Zuschüsse der Aufgabenträger als Bestandteil der aktuellen ÖPNV-Finanzierung
Erstellt am: 28.03.2007 | Stand des Wissens: 06.12.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Das deutsche ÖPNV-System ist langfristig unterfinanziert, was im starken Kontrast zu den klimapolitischen Zielen steht. Um hierzu einen Beitrag zu leisten, wäre ein massiver Ausbau des ÖPNV-Angebots erforderlich [Somm21].
Im Rahmen der Bahnreform wurde in Deutschland die Verantwortung für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und dessen Finanzierung auf die Länder übertragen. Viele Bundesländer haben die Aufgabenträgerschaft durch landesrechtliche Regelungen an Verkehrsverbünde oder andere Aufgabenträgerorganisationen weitergegeben. Diese bestellen im Rahmen von Verkehrsverträgen den jeweiligen Verkehr. Zur Finanzierung erhalten die Länder vom Bund Regionalisierungsmittel (siehe Abbildung 1), die von den Ländern an die jeweiligen Aufgabenträgerorganisationen weitergeleitet werden. Die Verteilung der Mittel auf die einzelnen Länder ist im Regionalisierungsgesetz (RegG) festgelegt und erfolgt nach dem Kieler Schlüssel, der sich je zur Hälfte aus den Einwohnern mit Stand 2012 und den bestellten Zugkilometern mit Stand 2015 zusammensetzt. Die dadurch benachteiligten ostdeutschen Bundesländer erhalten zusätzliche Mittel. In Summe wurden 2020 vom Bund 8,95 Milliarden Euro (plus Ausgleichszahlungen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro als Ausgleich der durch die Corona-Pandemie entstandenen finanziellen Nachteile) an die Länder entrichtet.
2020 erfolgte eine deutliche Anhebung der Regionalisierungsmittel. Sie erhöhen sich gemäß Regionalisierungsgesetz (RegG) von 2020 bis 2023 um einen festen Betrag und ab 2024 im Rahmen einer Dynamisierung um jährlich 1,8 Prozent. Das Regionalisierungsgesetz erlaubt die Verwendung der Mittel nicht nur für den SPNV, sondern auch für weitere Aufgaben im öffentlichen Nahverkehr, zum Beispiel Investitionen in Verkehrsanlagen und Fahrzeuge, die Bestellung von Betriebsleistungen des straßengebundenen ÖPNV (zum Beispiel Busse und Straßenbahnen), Tarifausgleiche oder die für die Durchführung der Aufgaben notwendigen Verwaltungstätigkeiten. Die Länder wenden im Zuge der weitgehend freien Mittelverwendung unterschiedliche Strategien an. Hinderlich ist jedoch, dass die Länder knapp 50 Prozent (Stand 2019) der Regionalisierungsmittel für Infrastrukturnutzungsentgelte (Trassenpreise und Stationsentgelte) an die Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) durchreichen müssen. Seit der Änderung des Eisenbahnregulierungsgesetzes (ERegG) Ende 2019 dürfen die Trassen- und Stationsentgelte im SPNV jährlich ebenfalls nur noch um 1,8 Prozent pro Jahr steigen. Mit der Änderung wurde es ermöglicht, zusätzliche Mittel an die Länder auszuschütten, ohne dass sie 50 Prozent davon an die EIU durchreichen müssen. [BNA21]
Insgesamt ergibt sich auf Länderebene sowohl durch die unklare Abgrenzung der Finanzierungsquellen als auch in der Verwendung der Mittel derzeit ein unübersichtliches Bild, weil es viele länderspezifische Organisationsformen gibt. Es ist jedoch bereits ein Bestreben der Länder erkennbar, eine transparente landesweite ÖPNV-Finanzierung zu entwickeln. Dabei wird häufig die Aufgaben- und Ausgabenverantwortung bei den Aufgabenträgern gebündelt [FGSV20].
Der ÖPNV auf der Straße inklusive Straßenbahn und U-Bahn ist vor allem eine kommunale Aufgabe. Als Folge der unterschiedlichen Finanzsituation der Kommunen existieren deutliche qualitative und quantitative Unterschiede zwischen den ÖPNV-Angeboten. Im Allgemeinen wird der ÖPNV auf der Straße aus den kommunalen Haushalten und auch aus einem kommunalen Querverbund finanziert [Ran13]. Die Querverbundfinanzierung hat aber in den letzten Jahren aufgrund der sinkenden Gewinne im Energiegeschäft der kommunalen Betriebe an Bedeutung verloren [FGSV20].
Kommunen oder kommunale Zweckverbände, Regionalverbände und teilweise auch die Bundesländer erstatten Harmonisierungs- und Durchtarifierungsverluste, die durch die Einführung eines Verbundtarifes entstehen. Ziel ist die Förderung von Verkehrsverbünden als eine wichtige Maßnahme zur Attraktivitäts- und gleichzeitig Effektivitätssteigerung des ÖPNV.
Während in Deutschland der Bund bei der Finanzierung und Bestellung von Nahverkehr nicht direkt mitwirkt, gestaltet sich dies in der Schweiz anders. Hier wird der Regionalverkehr von Bund und Kantonen gemeinsam bestellt. Die Federführung liegt bei der Bestellung des Regionalverkehrs bei den Kantonen. Der Bund greift steuernd bei der Mitfinanzierung der Angebote ein, um auch bei geringer Nachfrage ein attraktives Angebot zu sichern [FES10a].
Es wird deutlich, dass mit einer sicheren und adäquaten Finanzierung des ÖPNV eine Erhöhung des ÖPNV-Anteils als wichtiges Instrument der Klima- und Umweltziele erreichbar ist. Im Zuge der zurückliegenden Föderalismusreform in Deutschland sind zwar die Aufgaben vor allem auf die Länder übertragen worden, gleichwohl kommt im Rahmen der ÖPNV-Finanzierung auch dem Bund weiterhin eine besondere und wichtige Rolle zu. Insbesondere im Hinblick auf die internationalen und europäischen Ziele bei Klimaschutz und deren weiterer Verschärfung muss Deutschland über alle Ebenen konsistent agieren [VDV21].