Forschungsinformationssystem des BMVI

zurück Zur Startseite FIS

Globalisierung und Seeverkehr

Erstellt am: 31.01.2008 | Stand des Wissens: 26.10.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Als Globalisierung wird die zunehmende Internationalisierung des Handels, der Kapitalmärkte sowie der Produkt- und Dienstleistungsmärkte verstanden, mit der eine stärkere internationale Verflechtung der Volkswirtschaften untereinander einhergeht [Broc08].

Zwischen Globalisierung und internationalem Seeverkehr besteht eine enge Verknüpfung. Transport im Allgemeinen und Seeverkehr im Speziellen sind entscheidende Treiber der Globalisierung [CoWi08]. Das Angebot von immer günstigeren und schnelleren Seetransporten macht die Globalisierung in ihrer heutigen Form erst möglich und mit fortschreitender Globalisierung steigt die Nachfrage nach internationalen Seetransportleistungen weiter an. Seetransportleistungen, die ungefähr 80% des gesamten Welthandels ausmachen [UNCT17], sind überwiegend internationale Transporte, die Seeschifffahrt ein hochgradig internationalisierter Prozess der Leistungserstellung.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts ermöglichten Innovationen in Schiffbau, Schiffsantriebstechnik und Kommunikationstechnologie die Aufnahme regelmäßiger Linienverkehre zwischen verschiedenen Weltregionen und damit die Herausbildung eines weltweiten Absatzmarktes [Stop09]. Regelmäßige Handels- und Transportbeziehungen verstärkten sich im Folgenden durch zusehends sinkende Transportkosten und -zeiten bei gleichzeitig steigender Zuverlässigkeit der Schiffsverkehre.

Wachsende Kapazität, Konnektivität und Zuverlässigkeit des weltweiten Transportsystems sind heute als ein Hauptfaktor maßgeblich verantwortlich für das andauernde Wachstum des internationalen Handels [deMo10, S. 13-30]. Die Beteiligten der Seeschifffahrt sind dabei auf eine Verringerung der Kosten und eine Verbesserung der operativen Abläufe konzentriert. Dies zeigt sich im Einsatz immer größerer Schiffe, um möglichst hohe Skaleneffekte beim Transport auszunutzen. Weiter konnten mit der Vereinheitlichung der Transporteinheit durch die Einführung des ISO-Containers erhebliche Effizienzsteigerungen umgesetzt und die Kosten des intermodalen Transportes merklich verringert werden [PaLa11].

Obwohl die Schifffahrt bereits in der Vergangenheit in verschiedener Hinsicht deutlich stärker internationalisiert war als andere Wirtschaftsbereiche, hat auch hier die Globalisierung eine Reihe von Veränderungen mit sich gebracht [deMo10;NoRo11]. Dieses findet seinen Ausdruck in
  • dem Entstehen von global agierenden Unternehmen und Allianzen zunächst in der Schifffahrt, dann auch im Hafenbetrieb,
  • der Internationalisierung des Arbeitsmarktes in der Schifffahrt und
  • dem international aufgestellten Markt für Schiffsfinanzierungen.
In der Schifffahrt bildeten sich frühzeitig internationale, die ganze Welt umspannende Frachtenmärkte heraus. Zur Regulierung der Märkte in der Linienschifffahrt schlossen sich ab Ende des 19. Jahrhunderts Reedereien zu internationalen Kartellen, den sogenannten Schifffahrtskonferenzen, zusammen [Stop09]. Diese Kooperationen haben heute unter veränderten Bedingungen die Form von globalen Allianzen im Containerverkehr angenommen. Parallel lässt sich ein globaler Prozess von Akquisitionen und Fusionen beobachten, der die Marktkonzentration, insbesondere im Bereich der Containerschifffahrt, vorantreibt [LuLa10]. Darüber hinaus nimmt die vertikale Integration im Containerverkehr stetig zu, da die Reeder bemüht sind, Haus-zu-Haus-Verkehre anzubieten [Nott04;SoBe03].

Im Gegensatz zur Seeschifffahrt waren die Seehäfen lange Zeit überwiegend regional und national organisiert. In den vergangenen Jahren ist jedoch eine Tendenz der Globalisierung des Betriebs von Containerterminals zu beobachten. International agierende Gruppen wie PSA, Hutchinson Port Holdings und DP World haben ihre Aktivitäten zu einem weltweit verteilten Netz von Terminals ausgeweitet. Auch große Containerreedereien verfolgen zunehmend eine vertikale Integrationsstrategie und treten als Betreiber eigener ("dedicated") Terminals auf [NoRo11]. Zugleich wandeln sich die Häfen von einem bloßen Umschlagspunkt innerhalb der Lieferkette hin zu zentralen Logistik- und Informationsknoten mit überregionaler Bedeutung [CuSo07].

Schiffsbesatzungen werden heutzutage auf einem internationalen Markt von global agierenden Vermittlern rekrutiert. Multinationalität ist dabei ein generelles Merkmal der Besatzungen [SiPi12], welche in erster Linie aufgrund von Kostengesichtspunkten nicht Nationalitäten zusammengestellt werden. Zu beobachten ist, dass die Offiziere eines Schiffes jedoch größtenteils aus einer Ländergruppe entstammen [CoWi08]. Der Großteil aller Seeleute stammt aus Osteuropa, Fernost und Südostasien. Die wichtigsten Herkunftsländer für Offiziere sind die Philippinen, Indien und China. Die wichtigsten Herkunftsländer für Mannschaften sind China, die Philippinen und Indonesien [ICS17]. Die Bedeutung von Seeleuten aus Ostasien für die Bemannung der Welthandelsflotte nimmt insgesamt weiter zu [MSF10].

Bei der Finanzierung von Schiffen und Hafenanlagen spielte die Finanzwirtschaft eine bedeutende Rolle. Der hohe Kapitalbedarf von Sachinvestitionen in Schiffe und Hafenanlagen, aber auch bei internationalen Unternehmensübernahmen kann nur unter Beteiligung der internationalen Finanzmärkte gedeckt werden [RoNo10]. Weiter bewirkt die Mobilität und leichte Handelbarkeit des Anlagevermögens "Seeschiff", dass sich globale Märkte für die Beschaffung von Seeschiffen herausgebildet haben.
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Seeschifffahrt (Stand des Wissens: 26.10.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?11155
Literatur
[Broc08] Brockhaus Globalisierung, veröffentlicht in Der Brockhaus Wirtschaft, Leipzig, Mannheim, 2008
[CoWi08] Corbett, James J. , Winebrake, James The Impacts of Globalisation on International Maritime Transport Activity - Past trends and future perspectives, veröffentlicht in Global Forum on Transport and Environment in a Globalising World, Guadalajara, Mexico, 2008/11/12
[CuSo07] Cullinane, Kevin, , Song, Dong-Wook Asian Container Ports - Development, Competition and Co-operation , Palgrave Macmillan, 2007/01, ISBN/ISSN ISBN: 978-0-230-00195-4
[deMo10] De Monie, G., Rodrigue, j., Notteboom, T. Economic Cycles in Maritime Shipping and Ports: The Path to the Crisis of 2008, veröffentlicht in Integrating Seaports and Trade Corridors, ASHGATE / Surrey, 2010
[ICS17] International Chamber of Shipping (ICS) (Hrsg.) Global Supply and Demand for Seafarers, 2017
[LuLa10] Lun Y.H.V., , Lai K.H.,, Cheng T.C.E. Shipping and Logistics Management, Springer / London, 2010, ISBN/ISSN ISBN:978-1-84882-996-1
[MSF10] Institute for Employment Research, International Maritime Conventions Research Center BIMCO/ISF MANPOWER 2010 UPDATE - The Worldwide Demand for and Supply of Seafarers, 2010
[NoRo11] Notteboom, T., Rodrigue, J.-P. The Corporate Geography of Global Container Terminal Operators, veröffentlicht in Maritime Policy and Management, 2011
[Nott04] Notteboom, T. Container Shipping and Ports: An Overview, veröffentlicht in Review of Network Economics, Ausgabe/Auflage Vol. 3, No. 2, 2004/06
[PaLa11] Photis M. Panayides,, Neophytos Lambertides,, Christos S. Savva The relative efficiency of shipping companies, veröffentlicht in Transportation Research Part E: Logistics and Transportation Review, Ausgabe/Auflage Vol 47, Issue 5, 2011/09
[RoNo10] Jean-Paul Rodrigue, , Theo Notteboom, , Athanasios A. Pallis The Role of Finance in Shipping and Ports: Revisiting embededdness and risk assessment, Denmark, Aland, 2010/04
[SiPi12] Silos, J. M. , Piniella, F. , Monedero, J. , Walliser, J. Trends in the global market for crews: A case study , veröffentlicht in Marine Policy, Ausgabe/Auflage Vol. 36, Issue 4, 2012/07
[SoBe03] De Souza Junior, G. , Beresford, Anthony , Pettit, Stephen Liner Shipping Companies and Terminal Operators: Internationalisation or Globalisation?, veröffentlicht in Maritime Economics & Logistics, Palgrave Macmillan Ltd, 2003/05
[Stop09] Stopford, Martin Maritime economics, Ausgabe/Auflage 3. Aufl., Routledge / London, New York, 2009/02/06
[UNCT17] United Nations Conference on Trade and Development (Hrsg.) Review of Maritime Transport 2017, 2017
Weiterführende Literatur
[Voor05] Van de Voorde, E. What Future the Maritime Sector?: Some Considerations on Globalisation, Co-operation and Market Power, veröffentlicht in Global Competition in Transportation Markets: Analysis and Policy Making, Elsevier / Oxford, 2005, ISBN/ISSN 0-7623-1204-1
Glossar
dedizieren dedizieren bedeutet jemandem etw. widmen (vgl. im Englischen "to dedicate") und ist vom lateinischen dedicare abgeleitet (de+dicare, jemandem etwas zusprechen, weihen, widmen). Es wird speziell im EDV-Bereich gebraucht: So nennt man beispielsweise einen Server, der ausschließlich für die Verarbeitung einer Datenbank zuständig ist, einen dedizierten Datenbank-Server.
Economies of Scale Economies of Scale treten auf, wenn die Produktionskosten pro hergestellter Einheit mit zunehmender Produktionsmenge abnehmen.
Seehafenterminal
In einem Containerterminal erfolgt der Umschlag von Containern, Wechselbehältern, Wechselbrücken oder Sattelaufliegern und ähnlichen Ladeeinheiten im Hafen. Weiterhin kann auch Projektgeschäft, z.B. übergroße Ladungen, umgeschlagen werden.
Zusätzlich zu den Containerterminals umfasst der Begriff des Seehafenterminals auch andere Ladungs- und Terminalarten, wie z.B. Massengutterminals oder Flüssiggutterminals.
Charakteristisch für Seehafenterminals ist die Anbindung an das Wasser und mindestens einen weiteren Verkehrsträger.
Allianzen im Containerverkehr Allianzen im Containerseeverkehr sind eine Weiterentwicklung der Konsortien. Sie betreiben fahrtgebietsübergreifende Kooperationen und sind im Unterschied zu Konsortien nicht nur auf gemeinschaftliche Schiffsoperation, gemeinsame Nutzung von Hafenterminals und Stellplatzvereinbarungen limitiert, sondern sind auch auf gemeinsame Ausrüstung, Zusammenarbeit im logistischen Bereich und gemeinsame Investitionen gerichtet.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?250406

Gedruckt am Samstag, 20. April 2024 04:03:11