EG Richtlinie 91/440 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft und EG Richtlinien 95/18 und 95/19 über die Genehmigung von Eisenbahnunternehmen
Erstellt am: 19.03.2010 | Stand des Wissens: 10.09.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
M-Five GmbH Mobility, Futures, Innovation, Economics
Den Grundstein für die Liberalisierung des Schienenverkehrs in Europa legte der Rat der Europäischen Union mit der am 29. Juli 1991 verabschiedeten Richtlinie [91/440/EWG] "Zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft". Ziel der Richtlinie ist es, die Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft an die Erfordernisse des Binnenmarktes anzupassen und ihre Leistungsfähigkeit zu erhöhen (Art. 1 S.1 RL 91/440 EWG). Hierzu wurden folgende Maßnahmen formuliert:
- Gewährleistung der Unabhängigkeit der Geschäftsführung der Eisenbahnunternehmen vom Staat
(Hierdurch sollte es den Eisenbahnunternehmen möglich werden, eigenwirtschaftlich nach den Erfordernissen des Marktes zu operieren, um auch im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern wettbewerbsfähig sein zu können.) - Unternehmerische Trennung des Betriebs der Eisenbahninfrastruktur von der Erbringung der Verkehrsleistung (Trennung der Rechnungsführung obligatorisch, organisatorische/institutionelle Trennung fakultativ)
- Sanierung der Finanzstruktur der Eisenbahnunternehmen
- Garantie von Zugangsrechten zu den Eisenbahnnetzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union für internationale Gruppierungen von Eisenbahnunternehmen sowie für Eisenbahnunternehmen, die Verkehrsleistungen im grenzüberschreitenden Güterverkehr erbringen.
Die Richtlinie 91/440 EWG war bis zum 1. Januar 1993 von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union in nationales Recht umzusetzen.
Zur Konkretisierung der [91/440/EWG] wurden im Jahr 1995 zwei weitere Richtlinien verabschiedet: Die Richtlinie [95/18/EG] über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen und [95/19/EG] über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Berechnung von Wegeentgelten. Mit dem Recasting (Neufassung) des ersten Eisenbahnpakets im Jahr 2012 wurde die Richtlinie 95/18/EG durch die Neueinführung der Richtlinie [2012/34/EU] zum 15. Dezember 2012 aufgehoben. Die Richtlinie 95/19/EG wurde bereits mit Einführung des ersten Eisenbahnpakets außer Kraft gesetzt.
Zweck der Richtlinie 95/18/EG war die Gewährleistung einer gemeinschaftsweit einheitlichen und diskriminierungsfreien Vergabe von Zugangsrechten für Eisenbahnunternehmen zur Eisenbahninfrastruktur. Die Richtlinie formulierte in den Artikeln 5 bis 9 bestimmte Zulassungsvoraussetzungen, die ein Eisenbahnunternehmen erfüllen musste. Hierzu zählten Anforderungen an die Zuverlässigkeit, die finanzielle Leistungsfähigkeit, die fachliche Eignung sowie die Deckung von Haftungsrisiken. Zuständig für die Erteilung und Verwaltung der Genehmigungen waren die Mitgliedstaaten der Europäischen Union selbst. Die Gültigkeit der Genehmigungen erstreckte sich auf das gesamte Gebiet der Europäischen Union (Artikel 1 Absatz 3). Eine Genehmigung allein berechtigte jedoch noch nicht zum Zugang zur Eisenbahninfrastruktur (Artikel 4 Absatz 4).
Ziel der Richtlinie 95/19/EG war, die diskriminierungsfreie Inanspruchnahme der neuen Zugangsrechte zur Eisenbahninfrastruktur zu gewährleisten. Hierzu sollte ein gemeinschaftsweit einheitliches System für die Zuweisung von Fahrwegkapazität und die Berechnung von Wegeentgelten (Trassenpreise) eingeführt werden. Die Richtlinie 95/19/EG legte lediglich allgemeine Grundsätze für ein solches System fest. Den Mitgliedstaaten der Europäischen Union wurde es überlassen, ausführliche Vorschriften für die praktische Umsetzung zu normieren.