehrsmarktes für grenzüberschreitende Verkehre ab dem 1. Januar 2010 überwachen soll [SNCF09]. Frankreich reagiert mit der ARAF auf das Vertragsverletzungsverfahren aufgrund von Defiziten bei der Umsetzung des ersten Eisenbahnpakets in nationales Recht [IBM11, S.132].
Im Jahr 2010 wurde die neue Bahnsteuer Imposition forfaitaire sur les entreprises de réseaux (IFER) eingeführt. Die Steuer betrifft alle Schienenfahrzeuge des französischen Bahnnetzes und ist unabhängig von der tatsächlich gefahrenen Strecke. Die Steuer löste heftige Proteste der europäischen Nachbarländer aus, da sie dadurch doppelt besteuert wurden. Der SNCF trug kaum Zusatzkosten durch die parallele Befreiung von der Gewerbesteuer. 2010 wurde folglich ein weiteres Finanzgesetz zur Korrektur erlassen, das Teile des regionalen, grenzüberschreitenden Personenverkehrs von der Steuer ausnimmt [IBM11, S.134].
Die Bahnreform in Frankreich wurde durch die EU initiiert und am 7. Februar 1997 im französischen Parlament verabschiedet. Maßnahmen der Reform waren die institutionelle Trennung von Infrastruktur und Betrieb, die Befreiung der Staatsbahn SNCF von einem Teil der Altschulden und eine schrittweise Regionalisierung des Nahverkehrs. Dafür wurde 1997 die eigenständige Netzgesellschaft RFF (Réseau Ferré de France) gegründet. Ein Teil des Anlagevermögens und der als netzbezogen definierten Schulden (20,46 Milliarden Euro) der SNCF wurden auf die RFF übertragen. Die Aufgaben der RFF sind die Planung von Neubaustrecken, die Modernisierung des bestehenden Güter- und Personenverkehrsnetzes und die Instandhaltung des Eisenbahnnetzes. Die RFF hat unter anderem mangels Ressourcen wiederum die Verantwortung für die Instandhaltung vertraglich an die SNCF übertragen, die zu diesem Zeitpunkt außerdem für das Trassenmanagement zuständig war. Bei der Zusammenarbeit zwischen RFF und SNCF wird versucht, durch räumliche und organisatorische Trennung der Aufgabenbereiche und deren Mitarbeiter die Unabhängigkeit der Gesellschaften zu bewahren. Im Jahr 2010 gründete die SNCF eine eigenständige Regulierungsbehörde DCF, die "Direction de la Circulation ferroviaire". Die DCF regelt die operative Trassenzuweisung und das betriebliche Management. Zusätzliche Unabhängigkeitsvorgaben sollen dafür sorgen, dass wesentliche Aufträge ohne Benachteiligung Dritter ausgeführt werden können [IBM11].
Zwischen 1997 und 2001 wurde die Verantwortung für den Regionalverkehr an sieben Versuchsregionen abgegeben. Dieser Versuch verlief positiv und seit dem 1. Januar 2002 sind alle Regionen eigenständig für die Organisation und Finanzierung des Regionalverkehrs zuständig. Die Regionen werden dabei vom Staat mit finanziellen Mitteln unterstützt. Die Regionen treffen Vereinbarungen mit der SNCF hinsichtlich der betrieblichen Leistungen und der Finanzierung. Geregelt wird dies durch das Gesetz SRU vom 13. Dezember 2000 ("Loi relative à la solidarité et au renouvellement urbains") [SRU00].
Im Jahr 2003 wurde die Verordnung zur Benutzung des nationalen Eisenbahnnetzes ("Décret relatif á l'utilisation du réseau ferré national") [DF/2003/194] erlassen, die eine Öffnung für Dritte EVU auf dem Transeuropäischen Schienengüternetz (TESGN) vorsah und das erste Eisenbahnpaket in nationales Recht umsetzte. Mit der Verordnung geht die Verantwortung für das Trassenmanagement an die RFF über, die den Zugang zur Infrastruktur allen internationalen Gruppierungen und EVU diskriminierungsfrei gewähren muss und dafür Nutzungsgebühren von der SNCF und Dritten EVU erhält. Es dauerte aber ganze zwei Jahre bis ein erstes privates Frachtunternehmen auf Frankreichs Schienennetz fuhr. Seit dem Jahr 2006 ist das französische Schienennetz auch für Wettbewerber im Güterverkehrsbinnenmarkt geöffnet [SNCF09].
Mit dem Gesetz ARAF ("Autorité de Régulation des Activités Ferroviaires") [ARAF09] vom 8. September 2009 wurde eine unabhängige Eisenbahnregulierungsbehörde ins Leben gerufen, die die Öffnung des Schienenpersonenverkehrsmarktes für grenzüberschreitende Verkehre ab dem 1. Januar 2010 überwachen soll [SNCF09]. Frankreich reagiert mit der ARAF auf das Vertragsverletzungsverfahren aufgrund von Defiziten bei der Umsetzung des ersten Eisenbahnpakets in nationales Recht [IBM11, S.132].
Im Jahr 2010 wurde die neue Bahnsteuer Imposition forfaitaire sur les entreprises de réseaux (IFER) eingeführt. Die Steuer betrifft alle Schienenfahrzeuge des französischen Bahnnetzes und ist unabhängig von der tatsächlich gefahrenen Strecke. Die Steuer löste heftige Proteste der europäischen Nachbarländer aus, da sie dadurch doppelt besteuert wurden. Der SNCF trug kaum Zusatzkosten durch die parallele Befreiung von der Gewerbesteuer. 2010 wurde folglich ein weiteres Finanzgesetz zur Korrektur erlassen, das Teile des regionalen, grenzüberschreitenden Personenverkehrs von der Steuer ausnimmt [IBM11, S.134].
Derzeit befindet sich Frankreich inmitten einer zweiten Bahnreform. Es soll vor dem Hintergrund der stark gestiegenen Schuldenlast der SNCF und RFF eine effizientere und kostengünstigere Unternehmensstruktur erreicht werden [FB13]. Im Jahr 2012 lag die Verschuldung des französischen Eisenbahnsystems bei 41,5 Milliarden Euro mit Aussicht auf eine weitere Verschuldung von 1-2 Milliarden Euro pro Jahr [RaSchn2014]. Daher wurde am 21. Juli 2014 von der französischen Nationalversammlung eine Neuorganisation der RFF und des SNCF beschlossen[Fr2014].
Die Reform besteht aus vier Kernelementen:
- Integration der SNCF und der RFF im Rahmen einer Holding Struktur: Der Netzbetreiber RFF und die Direktion Trasse und Infrastruktur des SNCF werden zu dem gemeinsamen Infrastrukturunternehmen SNCF-Netz (SNCF Réseau) zusammengefasst. Das Unternehmen SNCF besteht nach dieser Zusammenführung aus der Muttergesellschaft SNCF mit den Unternehmenstöchtern SNCF-Netz (SNCF Réseau) und SNCF Verkehr (SNCF Mobilités). Mithilfe der Zusammenführung erhofft man sich Mehrkosten und Abstimmungsprobleme zwischen den Infrastrukturunternehmen abzubauen. Das Infrastrukturunternehmen SNCF Réseau hat nach der Zusammenführung die Aufgabe, die vorhandene Infrastruktur instand zu halten und auszubauen. Es schließt eine Leistungsvereinbarung mit dem Staat über die Leistungsziele (zum Beispiel Infrastrukturentgelte, Finanzierung der Instandhaltung und Erneuerung) für die kommenden zehn Jahre [RaSchn2014].
- Verringerung der Neuverschuldung: Der Neuverschuldung soll mithilfe verschiedener Maßnahmen begrenzt werden. Zum einen darf SNCF Réseau neue Infrastrukturprojekte zukünftig nur noch bis zu einem bestimmten Maximalbetrag finanzieren. Sollten die Kosten eines Projektes höher sein, müssen die Regionen beziehungsweise der Staat für die Finanzierung aufkommen. Darüber hinaus soll dem Unternehmen SNCF Réseau ein Teil der Dividenden zur Verfügung gestellt werden. Außerdem ist geplant, die Kosten mithilfe von Effizienzmaßnahmen zu reduzieren [RaSchn2014].
- Arbeitszeitregelung der Beschäftigten vereinheitlichen: Bisher existieren parallele Beschäftigungssysteme für Bahnangestellte. Zum einen verfügen viele SNCF Mitarbeiter über traditionelle Arbeitsverträge mit sehr guten Arbeitsbedingungen hinsichtlich der Arbeitszeiten, des Kündigungsschutzes und der sozialen Leistungen. Zum anderen existiert ein Branchentarifvertrag, mit deutlich schlechteren Arbeitsbedingungen. So können die Wettbewerber flexibler und produktiver am Markt auftreten. Anhand einer Rechtsverordnung sollen nun die Arbeitszeiten und sozialen Arbeitsbedingungen für alle Eisenbahnmitarbeiter in einer Branchenvereinbarung festgelegt werden [RaSchn2014].
- Regulierungsbehörde stärken: Die Regulierungsbehörde hat künftig die Infrastrukturentgelte bezüglich der Einhaltung von Berechnungsgrundsätzen und der Einhaltung der Höhe der Nutzungsentgelte zu genehmigen. Außerdem hat die Regulierungsbehörde in regelmäßigen Abständen von der SNCF Réseau und dem Staat hinsichtlich der Einhaltung der Ziele im Rahmen der Leistungsvereinbarung zwischen der SNCF Réseau und dem Staat angehört zu werden [RaSchn2014].