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Motivation und Beweggründe für Kontraktlogistikpartnerschaften aus Verlader- und Dienstleistersicht

Erstellt am: 11.05.2007 | Stand des Wissens: 01.09.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten

Das Geschäftsmodell der Kontraktlogistik entstand, weil traditionelle Speditions-, Transport- und Lagerunternehmen ihre langfristigen Geschäftsbeziehungen zu Großkunden ausbauten [KlKr12, S. 285f.]. Dieses geschah dadurch, dass sie den Kunden zusätzlich zu den Transporten vor- und nachgelagerte Leistungen wie zum Beispiel Kommissionierung, Verpackung, Auftragsannahmeservices oder leichte Konfektionierungs- und Montagearbeiten anboten. Im Laufe der Zeit entwickelten sich komplexere, individuell auf die Kundenbedürfnisse abgestimmte Dienstleistungsbündel [KeKo08, S. 57]. Sowohl die Verlader als auch die Dienstleister profitieren aus der Kontraktlogistik-Partnerschaft in vielerlei Hinsicht [KlKr12, S. 285f.].
Nachfolgend werden die Hauptmotivationsgründe für die Aufnahme einer Partnerschaft aus der Sicht eines Verladers nach Klaus, Krieger und Krupp erläutert [KlKr12, S. 286]. Eine Partnerschaft schafft für den Verlader sowohl eine Reduzierung von Komplexität als auch die Möglichkeit der besseren Konzentration auf dessen Kernkompetenzen. Vor allem in Branchen, in denen der Logistikanteil am Gesamtproduktnutzen für den Kunden gering ist, besteht die Tendenz zur Fremdvergabe von logistiknahen Leistungen. Durch die Spezialisierungsvorteile des Dienstleisters sind Effizienzsteigerungen zu erwarten und der Verlader kann seine Kräfte und Ressourcen auf seine eigenen Kernkompetenzen fokussieren, was schließlich auch eine Kostenreduktion bewirkt. Zusätzlich ist für diese Bereiche kein operatives Management mehr notwendig. Darüber hinaus können die Kosten variabler gestaltet werden. Ehemals fixe Kosten, wie zum Beispiel für Gebäude und Anlagen werden in variable Kosten umgewandelt, indem sie in den Zuständigkeitsbereich des Dienstleisters übergeben werden. Durch eine Fremdvergabe fallen Kosten nur dann an, wenn die Leistungen des Dienstleisters auch in Anspruch genommen werden. Der Dienstleister trägt nun aber auch das Auslastungsrisiko [Mühl12, S.31]. Die Preiskalkulation ist in der Regel mengenabhängig, daher sind die Kosten des Kontraktgebers variabel. Außerdem kann der Verlader eine Reduzierung seines Kapitaleinsatzes erreichen [Mühl12, S.31]. Notwendige Neuinvestitionen in Lagerhallen oder Anlagen sowie die Einstellung von zusätzlichem Personal entfallen auf den Dienstleister. Darüber hinaus kann eine Kostenreduktion durch Nutzung unterschiedlicher Lohnkostenniveaus erreicht werden. Hierbei werden die Kostenvorteile ausgenutzt, die durch die unterschiedlichen Branchentarife und Arbeitszeiten der Logistikdienstleister und des Verladers entstehen. Der Kontraktgeber profitiert ferner von einer erhöhten Transparenz über die Kosten der ausgelagerten Logistikleistungen. Mit dem externen Bezug der Leistung sind eine genaue Planung der Kosten und eine erhöhte Kostentransparenz verbunden, da es sich um Primärkosten handelt und diese leichter zu verrechnen sind. Nachfolgend ist eine kurze Auflistung der Vorteile für eine Kontraktlogistikpartnerschaft aus Sicht des Verladers nach Klaus, Krieger und Krupp erläutert [KlKr12, S. 286]:
  • Fokussierung auf Kernkompetenzen
  • Kostenreduktion durch Ausnutzung verschiedener Lohnkostenniveaus
  • Kostenreduktion und Leistungsverbesserung durch Spezialisierungsvorteile der Dienstleister
  • Erhöhte Kostentransparenz der Logistik
Für den Dienstleister sind andere Gründe für eine Kontraktlogistik-Partnerschaft entscheidend und werden wie folgt nach Waibel, Herr und Schmidt sowie Klaus, Krieger und Krupp erläutert [WaHr07;KlKr08;KlKr12, S. 286]. Durch eine längere Bindung entsteht eine höhere Planungssicherheit für den Dienstleister. Zudem ergeben sich auf der anderen Seite Abhängigkeiten zwischen den Kontraktlogistik-Partnern aufgrund der Nicht-Austauschbarkeit durchzunehmende Vertragsdauer und Komplexität der zu erbringenden Dienstleistung. Durch eine fortschreitende Integration in die Arbeitsabläufe des Verladers eignet sich der Dienstleister branchen- und firmenspezifisches Know-how an, wodurch Folgegeschäfte beim Kontraktgeber oder innerhalb der Branche besser akquiriert werden können und zugleich als Schutz vor potenziellen Wettbewerbern dienen. Zudem können durch die Zusammenarbeit persönliche Bindungen, die das Vertrauenspotenzial zwischen Kontraktgeber und -nehmer erhöhen, Transaktionskostenvorteile und günstigere Lernkurveneffekte geschaffen werden. Ferner ergeben sich tendenziell höhere Umsatzrenditen in der Kontraktlogistik als im Vergleich zu den Renditen anderer Logistikmarktsegmente. Nachfolgend ist eine kurze Auflistung der Vorteile für eine Kontraktlogistikpartnerschaft aus Dienstleistersicht nach Klaus, Krieger und Krupp erläutert [KlKr12, S. 286]:
  • Stärkere Verflechtung der Verlader-Dienstleister-Beziehung aufgrund von längerfristig angelegten Verträgen
  • Know-how-Zuwachs des Dienstleisters, dadurch gesteigerte Attraktivität für Folgegeschäften
  • Erhöhte Bindung des Verladers an den Dienstleister durch verstärkte Integration in Leistungserstellungsprozess
  • Tendenz zu höheren Renditen im Vergleich zu Transport-und Lagereiunternehmen
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Kontraktlogistik (Stand des Wissens: 01.09.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?285349
Literatur
[KeKo08] Kersten, Wolfgang , Koch, Jan , Hohrath, Philipp Innovative Logistikdienstleistungen: Vor- und Nachteile der Kontraktlogistik, veröffentlicht in Produkt- und Prozessinnovationen in Wertschöpfungsketten, GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden, 2008, Online-Referenz doi:10.1007/978-3-8349-9765-4_3, ISBN/ISSN 978-3-8349-9765-4
[KlKr08] Krieger, W., Klaus, Peter, Prof. Gabler Lexikon Logistik (4. Auflage), Ausgabe/Auflage 4. Auflage, Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden, 2008, ISBN/ISSN 978-3-8349-0149-1
[KlKr12] Klaus, P., Krieger, W., Krupp, M. (Hrsg.) Gabler Lexikon Logistik: Management logistischer Netzwerke und Flüsse, Ausgabe/Auflage 5. Auflage, Gabler, 2012, Online-Referenz doi:10.1007/978-3-8349-7172-2, ISBN/ISSN 9783834971722
[Mühl12] Mühlencoert, Thomas Kontraktlogistik-Management
Grundlagen - Beispiele - Checklisten, Gabler Verlag, Wiesbaden, 2012, Online-Referenz doi:10.1007/978-3-8349-3733-9
[WaHr07] Waibel, Florian, Herr, Sebastian, Schmidt, Norbert, "Ramp up" in der Kontraktlogistik: eine Untersuchung zu den Fallstricken und "Best Practices" des Anlaufmanagements von komplexen Kontraktlogistik-Projekten, 2007
Glossar
Kernkompetenz Die Fokussierung auf Kernkompetenzen (engl. Core competence) ist die Beschränkung der Unternehmensaktivitäten auf das wesentliche Geschäft, in der Regel verbunden mit dem Herauslösen gewinnreduzierender Aktivitäten, die auf spezialisierte Unternehmen übertragen werden, z. B. die Übertragung (Outsourcing) der Logistikfunktionen auf einen Dienstleister.
Verlader Der Verlader ist derjenige Teilnehmer in der Transportkette, der die Ladung/Transportgut erstmals aufgibt. Unter einem Verlader versteht man ein Unternehmen, das Logistikdienstleistungen (Transport, Verladen etc.) bei einem Logistikdienstleister in Auftrag gibt.
Logistikdienstleister Logistikdienstleister (abgekürzt: LDL; Englisch: logistics service provider) bezeichnet die Weiterentwicklung des traditionellen Speditionsgeschäfts. Über Transport, Umschlag und Lagerung (TUL) hinaus bietet der LDL weitere Leistungen und Lösungen an, zum Beispiel kundenbezogene Lagerung, Kommissionierung, Assemblierung, Fakturierung usw. LDL und 3PL werden häufig synonym verwendet.
Geschäftsmodell
Ein Geschäftsmodell besteht allgemein aus den drei Hauptkomponenten Nutzenversprechen (value proposition), Architektur der Wertschöpfung und Ertragsmodell.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?224971

Gedruckt am Dienstag, 23. April 2024 22:31:49