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Familien- und altengerechte Stadtquartiere zur Begegnung des demografischen Wandels

Erstellt am: 15.03.2007 | Stand des Wissens: 18.07.2019
Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Aufgabe der Stadtgesellschaften ist es, neue Rahmenbedingungen zu schaffen, um den vielfältigen individuellen Lebenssituationen besser gerecht zu werden. Hierzu gehören gemeinsame Räume für Jung und Alt [BMVBS08h, BMU16]. Besonderes Augenmerk ist in diesem Zusammenhang auf Stadtquartiere zu richten. Ein Stadtquartier entspricht "einem räumlichen Umgriff, in dem elementare Alltagsaktivitäten stattfinden beziehungsweise möglich sind. Dazu gehören vor allem Arbeiten, Bilden, Erholen, Versorgen und Wohnen." [zlise 417654]
Durch die demografische Entwicklung wird zukünftig die Nachfrage nach altengerechtem Wohnraum ansteigen. Ältere Menschen möchten solange wie möglich in ihrer vertrauten Umgebung bleiben, so dass die Entwicklung altengerechter Stadtquartiere zu einem zentralen Thema in der Stadtplanung wird.
Von vielen Menschen wird Wohnen im Alter mit Sonderwohnformen assoziiert. Hierzu zählen "Heime", "Betreutes Wohnen" sowie "Altenwohnungen". Der überwiegende Teil (93 Prozent) der 65-jährigen und älter wohnen in einem "normalen Wohnungsbestand" und nur etwa 7 Prozent leben in Sonderwohnformen. Gemeinschaftliches Wohnen oder ambulant betreute Pflegegruppen zählen zu den neueren alternativen Wohnformen. Diese werden von rund 0,1 Prozent der älteren Menschen genutzt [BMVBS11l, S. 27; BMFSFJ17, S. 222].
Der Großteil der älteren Menschen lebt auch dann noch in einer "normalen" Wohnung, wenn sie auf Hilfe und Pflege angewiesen sind [BMVBS11l, S. 27]. Nach Angaben der Pflegestatistik des Statistischen Bundesamtes werden Ende des Jahres 2015 in Deutschland von den 2.371.840 Pflegebedürftigen im Alter von 65 Jahren und älter circa zwei Drittel (1.644.860 Pflegebedürftige) zu Hause versorgt. [STBU17f, S. 9, Tabelle 1.2]
Die Gruppe der älteren Menschen, die sich für besondere Wohnformen in einer Häuslichkeit wie "Betreutes Wohnen", "Gemeinschaftliches Wohnen" oder für die "Pflegewohngruppen" interessiert, wächst an. Diese altersgerechten Wohnformen werden vermehrt genutzt [BMVBS11l, S. 27].
Der Abbildung 1 kann die prozentuale Verteilung altersgerechter Wohnformen für die Gruppe der 65-Jährigen und älter entnommen werden.

rozentuale Verteilung altersgerechter Wohnformen (65 Jahre und älter)Abbildung 1: Prozentuale Verteilung altersgerechter Wohnformen (65 Jahre und älter) [Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) 2008 nach: BMVBS11l, S. 27, Abb. 2] (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
Aber auch die familiengerechte Gestaltung von Quartieren ist trotz des in Deutschland tendenziell sinkenden Anteils junger Menschen von Bedeutung [Stat17d]. Familien spielen eine bedeutende Rolle in unserer Gesellschaft, daher ist ihre Förderung sehr wichtig. Da alte Menschen nicht isoliert werden sollten und auch junge Familien den Austausch mit unterschiedlich alten Menschen schätzen, ist das Mehrgenerationenwohnen zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Zudem überschneiden sich die Anforderungen älterer Menschen und Familien an ihr Wohnquartier. Kleinräumige Infrastruktur, eine sichere und umweltfreundliche Umgebung sowie öffentlicher Raum, der zum Verweilen einlädt, kommt sowohl Älteren als auch Familien zugute [Stadt04].
Durch die starke Suburbanisierung vergangener Jahrzehnte leben viele der älteren Menschen heute im Umland der Städte und finden dort, entsprechend ihren Anforderungen, nur ein unzureichendes Dienstleistungs- und Infrastrukturangebot vor. Hier müssen Strategien entwickelt werden, um diese Quartiere altengerecht umzubauen. Gleichzeitig sollen weitere Suburbanisierungstendenzen junger Familien durch familiengerechte Quartiere in der Stadt vermindert werden. Von hohem Stellenwert ist hierbei vor allem die Förderung des Mehrgenerationenwohnens, um die Möglichkeit gegenseitiger Hilfe zu unterstützen und eine Isolierung der älteren Menschen zu vermeiden [IRB01; BBR95].
Mittlerweile bestehen zahlreiche familien- und altengerechte Stadtquartiere und Konzepte. Darunter exemplarisch der Stadtteil Vauban in Freiburg oder Darmstadt-Kranichstein sowie beispielsweise Projekte zu Mehrgenerationenwohnen in Aachen.
Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Literatur
[BBR95] Breuer, Bernd, Fuhrich, M. Wohnen im Alter - zuhause im Wohnquartier, 1995/08
[BBSR14] Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hrsg.) Innovationen für familien- und altengerechte Stadtquartiere, 2014
[BMFSFJ17] Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.) Siebter Altenbericht, Ausgabe/Auflage 2., 2017/09
[BMI12] Bundesministerium des Innern Jedes Alter zählt
Demografiestrategie der Bundesregierung, 2012/04/25
[BMU16] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (Hrsg.) Stadtentwicklungsbericht der Bundesregierung 2016: Gutes Zusammenleben im Quartier, 2016
[BMVBS08h] Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung Stadtentwicklungsbericht 2008 - Neue urbane Lebens- und Handlungsräume, 2009
[BMVBS11l] Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Bundesministerium für Digitales und Verkehr Wohnen im Alter - Marktprozesse und wohnungspolitischer Handlungsbedarf, Ausgabe/Auflage Heft 147, 2011, ISBN/ISSN 978-3-87994-479-8
[Bund09d] Bundesregierung Wachstum. Bildung. Zusammenhalt. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP. 17. Legislaturperiode , 2009/10/26
[Bund13f] CDU Deutschlands, CSU-Landesleitung, SPD Deutschlands Zukunft gestalten
Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD
18. Legislaturperiode, 2013/12/16
[destatis13d] Pfaff, H. Pflegstatistik 2011
Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung
Deutschlandergebnisse, Wiesbaden, 2013/01/18
[ExWoSt07b] Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Urbanizers Büro für städtische Konzepte, Urbanizers_Büro für städtische Konzepte, Berlin, Neumüllers, M., Langenbrinck, G., Klenke, M., , Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Willinger, S., Uhlig, L.-C. Stadtquartiere für Jung und Alt, 2007/09, ISBN/ISSN 978-3-87994-032-5
[IRB01] Großhans, Hartmut Wohnumfeld und Quartiersgestaltung für das Wohnen im Alter im Generationenverbund, 2001, ISBN/ISSN 3-8167-4720-5
[Stadt04] Presse und Informationsamt der Bundesregierung Nachhaltige Stadtentwicklung - ein Gemeinschaftswerk (Städtebaulicher Bericht der Bundesregierung 2004), 2004
[Stat17d] Bevölkerungsentwicklung bis 2060 in Deutschland , 2017/03/27
[STBU17f] Pflegestatistik 2015: Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung: Deutschlandergebnisse, Wiesbaden, 2017/01/16
Weiterführende Literatur
[BMFSFJ05] Jürgen Sass, Malte Ristau-Winkler, Petra Mackroth, 7. Familienbericht, Berlin, 2005
[IRPUD06] Volker Kreuzer Altengerechte Wohnquartiere - Stadtplanerische Empfehlungen für den Umgang mit der demografischen Alterung auf kommunaler Ebene, 2006, ISBN/ISSN 978-3-88211-157-6
[BMI11] Bundesministerium des Inneren (BMI) (Hrsg.) Demografiebericht, 2011
[BMFSFJ13] Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.) Eine neue Kultur des Alterns
Altersbilder in der Gesellschaft
Erkenntnisse und Empfehlungen des Sechsten Altenberichts, 2013/01/30
[Progn05] Familienatlas 2005, 2005
[ExWoSt07] k.A. Innovationen für familien und altengerechte Stadtquartiere, 2007/03
[ExWoSt08a] k.A. Innovationen für familien- und altengerechte Stadtquartiere, 2008/06
[MivS04] verschiedene Leben und Wohnen in einer alternden Gesellschaft, Münster, 2004, ISBN/ISSN 3-88497-203-0
[Haeu96] Siebel, W. Soziologie des Wohnens, Juwenta-Verlag, Weinheim und München, 1996, ISBN/ISSN 3-7799-0395-4
[Harl01] Universität Stuttgart, Harlander, Tilman, Prof. Dr. rer. pol. Villa und Eigenheim, Deutsche Verlags-Anstalt / Stuttgart, München, 2001
[NetzGenWo] Jekel, Gregor, Arndt, Pamela, Müller, Kristin, Sander, Robert, Scheumann, Diana, Beckmann, Klaus, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Vorstudie zur Einrichtung einer "Netzwerkagentur Generationenübergreifendes Wohnen", 2007/10/10
[BMFSFJ98] Sachverständigenkommission Zweiter Altenbericht der Bundesregierung - Wohnen im Alter, 1998/01/28
Glossar
Suburbanisierung
Die Suburbanisierung ist eine Phase der Stadtentwicklung, bei der es zu einer Verschiebung des Wachstumsschwerpunktes aus dem Kernbereich einer Stadt (Zentrum) in das städtische Umland beziehungsweise den suburbanen Raum kommt (Stadt-Umland-Wanderung).
Stadtquartier
Ein Stadtquartier umfasst einen Raum, in dem alltägliche Aktivitäten stattfinden. Dazu zählen Arbeiten, Bilden, Erholen, Versorgen und Wohnen (Quelle: Ziele nachhaltiger Stadtquartiersentwicklung, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, September 2013).

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?217216

Gedruckt am Freitag, 22. September 2023 13:22:58