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Nord-Ostsee-Kanal

Erstellt am: 28.08.2007 | Stand des Wissens: 18.09.2023
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Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Der Nord-Ostsee-Kanal (NOK) wurde im Jahr 1895 unter dem Namen Kaiser-Wilhelm-Kanal eröffnet und 1948 in Nord-Ostsee-Kanal umbenannt (im internationalen Sprachgebrauch Kiel-Canal). Er führt von Brunsbüttel an der Unterelbe über eine Länge von 98,637 Kilometer nach Kiel-Holtenau und ist die meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt. Ohne Berücksichtigung der Sport- und sonstigen Kleinfahrzeuge befuhren den Kanal im Jahr 2021 durchschnittlich 76 Schiffe/Tag (27.293 Schiffe insgesamt) [MAR22, S. 122].

An den Mündungen ist der NOK durch Schleusenbauwerke vor Wasserspiegelschwankungen geschützt. Transporte durch den Kanal erfolgen zumeist mit Feederschiffen im Zubringerdienst, von und zu den großen Überseehäfen der Nordrange, wobei die häufig im Liniendienst fahrenden Schiffe von einem enormen Zeitvorteil gegenüber dem Weg um Kap Skagen in die Ostsee profitieren. Beispielhaft beträgt die Streckenersparnis der Fahrt von Rotterdam nach Kleipeda durch den NOK anstatt um Kap Skagen 183 Seemeilen [MAR18, S. 140]. Die Passagekosten des NOK sind unter anderem abhängig von der Lotsenannahmepflicht, der Bruttoraumzahl (BRZ) und den Abmessungen/dem Tiefgang des Schiffes. Als Gesamtsumme kann sich ein Wert aus Lotsgeldern, Lotsabgaben, Befahrungsabgaben und Kanalsteuer ergeben, welcher sich um Passagekosten der Elbe und Kieler Förde erhöht.
Gesamtverkehr NOK nach Typ.pngAbbildung 1: Gesamtverkehr auf dem Nord-Ostsee-Kanal in den Jahren 2020 und 2021 nach Schiffstypen (eigene Darstellung nach [MAR22, S. 122])
Gesamt Ladungsverkehr NOK nach Ladungsart.pngAbbildung 2: Gesamtverkehr auf dem Nord-Ostsee-Kanal in den Jahren 2020 und 2021 nach Ladungsarten (eigene Darstellung nach [MAR22, S. 122])
Um die anfallenden Sanierungen an den Schleusen durchführen zu können, ist eine weitere Schleuse notwendig, die den Verkehr auffangen wird. Auch die Schiffsabfertigung könnte bei Gebrauch aller Schleusen beschleunigt und anfallende Wartezeiten vermindert werden. Nach jahrelanger Diskussion wurde 2012 der erste Spatenstich für eine 5. Schleusenkammer in Brunsbüttel gesetzt [BMVB12]. Das Projekt mit einem Investitionsvolumen von 375 Millionen Euro ist seit April 2013 europaweit ausgeschrieben. Allerdings werden Mehrkosten in Höhe von 100 Millionen Euro erwartet. Die Vergabe war im April 2014 durchgeführt worden, mit einer Fertigstellung wird 2020 gerechnet [NDR14]. Durch Kampfmittelräumung und technische Probleme sind jedoch Verzögerungen von etwa einem halben Jahr angefallen. Nachdem zunächst an der Fertigstellung 2020 weiter festgehalten wurde, hat sich die Bauzeit mittlerweile weiter verzögert [NDR15]. Zunächst gingen Experten von einer Fertigstellung im Jahr 2025 aus [WELT18], die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung hat den Termin jedoch erneut nach hinten verschoben. Mittlerweile wird die Fertigstellung frühestens 2026 erwartet [NDR20]. 
In Kiel Holtenau ist statt einer Sanierung ebenfalls ein Neubau der beiden seit 2014 wegen Einsturzgefahr gesperrten Schleusenkammern geplant. Die Kosten für den Abriss und Neubau in Höhe von 240 Millionen Euro trägt der Bund. Die Finanzierungszusage erfolgte im März 2016. Mit dem Beginn der Bauarbeiten ist frühestens 2018 zu rechnen [KN16]. Die neue, modernere Schleusenanlage mit ihren vier Kammern soll spätestens 2030 fertiggestellt werden [SHZ16]. Das Planfeststellungsverfahren wurde jedoch erst im Mai 2019 angestoßen, so dass mit Bautätigkeiten frühestens im Jahr 2023 zu rechnen ist. An der Fertigstellung des Projektes bis spätestens 2031 wird weiterhin festgehalten und auch die Vorbereitungen für den Abriss der beiden Schleusen haben bereits begonnen [KN19].
Zurzeit können Schiffe mit den maximalen Abmessungen Länge / Breite / Tiefgang in Meter 235 Meter / 32,5 Meter / 7,0 Meter beziehungsweise 175 Meter / 24,0 Meter / 9,5 Meter den Kanal befahren, zukünftig sollen es 235 Meter / 32,5 Meter / 9,5 Meter sein [MAR18, S. 140].

Wesentliche Parameter des NOK lauten zusammengefasst [MAR18, S. 140; NDR19d]
  • Länge: 98,637 Kilometer
  • Breite im Wasserspiegel: 162 Meter (im Regelprofil von Kilometer 80 bis Kilometer 98 nur 102,5 Meter)
  • Breite in der Sohle: 90 Meter (im Regelprofil von Kilometer 80 bis Kilometer 98 nur 44 Meter)
  • Wassertiefe: 11 Meter
  • Alte Schleusen
    Nutzlänge: 125 Meter
    Nutzbreite: 22 Meter
    Drempeltiefe: in Brunsbüttel NN-10,20 Meter, in Kiel-Holtenau NN-9,80 Meter
    Stemmtore: je Kammer 2 Ebbe- und 2 Fluttore
    Füllung: durch 2 Seitenkanäle mit je 12 Stichkanälen
    Schleusungszeit: 30 Minuten
  • Neue Schleusen
    Nutzlänge: 310 Meter
    Nutzbreite: 42 Meter
    Drempeltiefe: NN-14,00 Meter
    Stemmtore: je Kammer 3 Tore; das Mitteltor, zugleich Reservetor,
    ermöglicht in einer verkürzten Kammer eine schnellere Schleusung
    Füllung: in Brunsbüttel durch Torumläufe, in Holtenau durch 2
    Seitenkanäle mit je 29 Stichkanälen
    Schleusungszeit: 45 Minuten
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Maritimer Ostseeverkehr (Stand des Wissens: 18.09.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?408577
Literatur
[BMVB12] o.V. Erster Spatenstich für Neubau der 5. Schleusenkammer in Brunsbüttel, 2012/04/17
[KN16] Kieler Nachrichten (Hrsg.) Bund baut neue Schleusen in Kiel, 2016/03/05
[KN19] Kieler Nachrichten (Hrsg.) Kiels größte Sandkiste ist fertig, 2019/05/30
[MAR18] Marinekommando (Hrsg.) Jahresbericht 2018: Fakten und Zahlen zur maritimen Abhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland, 2018/11/08
[MAR22] Marinekommando (Hrsg.) Jahresbericht 2022: Fakten und Zahlen zur maritimen Abhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland, 2022
[NDR14] o.A. Brunsbüttel: Neue Schleuse in sechs Jahren, 2014/02/28
[NDR15] Schleuse Brunsbüttel: Arbeiten hinter Zeitplan, 2015/09/03
[NDR19d] Norddeutscher Rundfunk (Hrsg.) Große Pötte bestaunen am Nord-Ostsee-Kanal, 2019
[NDR20] NDR (Hrsg.) Neue Schleusenkammer in Brunsbüttel nicht vor 2026 fertig, 2020/06/16
[SHZ16] Udo Carstens Teure Verjüngungskur für die Schleusen in Holtenau, 2016/04/27
[WELT18] Birger Nicolai Europas größte Wasserbaustelle wird zum nächsten BER, 2018/02/28
Glossar
Ladungsverkehr Der Ladungsverkehr ist hauptsächlich durch das Sendungsgewicht der transportierten Güter (meist Industriegüter ohne spez. Handlingsbedürfnisse), das zwischen 2,5 Tonnen und 25 Tonnen liegt, gekennzeichnet. Ladungsverkehr ist eine Form der Transportabwicklung, bei der Güter zu einer Ladeeinheit zusammengefasst sind und die Einheit ohne Auflösung direkt vom Versender zum Empfänger transportiert wird (im Gegensatz zum Stückgutverkehr oder Paketdienst, wo die Bündelung in Umschlagslagern erfolgt). Eine gesetzliche Definition des Begriffes Ladungsverkehr gibt es in § 4 Kraftverkehrsordnung (KVO), wonach die Entscheidung beim Versender liegt, ob dieser das Gut als Stückgut oder Ladungsverkehr aufgibt. Der Transport der Ladung erfolgt typischerweise in Wechselaufbauten, Sattelaufliegern oder Containern. Der Ladungsverkehr wird auf der Straße, Schiene, Luft und See abgewickelt, wobei auch eine Kombination der Verkehrsträger möglich ist (Kombinierter Ladungsverkehr). Die Abwicklungsform des Ladungsverkehr wird in der Praxis in der Regel ab einem Sendungsgewicht von 1.500-2.000 kg gewählt. Der wirtschaftliche Anreiz für Ladungsverkehre liegt in der Ersparnis, die sich daraus ergibt, dass keine Sammel-, Verteil- oder Umschlagsaktivitäten nötig sind.
Hafenrange
Unter einer Hafenrange wird eine gedanklich zusammengefasste Hafengruppe verstanden, für die im Linienverkehr meist gleiche Frachtraten gelten. Die Häfen einer Range stehen untereinander in intensivem Wettbewerb.
Unter der Nordseerange werden allgemein die Häfen Hamburg, Bremen/Bremerhaven, Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen zusammengefasst sowie z.T. Le Havre, Dünkirchen, Zeebrügge, Vlissingen und Flushing einbezogen.
Als ARA-Range werden die Häfen Antwerpen. Rotterdam und Amsterdam bezeichnet.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?234762

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 18:51:06