Zukunft der Mobilität 2030
Erstellt am: 12.06.2007 | Stand des Wissens: 12.12.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zur Bearbeitung zukunftsorientierter Fragestellungen haben sich Szenarioanalysen bewährt. Die im Jahr 2002 erstmals erschienenen und 2005 fortgeschriebenen Szenarien zur Zukunft der Mobilität von Personen und Gütern in Deutschland wurden vom Institut für Mobilitätsforschung (ifmo) im Jahr 2010 ein weiteres Mal fortgeschrieben [ifmo10, S. 6]. "Die zweite Fortschreibung der ifmo-Studie "Zukunft der Mobilität" zeigt drei mögliche und realistische Bilder zukünftiger Entwicklungen der Mobilität in Deutschland 2010 bis 2030, die auf Basis eines interdisziplinären und unabhängigen Expertenwissens entstanden sind" [ifmo10, S. 4].
Die Einflüsse von gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen, technologischen, ökologischen und verkehrsträgerbezogenen Entwicklungen auf die zukünftige Mobilität wurden in den vergangenen zwei Jahren vom ifmo auf zahlreichen Workshops analysiert [ifmo10, S. 6].
Die Ergebnisse der aktuellen Studie und ein Vergleich zu den Vorgängerstudien zeigen bei "einigen betrachteten Einflussumfeldern deutliche Veränderungen hinsichtlich der Einschätzungen der zukünftigen Entwicklungen. Bei vielen Einflussfaktoren konnten die bisherigen Zukunftsprojektionen in ihrer Gültigkeit bestätigt werden" [ifmo10, S. 6].
Bei vielen Einflussfaktoren ist im Vergleich zu vorangegangen Studien jedoch die Unsicherheit hinsichtlich ihrer zukünftigen Entwicklung deutlich gestiegen. Beispielsweise hat die Finanz- und Wirtschaftskrise die Unsicherheit der ökonomischen Einflussfaktoren erhöht [ifmo10, S. 11]. Statt wie bisher zwei Szenarien wurden in der zweiten Fortschreibung drei Szenarien beschrieben, um dem "vergrößerten Möglichkeitsraum für die Zukunft gerechter zu werden" [ifmo10, S. 6].
Die Titel der Szenarien lauten:
- Gereifter Fortschritt,
- Globale Dynamik und
- Rasender Stillstand [ifmo10, S. 6].
Die Charakteristika der einzelnen Szenarien werden im Folgenden kurz angerissen. [ifmo10] enthält eine ausführliche Beschreibung der Szenarien und deren Kenngrößen mit ihren jeweiligen Ausprägungen.
Szenario 1: Gereifter Fortschritt
- Geringere Wachstumsdynamik
- (durchschnittliches Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP))
- Starke Einbindung Deutschlands in die Weltwirtschaft, Export als Treiber des Wirtschaftswachstums
- Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung
- Aktive, gestalterische Politik
- Rückgang der Personenverkehrsleistung
- Automobiles Leitbild prägt Gesellschaft, Auto als dominierendes Verkehrsmittel
- Dämpfung der Entwicklung der Verkehrsleistung im Motorisierten Individualverkehr (MIV) und Personenluftverkehr durch hohen Erdölpreis
- Leichte Anteilsverschiebung am Modal Split vom MIV zum Öffentlichen Verkehr (ÖV) [ifmo10, S. 6, 12].
Szenario 2: Globale Dynamik
- Konjunkturoptimistische Zukunftsprojektionen (lange dynamische Wachstumsphasen, starke Einbindung Deutschlands in den Welthandel, Boomender Außenhandel, positive Wirtschaftsentwicklung im Inland)
- Geringer Bevölkerungsrückgang in Deutschland durch Zuzug
- Bevölkerungskonzentration in prosperierenden Städten und Ballungsräumen
- Aktive, gestalterische Politik
- Starkes Verkehrswachstum, Anstieg der Verkehrsleistung im Personen- und Güterverkehr
- Pragmatisches Verkehrsmittelwahlverhalten, deutlich flexibleres Verkehrsmittelwahlverhalten in vielen Bevölkerungsgruppen (je nach Preis, Fahrzeit, Komfort und Lifestyle) [ifmo10, S. 8, S. 12].
Szenario 3: Rasender Stillstand
- Mehrere globale krisenhafte Entwicklungen (Ölangebotsschock, Finanz- und Wirtschaftskrise)
- Starke konjunkturelle Schwankungen (Rezessions- und Wachstumsphasen)
- Stagnierende Wirtschaftsleistung in Deutschland
- Verhaltendes Wachstum des deutschen Außenhandels
- Starke Bevölkerungsabnahme
- Regionale Ungleichverteilung der Wirtschaftsleistung
- Kurzfristig orientierte Politik
- Einschränkung des Handlungsspielraums der politischen Akteure, z. B. infolge der Krisenbekämpfung stetig zunehmende Staatsverschuldung u. a.
- Abnahme der Personenverkehrsleistung
- Starker Rückgang der Verkehrsleistung im MIV
- Pragmatisches, kostenorientiertes Mobilitätsverhalten auf Grund des hohen Ölpreises sowie sinkender Haushaltseinkommen
- Starker Anstieg des Anteils des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) am Modal Split [ifmo10, S. 9, 12].
Die Verlängerung des Betrachtungszeitraums in das Jahr 2030 lässt einen "stärkeren demografischen Wandel erkennen als noch in den Studien zuvor" [ifmo10, S. 6]. "Während für das Jahr 2025 [ZdM05] eine Stagnation bei 82 Millionen Einwohnern als eine denkbare Entwicklung erschien" [ifmo10, S. 6], gehen alle drei Szenarien der aktuellen Studie von einer Schrumpfung der Bevölkerung aus.
Des Weiteren altert die Bevölkerung. In allen drei Szenarien zeigt sich, dass "ältere Personen im Jahr 2030 deutlich mobiler sind als es Gleichaltrige im Jahr 2010 waren" [ifmo10, S. 6]. Im Alter sinkt jedoch die Mobilitätsnachfrage, so dass trotz gestiegener Mobilität im Alter die Alterung der Gesellschaft das gesamte Mobilitätsniveau in Deutschland dämpft.
Innerhalb Deutschlands kommt es in allen drei Szenarien zu weiteren Migrationsströmen. In vielen ländlichen Regionen in der Mitte und im Osten Deutschlands, jedoch auch "in wirtschaftlich schwachen Städten findet eine Abwanderung der Bevölkerung in prosperierende Ballungsräume statt" [ifmo10, S. 13]. Das Ausmaß der Konzentrationsprozesse ist in den Szenarien auf Grund unterschiedlicher demografischer und ökonomischer Zukunftsprojektionen jedoch unterschiedlich [ifmo10, S. 6].