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Logistik im Gesundheitswesen

Erstellt am: 08.02.2008 | Stand des Wissens: 01.09.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten

Die Akteure des Gesundheitswesens sind schon seit Langem bestrebt, mittel- und langfristige Strategien zu entwickeln, die nicht nur ihre Leistungen und deren Qualität verbessern, sondern auch die damit verbundenen Prozesse und Strukturen effizienter und effektiver organisieren. Im Anbetracht der steigenden Bedeutung des Gesundheitswesens werden dabei zudem logistische Ansätze und Strategien eine wichtige Rolle spielen [Siep04;Krie12, S. 3, 42]. Unter der Logistik im Gesundheitswesen kann auch die Krankenhauslogistik gefasst werden. Darunter wird die Organisation, Durchführung, Planung und Kontrolle aller krankenhausinternen und -übergreifender Güter-, Personen- und Informationsflüsse verstanden [Krie07, S. 598].

Das deutsche Gesundheitswesen stellt aufgrund seiner Größe und gesellschaftlichen Bedeutung (zum Beispiel Gesundheit als besonderes Gut) einen zentralen volkswirtschaftlichen und sozialen Schwerpunkt dar. Das Gesundheitssystem wird nicht nur durch den demografischen Wandel und die wissenschaftlich-technologische Entwicklung, sondern auch durch die zunehmende Qualitätsorientierung und Wettbewerbssituation sowie einem steigenden Kostensenkungsdruck beeinflusst. Zudem ist die zunehmende Kostenexpansion ein anhaltendes Problem, das trotz der unterschiedlichen Vergütungssysteme (zum Beispiel DRG, GOÄ, EBM) in den verschiedenen Versorgungsstrukturen (ambulant, stationär, Reha) weiter anhält [OECD09; WeSc15, S. 1f., 89].

Die Logistik im Gesundheitssystem konzentriert sich schwerpunktmäßig auf die klassischen Elemente der Logistik (Transport, Lagerung und Umschlag), wobei sie sich auf die wesentlichen Ressourcen und Produktionsfaktoren fokussiert. Hierzu zählen Pharmazeutika (zum Beispiel Apothekenlogistik), medizinische und nicht medizinische Ver- und Gebrauchsgüter (zum Beispiel Medizinischer Groß- und Fachhandel), aber auch die Patienten (zum Beispiel Patientenlogistik im Krankenhaus) [EmMa01]. Ausschlaggebend für dieses beschränkte Logistikangebot im Gesundheitssystem ist die geringe praktische und wissenschaftliche Bedeutung. Logistische Aspekte und Fragestellungen werden in der Ausbildung sowie in Studiengängen, die auf das Gesundheitswesen fokussiert sind, nur wenig betrachtet. Zudem lässt sich feststellen, dass es bei Krankenhäusern, Krankenkassen, Herstellern und Zulieferern auf den höheren beziehungsweise oberen Führungsebenen häufig keine Verantwortlichen für die Logistik gibt. Außerdem wird der Optimierung von Logistikprozessen im Medizinbereich im Vergleich zu anderen Bereichen ein größeres Verbesserungspotenzial beigemessen [FrHa01; Krie12, S. 10].

Die logistischen Prozesse im ambulanten Sektor beziehen sich auf die Verteilung von einer Vielzahl von Gütern und Produkten sowie die Vernetzung einer großen Anzahl an Akteuren und Institutionen. Eine Vielzahl von Logistiknetzwerken und Verkehrsträgern wird genutzt. Im ambulanten Versorgungssystem besteht die Logistik hauptsächlich zwischen den Apotheken, dem Großhandel und sonstigen Herstellern und Zulieferern für die medizinischen und nicht medizinischen Ge- und Verbrauchsgüter.
Darüber hinaus erbringen Rettungsdienste wesentliche Transport- und Verteilungsleistungen im Bereich der Patientenlogistik. Diese Aktivitäten sind durch den operativen Bedarf bestimmt und nicht durch vorher festgelegte übergeordnete und konzeptionelle Strategien [DrPi02].

Durch die Arbeitsteilung und unterschiedlichen objektbezogenen Anforderungen im Krankenhaus- und Altenheimwesen haben sich die verschiedenen Schwerpunkte im Bereich der Logistik (zum Beispiel Versorgungslogistik, Apothekenlogistik, Patientenlogistik, Dokumentenlogistik) entwickelt. Diese gestalten sich gemäß Drauschke und Pieper [EmMa01] wie folgt:
  • Die Versorgungslogistik umfasst die Versorgung mit medizinischen Produkten, nicht medizinischen Ge- und Verbrauchsmitteln, Speisen und Nahrungsmitteln sowie Wäsche und Arbeitskleidung.
  • Die Apothekenlogistik ist fokussiert auf Arzneimittel sowie Blutkonserven, sonstige Laborproben und gegebenenfalls auch menschliche Organe.
  • Die Patientenlogistik befasst sich mit den Patienten, Mitarbeitern, Angehörigen und Besuchern.
  • Die Dokumenten- und Informationslogistik ist dafür zuständig, relevante Informationen und Daten bereitzustellen.
Qualitäts- und Kostenparameter repräsentieren die wesentlichen Beurteilungskriterien für das Gesundheitssystem. Dies bezieht sich auch auf die unterstützenden logistischen Dienstleistungen. Die derzeitige Konzentration auf abteilungsspezifische Optimierung von Ergebnissen, Prozessen und Strukturen führt zu einer suboptimalen Gesamtausrichtung sowohl der Krankenhäuser als auch des Gesamtsystems. Die Logistik kann als Querschnittsfunktion und Instrument des Prozessmanagements die Qualität und Wertschöpfung im Gesundheitswesen optimieren. Schätzungen zufolge können durch eine optimierte Krankenhauslogistik zwischen 10 bis 20 Prozent des Logistikaufwandes eingespart werden [Krie07].

Die steigende Service- und Kundenorientierung sowie die wirtschaftlichen Anforderungen im Rahmen der Finanzierbarkeit erfordern von den Krankenhäusern Strategien und Maßnahmen, die nicht nur ihre primären Geschäftsprozesse, sondern auch ihre Unterstützungsprozesse hinsichtlich Qualität und Kosten optimieren. Die Kontraktlogistik kann individuell logistische Leistungsbündel von Einkauf über Lagerung bis hin zur Lieferung an das Krankenhaus anbieten [Krie07;Krie12, S. 3f.;Riss16, S. 283].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Branchenspezifische Logistik (Stand des Wissens: 01.09.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?286059
Literatur
[DrPi02] Drauschke, S., Pieper, U. Beschaffungslogistik und Einkauf im Gesundheitswesen, Neuwied, Luchterhand, 2002
[EmMa01] Emmermann, M., Mathiass, P., Risse, J. Krankenhauslogistik, veröffentlicht in Logistik-Management: Strategien, Konzepte, Praxisbeispiele , Springer Verlag / Berlin, 2001/12
[FrHa01] Frosch, E., Hartinger, G., Renner, G. Outsourcing und Facility Management im Krankenhaus, Wien Ueberreuter, 2001
[Krie07] Kriegel, Johannes, Dr. Logistische Fettleibigkeit, veröffentlicht in Krankenhaus Umschau, 2007
[Krie12] Kriegel, Johannes Krankenhauslogistik: Innovative Strategien für die Ressourcenbereitstellung und Prozessoptimierung im Krankenhauswesen, Springer Fachmedien Wiesbaden, 2012, Online-Referenz doi:10.1007/978-3-8349-3648-6
[OECD09] OECD OECD Health Data 2009: Statistics and Indicators for 30 Countries, 2009, ISBN/ISSN 97892-64-06050-0
[Riss16] Risse, J., , Entwicklung eines Logistikkonzepts für ein Krankenhaus, veröffentlicht in Handbuch Changemanagement im Krankenhaus, Springer, Berlin, Heidelberg, 2016, Online-Referenz doi:10.1007/978-3-642-20362-6_18
[Siep04] Siepermann, C. Stand und Entwicklungstendenzen der Krankenhauslogistik in Deutschland, VWF, 2004
[WeSc15] Woratschek, Herbert , Schröder, Jürgen , Eymann, Torsten , Buck, Moike Wertschöpfungsorientiertes Benchmarking: logistische Prozesse in Gesundheitswesen und Industrie, 2015, ISBN/ISSN 3-662-43717-1
Glossar
Verbrauchsgüter Verbrauchsgüter können, z. B. Brennstoffe, Nahrungsmittel, Medikamente, etc. sein. Sie unterscheiden sich darin von Gebrauchsgütern, dass sie kurzlebige Güter sind. Sie werden durch den Endverbraucher relativ schnell verbraucht, wohingegen bei Gebrauchsgütern der "Verbrauch" lediglich in der Abnutzung über einen längeren Zeitraum besteht.
Gebrauchsgüter Gebrauchsgüter können als langlebige Güter bezeichnet werden. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie im eigentlichen Sinne nicht verbraucht werden, sondern durch wiederholten Gebrauch nur dem Verschleiß (Abnutzung) unterliegen, z.B. Einrichtungsgegenstände, Geschirr, Kleidung etc.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?251070

Gedruckt am Dienstag, 23. April 2024 21:48:25