Methodik von Verkehrsprognosen
Erstellt am: 18.03.2010 | Stand des Wissens: 18.10.2018
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Bei der Erstellung von Verkehrsprognosen kommen unterschiedliche Methoden zum Einsatz. Grundsätzlich lassen sich Methoden in quantitativ und qualitativ unterscheiden. Methoden, die eine Mischung aus quantitativen und qualitativen Vorgehensweisen haben, werden Kombinationsmethoden genannt. Die verschiedenen Methoden werden beständig "durch entsprechende Forschungs- und Beratungsaufträge (weiter)entwickelt" ([Vah96], S. 1208).
Qualitative Methoden "basieren meist auf subjektive Erfahrungen und Überlegungen von Experten und erfahrenen Praktikern" ([Vah96], S. 843). Häufig kommen qualitative Methoden für sehr langfristige Entwicklungen oder Prognoseprobleme, bei denen man nicht auf historische Daten zurückgreifen kann, zum Einsatz. Ein großer Nachteil qualitativer Methoden ist, dass die daraus resultierenden Prognoseergebnisse zum Teil nur schwer objektiv nachvollziehbar sind. Eine in der Praxis häufig verwendete qualitative Methode (zur Expertenbefragung) ist die sogenannte Delphi-Methode.
Im Gegensatz zu qualitativen Verfahren benutzen quantitative Verfahren mathematisch-statistische Modelle. Mit Hilfe mathematischer Operationen werden Zeitreihendaten in einem Gleichungssystem miteinander verknüpft. Man unterscheidet uni- und multivariate Methoden, je nachdem ob eine oder mehrere Zeitreihen einbezogen werden (vgl. [Vah96], S. 843). Univariate Prognosen beziehen nur die Zeitreihe der zu prognostizierenden Variablen in die Untersuchung ein, während multivariate Methoden die zu prognostizierende Variable auf andere erklärende (kausale) Variablen zurückführen. Innerhalb der quantitativen Methoden können mehrere Verfahren unterschieden werden (vgl. [Ha93], S. 843):
- Naive Methoden "schreiben zuletzt beobachtete Werte, Mittelwerte oder Differenzen zur Vorperiode unverändert fort" ([Ha93], S. 843). Sie liefern kein befriedigendes Ergebnis, wenn die Zeitreihe einen Trend oder irreguläre Komponenten beispielsweise Saisoneinflüsse enthält.
- Bei Nichtparametrischen Glättungsverfahren werden arithmetische Durchschnitte (Glättungswerte) über Zeitreihen als Prognosewerte genutzt. Beispielsweise erhalten bei der exponentiellen Glättung Vergangenheitsdaten mit zunehmendem Alter eine exponentiell sinkende Gewichtung.
- Parametrische Trendanalysen, zum Beispiel eine Spektralanalyse oder eine Autokorrelationsanalyse, mit denen hinter Vergangenheitsdaten steckende Gesetzmäßigkeiten aufgedeckt und zur Aufstellung einer Fortschreibungsfunktion genutzt werden sollen.
- Zeitreihenanalysen sind mathematisch-statistisch am anspruchsvollsten, erzielen jedoch nicht immer die exaktesten Prognosen. Es ist zunächst zu ermitteln, wie die reale Zeitreihe am besten beschrieben werden kann.
Der Großteil der Verkehrsprognosen - so etwa auch im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung - werden mit der Zeitreihenanalyse erstellt. Es wird der Zusammenhang zwischen Verkehrsnachfrage und verursachenden Faktoren statistisch geschätzt. So wird etwa die Verkehrsnachfrage im Güterverkehr aus der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) erklärt. Die Kombination der Ausprägungsmerkmale Verkehrsleistung (VL) und erklärender Größe (BIP) werden für die verschiedenen Jahre in einem Diagramm abgetragen (siehe Abbildung 1). Man erhält einen "Punkteschwarm", über den mit Hilfe der Regressionsrechnung eine Funktion ermittelt wird, die den Zusammenhang möglichst genau abbildet. Dabei kommt die Methode der kleinsten Quadrate zur Anwendung.
Die Parameter der Funktion sind a und b, deren Werte mit der Regressionsanalyse berechnet werden. Bei diesem Vorgehen bezieht man sich auf die Vergangenheit ("Stützperiode"). Es wird angenommen, dass sich der Zusammenhang zwischen VL und BIP in Zukunft nicht verändert. Kennt man den Zusammenhang, so muss die künftige Entwicklung des BIP geschätzt werden, um die Verkehrsleistung zu prognostizieren.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die empirische Grundlage jeder Prognose in der Gegenwart und der Vergangenheit liegt. Jede Prognose setzt deshalb eine gründliche Analyse der bisherigen Entwicklung hinsichtlich der maßgebenden Einflüsse und Randbedingungen voraus, aus der erst Zukunftsinformationen mit Hilfe von verschiedenen Prognosemethoden abgeleitet werden können (vgl. [Stei05], S. 232).
Eine detaillierte sowie kritische Analyse der Methodik von Verkehrsprognosen liefert die Wissenslandkarte "Analyse der verkehrsprognostischen Instrumente der Bundesverkehrswegeplanung", die mit der vorliegenden Wissenslandkarte verlinkt ist (siehe "Thematisch verwandte Karten" im rechts angezeigten Reiter). Darin wird die Prognosemethodik hinter der Bundesverkehrswegeplanung ausführlich dargestellt und auf methodische Schwachstellen aufmerksam gemacht.